Frankfurt am Main, 1914: Der Jurastudent Ludwig Kronheim brennt darauf, für Deutschland in den ersten Weltkrieg ziehen zu dürfen. In einem liberalen jüdischen Elternhaus aufgewachsen, sieht er sich zuallererst als Deutscher, danach erst als Jude. So teilt er die allgemeine Begeisterung, die in den Straßen spürbar ist, ganz anders als seine Freundin Karoline. Sie kann nicht verstehen, wieso Ludwig sich auf das harte Soldatenleben freut, das ihn unweigerlich mit dem Tod konfrontieren wird. Trotzdem bemühen sich die beiden, ihre Beziehung aufrecht zu erhalten und schreiben sich jeden Tag.
Zur gleichen Zeit macht in Bordeaux, Frankreich ein Bäckersohn ähnliche Erfahrungen wie Ludwig. Louis Naquet hat gerade seine Reifeprüfung als einer der Besten bestanden, da flattert auch schon sein Einberufungsbefehl ins Haus. Noch während seiner Grundausbildung beginnt der Krieg und die Strapazen der Ausbildung kommen Louis mit einem Mal wie ein Spiel vor. Ein Spiel, das ihn nur unzureichend auf den Ernst vorbereitet hat...
"Süß und ehrenvoll" - zwei Worte, die eigentlich so gar nichts mit dem bestialischen Stellungskrieg zu tun haben, der vor hundert Jahren halb Europa in den Tod gestürzt hat. Und doch war natürlich nicht alles grausam, den Menschen widerfahren trotz allem auch noch schöne Dinge. So hält Ludwig an seiner großen Liebe fest, immer in der Hoffnung, der Krieg möge bald vorbei oder der nächste Urlaub nah sein. Auch Louis freut sich jedes Mal auf Zuhause, auf seine warmherzige Familie und den über alles geliebten Vater. Man spürt beim Lesen richtig, dass die Soldaten bei ihren Heimatbesuchen eine andere Welt beschreiten und dass niemand, der die Schlachtfelder nicht mit eigenen Augen gesehen hat, nachvollziehen kann, wie das Leben in den Schützengräben abläuft. Avi Primor schafft es auf unvergleichliche Weise, all diese Erlebnisse lebendig werden zu lassen. Er verwebt sein Wissen gekonnt mit der Handlung, sodass sie immer interessant bleibt und man gleichermaßen mit Ludwig und Louis mit bangt, mit leidet, mit liebt.
Besonders der Briefverkehr hat mir gefallen. Zwar beherrscht er an manchen Stellen das Geschehen, aber er lenkt nicht vom Thema ab oder schlägt eine neue Richtung ein. Durch dieses Stilmittel erhalten die darin beschriebenen Situationen einen realistischen Charakter, was mich teilweise sehr bewegt hat. Die beiden Protagonisten erzählen von ihren Erlebnissen mit den Kameraden, von den Kämpfen oder auch von ihrer Freizeit. Auch bedeutende Ereignisse und Personen werden mit eingebunden, wie beispielsweise das Weihnachtswunder von 1914. Besonders interessant ist dabei, dass man die Geschehnisse aus zwei verschiedenen Blickwinkeln erfährt. So wiederholen sich zwar ein paar Beschreibungen, aber jedes Mal erlebt man sie neu, mal aus deutscher Sicht, mal aus französischer, aus Soldatensicht oder der zivilen.
Die Perspektive wechselt dabei unregelmäßig. Zunächst wird Ludwigs Leben näher beleuchtet, erst später erfährt man dann mehr über Louis und seine Familie. Auch sie sind liberale Juden und können in Bordeaux relativ unbehelligt leben. Genau wie Ludwig fühlt sich Louis zuallererst seiner Nation verpflichtet, erst danach kommt die Religion. In diesem Zusammenhang war auch der Umgang mit den Juden in der Armee sehr interessant. Während es auf französischer Seite eher wenig Probleme gab, verbreitete sich der Antisemitismus unter den deutschen Soldaten wieder stärker, je länger der Krieg dauerte. Aber auch die verschiedenen Formen des Judentums werden thematisiert, ein völlig neues Gebiet für die Protagonisten und wohl auch für die meisten Leser.
Dieses Buch ist stellenweise grausam, ekelhaft, unmenschlich, aber mindestens genauso spannend, gefühlvoll und bewegend. Für mich war es definitiv ein Mehrwert und ich empfehle es wirklich sehr gerne weiter.
Avi Primor
Lebenslauf
Quelle: Verlag / vlb
Neue Bücher
Bedrohtes Israel
Alle Bücher von Avi Primor
Süß und ehrenvoll
Terror als Vorwand
An allem sind die Juden und die Radfahrer schuld
Bedrohtes Israel
Europa, Israel und der Nahe Osten
Mit dem Islam gegen den Terror
Nichts ist jemals vollendet
Weit war der Himmel über Palästina
Neue Rezensionen zu Avi Primor
Rezension zu "Süß und ehrenvoll" von Avi Primor
Bei einem Interview vom Blauen Sofa zur Frankfurter Buchmesse 2013 wurde ich auf Avi Primor und seinen Roman "Süß und ehrenvoll" aufmerksam.Normalerweise wollte Primor, bekannt für seine Sachbücher, in denen er über typische Missverständnisse zwischen Menschen jüdischen Glaubens und den Deutschen aufklärt, ein weiteres Sachbuch über die Briefkorrespondenz jüdischer Soldaten im Ersten Weltkrieg mit ihren Familien schreiben, weil es darüber so gut wie gar keine Lektüre gibt.Allgemein traute sich bisher kaum einer an das Thema mit den jüdischen Soldaten im Ersten Weltkrieg heran und so war es Primor ein Bedürfnis,darüber zu schreiben. Er erzählte,dass er aber bald beim Schreiben bemerkte, dass er mehr als nur darüber aufklären wolle,er wolle darüber eine (zugegebener Maßen etwas verstörende) Geschichte erzählen und so schrieb er seinen ersten Roman,der ihm meiner Meinung nach sehr gut gelungen ist.
Nachdem ich das Interview auf dem Blauen Sofa gesehen habe,wusste ich, ich will dieses Buch.Ich habe nicht mal eine Woche gebraucht,um es durchzulesen.Meiner Meinung nach genau das richtige Buch,um mal über den geschichtlichen und politischen Tellerrand drüber hinauszusehen und absolut lesenswert!
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