Cover des Buches Eisenberg (ISBN: 9783426653968)
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Rezension zu Eisenberg von Andreas Föhr

Kreative Strafverteidigung: Eisenberg von Andreas Föhr

von DunklesSchaf vor 8 Jahren

Kurzmeinung: So ganz ohne Lokalkolorit, dafür mit einer spannenden, kreativen Ermittlung und Rachel Eisenberg, eine findigen Strafverteidigerin.

Rezension

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DunklesSchafvor 8 Jahren

Regionalkrimi – Abschreckung oder Verkaufserfolg? Ich vermute mal beides. Andreas Föhr gehört mit seiner Serie um die Polizisten Wallner und Kreuthner dazu, weil diese eben im ländlichen Bayern spielen und die bayrische Art auf humorige Weise darstellt. Für mich heben sich die Krimis allerdings vom Regio-Einheitsbrei ab, denn erstens grantelt nicht jeder und zweitens sind die Fälle gut durchdacht und immer spannend. Der ernsthafte Wallner ist hier der Ausgleich zu Opa Manfreds Aktionen und Kreuthners krummen Touren. Ich höre die Serie gern, sowohl vom Hörbuchsprecher Michael Schwarzmaier als auch vom Autor selbst – denn bei einer Lesung war ich auch schon dabei. Nun hat der Autor sich aber entschlossen eine zweite Serie zu eröffnen, die so gar nichts mehr mit dem Stempel Regionalkrimi zu tun hat, dafür viel mehr mit seinen eigenen beruflichen Erfahrungen: Strafrechtsanwältin Rachel Eisenberg ermittelt in München.

Rachel Eisenberg, mit pubertierender Tochter und fast geschiedenem Mann, mit dem sie allerdings noch die Kanzlei betreibt, wird von der obdachlosen Jugendlichen Nicole gebeten, ihren Kumpel zu verteidigen. Er wird beschuldigt, eine junge Studentin, Johanna Mend, ermordet zu haben. Eigentlich kein Fall für Rachel – zu unprofitabel. Doch die Art des Mordes und die Tatsache, dass der Oberstaatsanwalt die Anklage führt, machen sie neugierig und sie besucht den Angeklagten, um das Mandat zu übernehmen. Eine große Überraschung erlebt sie, als sie erkennt, dass sie den Angeklagten erkennt. Es ist Heiko Gerlach, früher mal Physikprofessor, jetzt Obdachloser. In ihren Studienjahren war Rachel sogar mit ihm liiert. Diese persönliche Komponente befeuert Rachels Eifer, den Fall genauer auszuleuchten. Kann der Mann, den sie mal geliebt hat, ein junges Mädchen getötet haben?

Rachel ist gut in ihrem Job. Sie ist eine Top-Strafrechtsanwältin und lebt mit ihrer Tochter einen exponierten Lebensstil, der ihrer Reputation würdig ist. Sie ist findig und schreckt auch vor Unwahrheiten, Zurückhalten von Informationen oder kreativer Informationsbeschaffung nicht zurück. Die Kanzlei beinhaltet neben ihrem (Ex-)Mann noch einige Mitarbeiter und im Fall Gerlach wird sie von zweien der besten unterstützt. Durch ihren Job hat sie auch Verbindungen zu den verschiedensten Kriminellen, die ihr noch einen Gefallen schulden. Ihre Fähigkeiten, Kontakte und Mitarbeiter weiß sie geschickt einzusetzen und im Gerichtssaal ist sie nicht auf den Mund gefallen und reagiert schlagfertig und flink, so wie sich das für eine Strafverteidigerin gehört. Die kreativen Lösungen sind mitunter schon mal recht abenteuerlich und auch fragwürdig, aber letztendlich bringen sie den Fall voran und machen aus dem ganz normalen Fall eben einen spannenden Krimi.

Im Privaten ist bei Rachel noch keine Ruhe eingekehrt. Neben ihrem Mann, für den sie noch einige Gefühle übrig hat, obwohl er sie betrogen hat und nun mit der neuen Freundin zusammenlebt, macht ihr ihre Tochter Sarah einige Schwierigkeiten. Zwar mit einem jüdischen Vater gesegnet, aber bis jetzt nicht viel mit der Religion am Hut, interessiert sie sich plötzlich dafür und wünscht sich eine Bat Mitzwa. Zugleich wird Sarah von einem Mitschüler gemobbt. So ist für private Verwicklungen neben der Krimihandlung auch noch Platz, allerdings zum Glück nicht zu überbordend und der Fall steht schon im Vordergrund.

Heiko Gerlach ist ein seltsamer Typ und es ist ihm nicht gelungen, mich auch nur in einer einzigen Szene auf seine Seite zu ziehen. Das ist übrigens unabhängig von seiner Schuld/Unschuld am Mord der Studentin. Sein Verhalten ist sehr seltsam und auch Rachel zweifelt des Öfteren an Heiko. Das hindert sie jedoch nicht daran zu ermitteln. Besonders ein weiterer Erzählstrang regt zum Rätseln an, denn dort geht es um eine junge Frau und ihre Tochter, die vom Balkan nach Deutschland fahren. Sie sind auf der Flucht vor einer Blutrache und werden von zwei Polizisten aufgehalten – die große Frage ist: was hat das mit dem Fall um die ermordete Studentin zu tun? Der Autor ist hier übrigens sehr fies, denn ab der Hälfte des Buches ist der Erzählstrang beendet, ohne dass man erst mal weiß, wie es ausgegangen ist. Apropos fies – das Buch endet mit einem Cliffhanger. Nein, nicht bei dem Fall, der wird nämlich gelöst, aber eine Geschichte aus Rachels Vergangenheit bleibt ungelöst. Neben der Ermittlung, die mitunter sehr einfallsreich ist, gibt es auch eine ausführliche Gerichtsszene, die mir sehr gefallen hat. Die Bälle, die sich die Anwälte um die Ohren schlagen, gepaart mit einer nach und nach neugieriger werdenden, aber neutralen Richterin, war ein wirklicher Lesegenuss und ich hoffe, im nächsten Teil der Serie wieder eine Gerichtsszene lesen zu dürfen. Damit ist dann auch schon alles gesagt, denn wenn der nächste Teil auf meinen Wunschzettel wandert, ist das ein eindeutiges Zeichen, wie gut mir der Krimi gefallen hat.

Fazit:
Auch die neue Serie von Andreas Föhr kann überzeugen – so ganz ohne Lokalkolorit, dafür mit einer spannenden, kreativen Ermittlung und Rachel Eisenberg, eine findigen Strafverteidigerin.

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