Cover des Buches Totenhaus (ISBN: 9783442754557)
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Rezension zu Totenhaus von Bernhard Aichner

Brünhilde Blum auf der Flucht... Diese Frau polarisiert und scheidet die Geister...

von Floh vor 9 Jahren

Kurzmeinung: Der Autor hat großes Talent für nagende Spannung und Tiefenpsychologie im Bereich Nervenkitzel und Sinnfragen!

Rezension

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Flohvor 9 Jahren
Autor Bernhard Aichner hat mit seinem Thriller-Auftakt „Totenfrau“ eine Steilvorlage geliefert. Nun ist sein langersehnter zweiter Teil der Trilogie „Totenhaus“ erschienen. Auch hier lässt der vielversprechende Klapptext Einblicke in die tiefsten Abgründe der menschlichen Seele vermuten...
Erschienen im btb Verlag (http://www.randomhouse.de/btb/)

Inhalt:
"Bei einer Exhumierung auf einem Innsbrucker Friedhof werden in einem Sarg zwei Köpfe und vier Beine gefunden. Schnell wird klar, dass es sich um ein Verbrechen handeln muss, dass hier die Leichenteile eines vor einem Jahr spurlos verschwundenen Schauspielers liegen. Nur eine Person kommt als Täterin in Frage: die Bestatterin, die die Verstorbene damals versorgt und eingebettet hat. Es gibt keinen Zweifel daran, dass Brünhilde Blum den Schauspieler getötet hat. Doch die ist wie vom Erdboden verschluckt …"

Schreibstil:
Der Schreibstil des Autors in diesem, wie auch in seinem vorherigen Werk ist ein völlig neuer. So habe ich noch nie ein Buch gelesen und so setzt er seine Reihe um Protagonistin Blum auch fort. Ich kenne den Begriff für diesen Stil und diese Art des Schreibens nicht, aber eines kann ich sagen: Es haut rein! Es erschüttert, es trifft Mark und Seele...kurz, knackig, tief! Doch muss man den ersten Teil „Totenfrau“ kennen, um Gefallen an „Totenhaus“ zu haben? Die einen sagen ja, die anderen sagen nein. Ich denke jedoch schon, dass es vorteilig ist, den ersten Teil gelesen zu haben, um sich in Blum hineinzuversetzen können. Jedoch hat der Autor in seinem zweiten Teil „Totenhaus“ den geschickten Schachzug gewählt, immer mal wieder in die Vergangenheit um Blum und ihren Verlusten und Schicksalen zu blicken. Dies kann förderlich, jedoch für Kenner sehr störend und stockend sein. Hier muss jeder Leser für sich entscheiden, wie er mit diesen schriftstellerischen Aspekten umgeht. In dieser Fortsetzung behandelt der Autor wieder einmal eine sehr beklemmende, eine ganz finstere Thematik, er provoziert, erregt, erschüttert, gibt aber dennoch Stoff für Spekulationen und Mutmaßungen. Eine sehr gelungene neue Art, der Autor besitzt Wiedererkennungswert, gar keine Frage! Dennoch hat der Autor Aichner hier meines Erachtens starke Schwierigkeiten den Kern der Story zu treffen. Es gibt eine Handlung, andersherum gibt es sie wieder nicht. Sein Schreibstil wirkt hier passagenweise sehr unentschlossen und unausgekoren. Was trieb ihn hier zur Eile?
Lobenswert ist nach wie vor Autor Bernhard Aichner´s ganz besondere Note. Ihm ist es auch hier gelungen, durch kurze Sätze ganz viel Inhalt zu bieten.

Charaktere:
Die Charaktere sind das Kernstück des Thrillers. So viel Leid, Störung, Schändung, Verzweiflung, Schicksal, Mitleid usw. habe ich noch nie mit Charakteren mitempfunden. Blum, eine Bestatterin mit fragwürdiger Kindheit, einem toten Mann und zwei kleinen Mädchen. Nach einer Inszenierung einer Leiche begibt sich Blum auf Spurensuche und den Fährten ihrer Schwester. Dabei lernt sie, und wir gebannten Leser natürlich auch, interessante, nette und mysteriöse Menschen und Bestien kennen. Blum, die Bestatterin, die Witwe, die Mutter, das geschundene Kind, die Rachegöttin...

Verdiente 5 Sterne vergebe ich für die raffinierte Auswahl der Charaktere, die in ihren Rollen voll aufgehen und einen Platz in der Story finden, der nicht wegzudenken ist! Manche davon nehmen im Verlauf der Handlung eine ganz andere Seite ein, diese gekonnten und raffinierten Wendungen zeugen von großem Talent und Geschick des Autors. Hier ist "Schubladendenken" sicherlich nicht angebracht, denn hier erlebt der Leser einige Überraschungen. Autor Aichner besticht hier mit sehr detailliert beschriebenen Charakteren, auch jene Nebendarsteller werden mit einer ganz besonderen Macke oder Eigenschaft in dem Geschehen platziert. Die Darstellung der handelnden Personen ist aber leider stellenweise sehr abgehoben und realitätsfern und erinnert an fiktionale Horrorstreifen. Hier vermisse ich die Intensität und Tiefe des ersten Buches aus der Trilogie.

