Cover des Buches Was scheren mich die Schafe (ISBN: 9783462042894)
Rezension zu Was scheren mich die Schafe von Anke Richter

Rezension zu "Was scheren mich die Schafe" von Anke Richter

von Ein LovelyBooks-Nutzer vor 13 Jahren

Rezension

Ein LovelyBooks-Nutzervor 13 Jahren
Anke Richter ist Journalistin. Als ihr Mann eine Stelle als Arzt in Neuseeland annimmt, wandert die Familie aus. Was ihr in ihrem neuen zuhause so widerfährt, welchen skurrilen Typen sie begegnet und wie man sich als Deutsche ab und an mal für die ehemaligen Landsleute fremdschämen muss, erzählt Anke in ihrem Buch mit sehr viel Humor. Und das man das eigene "deutsch sein" gar nicht so einfach ablegen kann. Obwohl man eigentlich vorher gar nicht dachte, dass man selbst ziemlich deutsch ist. Dieses Buch ist absolut zu empfehlen für alle, die schon mal in NZ waren und/oder noch mal hinwollen. Als Ratgeber für Deutsche, wie man sich dort am Besten nicht verhält und in welche Fettnäpfchen man treten kann. Und für Leute, die über sich selbst mal gerne und herzlich lachen können und möchten. Und nebenher erfährt man auch etwas über Land und Leute jenseits von Doku-Soap-Klischees und Herr-der-Ringe-Romantik. Viel Spaß beim Lesen. Ich war im Jahr 2004 mit dem Working Holiday Visum fast ein Jahr in Neuseeland. Ich bin rumgereist, habe gearbeitet und habe viele Menschen unterschiedlichster Nationalitäten kennenlernen dürfen. In dieser Zeit habe ich vieles erlebt und ich musste beim Lesen oftmals lachen und vor allem bestätigend mit dem Kopf nicken. Was Anke in ihrem Buch beschreibt (in NZ duzt jeder jeden, deshalb schreibe ich mal nicht Frau Richter), habe ich selbst teilweise so erlebt. Zunächst bin ich erschlagen worden von all der Freundlichkeit. Völlig fremde Menschen bieten dir einen "lift" an, wenn sie sehen, dass man sich mit seinem Einkauf zu Fuß die Hügel von Queenstown raufschleppt. Und man nimmt das Angebot an, ohne Angst, dass man gerade zu einem Serienkiller ins Auto steigt. Dann stellt man fest, dass man selbst als Deutsche schon von weitem erkannt wird, denn auch ich habe eine Goretex-Jacke besessen. Das Deutschsein hat bei der Jobsuche schon sehr geholfen. Denn im allgemeinen gilt der Deutsche als fleißig, zuverlässig, gewissenhaft und pünktlich. Ebenso die Japaner. Deshalb kam es oft vor, dass in den Hotels und Fruitpacking-Fabriken ausschließlich Deutsche und Japaner gearbeitet haben. Nach ein paar Monaten war der deutsche Akzent dann weg. Im Gespräch mit Einheimischen wurde man nicht mehr als Deutsche erkannt, sondern schon mal für eine Schottin gehalten. Da war ich dann schon stolz. Ich, ein native speaker! Dann hat man sich noch etwas mehr Freundlichkeit und "Kommst-du-heut-nit-kommst-du-Morgen"-Mentalität angeeignet und schwupps war das Leben so viel einfacher und angenehmer. Doch es war auch kein Zuckerschlecken. Wenn die Reisekasse leer war und man nicht schnell wieder einen Job gefunden hat, dann gab es mal auch zwei Wochen lang nur 2-minute-noodles zu essen. Und ein Arztbesuch ist auch sehr teuer. Also vermeiden, wenn es nicht unbedingt sein muss. Man bekommt ohnehin nur Paracetamol verschrieben. Das ist das Allheilmittel. Wir sind mit unserem Gesundheitssystem viel zu verwöhnt. Niemand würde mehr über 10 EUR Praxisgebühr meckern, wenn er für jeden Arztbesuch erstmal 70 EUR hinblättern müsste. Eine NZ-Kollegin beim Fruitpacking war schon über 70 Jahre alt. Sie hat sich etwas dazuverdient, um sich ihr Zimmer im Altenheim leisten zu können. Zurück in Deutschland ist es mir dann anfangs sehr schwergefallen mich wieder einzuleben. Da merkt man erstmal, wie eingeschränkt das Leben hier ist. Es gibt für alles Vorschriften und Regeln. Und niemand grüßt einen auf der Straße. Man gewöhnt sich aber irgendwann wieder daran. Nur eines habe ich mir bewahrt. Wenn ich hilflose Touristen in meiner Stadt sehe, dann spreche ich sie einfach an und helfe weiter. Dann freuen sich die Leute, weil sie sich selbst nicht getraut haben, jemanden anzusprechen und jemand da war, der ihnen freundlich Auskunft gegeben hat. Dieser Tage gehen meine Gedanken zu den Menschen in Christchurch und Umgebung, die durch das Erdbeben Angehörige verloren haben, verletzt worden sind und ihr Heim verloren haben. Ich selbst habe nur eine Woche in dieser Stadt verbracht und trotzdem hat es auch mir wehgetan zu sehen, wie sie nun in Trümmern liegt.
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