Cover des Buches American Psycho (ISBN: 0679735771)
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Rezension zu American Psycho von Bret Easton Ellis

Gehasst, geliebt – und überschätzt

von Martin_Keune vor 11 Jahren

Kurzmeinung: Gehasst, geliebt – und überschätzt: Ein Gewaltschocker, der wie rohes Fleisch nach Jahren nicht besser geworden ist, sondern komisch riecht.

Rezension

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Martin_Keunevor 11 Jahren
Zwanzig Jahre später müsste man ja mal nachsehen, wie der damalige Literatur-Schocker AMERICAN PSYCHO nun nachhaltig so gewirkt hat. Damals war es schlicht nicht möglich, auf irgendeiner Party über Bücher zu sprechen, ohne dass Bret Easton Ellis’ provokantes Werk auf der Agenda stand. Für gewöhnlich zerfiel die Schar der Diskutanten in zwei Gruppen (und in den Rezensionen hier auf LB lässt sich das auch noch nachlesen): Es gab die „Iiiih, wer schreibt denn sowas, ich konnte gar nicht hinkucken“-Fraktion.... und die „Ho ho ho, starker Tobak, aber ich vertrage ja was“-Fraktion. Während die erste Fraktion Ellis übelnahm, dass er um des Schockeffeks willen zu weit ging, liebte ihn die zweite genau aus dem gleichen Grund. Die erste sah die Tabus einer Gesellschaft verletzt – die zweite auch, aber sie freute sich darüber. Über das Anliegen des Buchs selbst HINTER diesem vordergründigen Schockeffekt wurde eher wenig spekuliert, und das womöglich zu Recht: Denn vielleicht gab es ja in der Tat gar kein Anliegen. Oder allenfalls ein stilistisches Anliegen; maximaler Impact eben, maximales Dröhnen vor Publikum, Gesprächsthema sein in den Salons der Großstädte der Welt. Oder wollte Ellis etwa signalisieren, dass konsumorientierte Oberflächlichkeit zu oberflächlichen Beziehungen und von da aus sofort in einen bluttrunkenen Blitzkrieg des „Es“ führt? Reine Küchenpsychologie also? Hoffentlich nicht. Die Welt ist böse, und stylische Werbefuzzis sind ihre Totengräber? Ich bitte Sie … Andere Bücher danach waren in ihrer expliziten Gewaltbeschreibung nicht weniger schockierend, – Bolaños „2666“ etwa oder Jonathan Littells „Die Wohlgesinnten“. Aber ihre Wirkung war subversiver und nachhaltiger, weil sie eine gesellschaftliche Wirklichkeit beschrieben, die Ellis für sich reklamierte, durch die onanistischen Litaneien der Markenaufzählung aber ins Absurde überspitzte. Und genau damit zerlegte er jeden Realitätsbezug seines Protagonisten und machte die sezierenden Brutalitätsprotokolle zu einer üblen Marotte, die schockte, aber folgenlos blieb: Gewaltfantasien, die keine Albträume verursachten, sondern ein Völlegefühl, auf das ich persönlich noch immer nicht erpicht bin.
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