Schauplätze:
Die Schauplätze sind eher nebensächlich, werden aber dennoch sehr nah geschildert und ausgeformt. Wichtige Sequenzen werden in passender Weise vorgehoben. Auch hier weiß es der Autor mit wenigen Worten zu glänzen. Aichner entführt seine Leserschaft an unterschiedlichste Schauplätze und Begebenheiten. Das „Horrorhaus“, in dem Blum ihre Spurensuche beginnt, zaubert Gänsehaut und Schauder. Bizarre Orte, tiefe Abgründe, neue Welten, entsetzliche Kulissen, aber auch die rasante Flucht und Fahndung nach Blum prägen hier ein starkes Bild. Nach wie vor bietet Bernhard Aichner dem Leser einen eindrucksstarken Blick in die Welt von geschundenen Seelen und kranken Psychen und in die gestörte Welt der Bestatterin Blum. Diese schildert er authentisch, ohne zu übertreiben und geschmacklos zu wirken, wenn auch einige Sequenzen wirklich makaber und ekelerregend sind.

Meinung:
Dieses Buch hier, das hat es in sich. Und das in vielen Punkten, meine Meinung ist mir selbst noch immer nicht ganz klar –
Die ersten Seiten hauen den Leser direkt erst einmal um und lassen ihn sprachlos werden. Hier verrät B. Aichner nach der Kapitelüberschrift „3 Wochen später“ schon einmal, was passieren wird. Und damit macht er es sehr spannend, was, wieso, weshalb, warum? …. Weiterlesen wird zum Programm. Das finde ich ausgesprochen gut gemacht und lockt den Leser sehr. So fulminant und packend die Story dann beginnt, so lasch setzt sie sich dann leider im Kern fort. Hier treffe ich auf Unverständnis und ertappe mich dabei wie ich den Kopf schüttle und mich frage: hä? Wieso? Sehr obskus und weit hergeholt. Meine Meinung schwank von Faszination, guter Unterhaltung, aber auch Mankos bei der Logik und Umsetzung. Ich selbst weiß auch nicht so recht, was ich für einen Gesamteindruck habe. Einige Sachen finde ich wirklich gut, hier spiegelt sich meine Begeisterung, die ich im ersten Band empfunden habe wider. Dazu gehören ganz klar der einzigartige und innovative Schreibstil, die Dialoge und die späteren Sinnfragen. Die Story selbst jedoch, die hat bei mir so manche Fragen aufgeworfen und war an einigen Stellen etwas unbefriedigend und haltlos. Die Story ist an manchen Stellen etwas abgeflacht und wirkt kernlos und unausgereift, lebt aber auch an diesen Stellen von dieser permanenten unheilvollen Stimmung der Geschichte und der Tiefenpsychologie. Manchen Lesern wird es sicherlich sehr gefallen, andere werden es in die Ecke werfen. Hier stellt sich dann auch die Frage, ob man Teil 1 zuvor kennen sollte oder nicht. Teil 1 hat eine sehr hohe Messlatte gesetzt, die für den Autor auch als Eigentor gelten könnte.

Dieser (Psycho-)Thriller verdient es hoch gelobt und sogleich arg kritisiert zu werden!!!! Und ich frage mich: ist das der Ernst? Und ich muss gestehen: Ja! Gerade wenn dann noch der Buchinhalt nachwirkt, dann hat der Autor mehr erreicht als einfach nur ein Buch abzuliefern. Fragen stellen sich, Antworten werden geliefert. Was macht die Qual aus einem Menschen? Wieviel Leid kann eine Seele verkraften? Kann man trotzdem Mutter sein? Wem darf man trauen? Wer ist Freund? Gibt es Gerechtigkeit? All das geistert dem Leser anschließend im Kopf herum... Anders als erwartet baut sich das Konstrukt auf und entlädt sich mit einer Aussicht auf den dritten Teil.


Der Autor:
"Bernhard Aichner (geb. 1972) lebt als Schriftsteller und Fotograf in Innsbruck/Österreich. Aichner schreibt Romane, Hörspiele und Theaterstücke. Für seine Arbeit wurde er mit mehreren Literaturpreisen und Stipendien ausgezeichnet. "Totenhaus" ist die Fortsetzung des Thrillers "Totenfrau", für den er begeisterte Kritiken erntete, er stand damit sowohl in Österreich als auch in Deutschland auf der Bestsellerliste, der Roman wurde in elf Länder verkauft, eine sechsteilige Fernsehserie ist in Vorbereitung."

Cover / Buch:
Das Cover, so besonders wie das ganze Buch. Sehr speziell, einfach anders, aber gekonnt abgestimmt. Das Schriftbild ermöglicht ein einfaches Lesen, auch bei Dämmerung, das Buch liegt gut in der Hand und wirkt absolut edel. Volle Punktzahl.
Das Cover ist die letzte Rundung zum rundum gelungenen Buch und reiht sich perfekt an den ersten Band an. Welche Farbkombination wohl der dritte Band bietet?

Fazit:
Da mir der Auftakt mehr als gut gefallen hat, waren meine Erwartungen an die Künste des Autors sehr hoch. Meinen hohen Anspruch an die Fortsetzung wurde er leider nicht in allen Punkten gerecht.
Ein Zwiespalt! 2 Sterne sind zu wenig, und 3 im Grunde genommen zu viel…

Gebe ich dem dritten Band noch eine Chance:
Definitiv Ja, denn der Autor hat großes Talent für nagende Spannung und Tiefenpsychologie im Bereich Nervenkitzel und Sinnfragen!


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