Cover des Buches Heimflug (ISBN: 9783716027097)
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Rezension zu Heimflug von Brittani Sonnenberg

Großartig!

von fraeuleinbuecherwald vor 10 Jahren

Rezension

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fraeuleinbuecherwaldvor 10 Jahren

Wir alle kennen sie vom Hören- Sagen. Sie sind die, die man in der Schule unheimlich findet und in der Uni beneidet. Sie sind die Kinder der dritten Kultur, Kinder erfolgreicher Geschäftsmänner oder –frauen, die auf der ganzen Welt ihr Zuhause haben. Die alle zwei oder drei Jahre das Land, die Schule und ihre Heimat wechseln, fünf Sprachen fließend sprechen und sich doch scheinbar nirgendwo heimisch fühlen können.

Über eine solche Familie hat Brittani Sonnenberg einen Roman geschrieben und ihn „Heimflug“ genannt. „Heimflug“ erzählt die Geschichte der Familie Kriegstein, einer amerikanischen Familie mit deutschen Wurzeln. Die Kriegsteins, die Eltern Chris und Elise und die Töchter Leah und Sophie, wechseln ständig ihren Wohnort: Hamburg, London, Atlanta, Shanghai, Singapur. Ihre eigentliche Heimat scheint die Fassade einer glücklichen Familie zu sein, die sie sich aufgebaut haben. Doch dann passiert etwas Schreckliches: Während der Zeit in Singapur stirbt die jüngere Tochter Sophie. Und die Familie muss sich auf einen wirklich langen „Heimflug“ begeben, um irgendwo ein Stück Heimat zu finden.

Der Roman ist aus ständig wechselnden Perspektiven erzählt. Neben Elise, Chris und Leah kommt auch Sophie selbst zu Wort, ebenso wie Chris Eltern und sogar das alte Haus, in dem Elise aufgewachsen ist. Diese zahlreichen Perspektiven ermöglichen einem eine breite Sichtweise auf die Dinge, allerdings hätte ich mir auch manchmal gewünscht, dass eine Sicht länger beschrieben würde. Immer, wenn man sich gerade richtig in die erzählende Person eingefühlt hatte, kam der nächste Perspektivwechsel.

Interessant fand ich auch die Tatsache, dass mir bis zum Ende des Buches nicht ganz klar wurde, was Chris Kriegstein eigentlich arbeitet. Passend dazu kamen am Anfang seine Eltern zu Wort, die ebenfalls nicht so ganz genau wussten, was ihr Sohn macht. Das verstärkte nochmal das Bild davon, dass diese scheinbare Familienidylle eine Fassade zu sein scheint. Und nach Sophies Tod wird dies auch allen klar. Und jeder muss seinen ganz eigenen Weg finden, um mit dem Verlust klarzukommen, als wäre mit dem Bröckeln der Familienfassade auch die Heimat verloren.

Besonders faszinierend, aber leider nur sehr rar gesät, war die Perspektive von Leah, die als Sprachrohr der Kindergeneration dient. Mich würde sehr interessieren, ob Brittani Sonnenberg autobiografisch aus Leahs Sicht geschrieben hat, denn auch in ihrer Vita findet man viele verschiedene Länder, in denen sie bereits gelebt hat. Diese Perspektive fand ich deshalb so interessant, weil sich die Eltern aus nachvollziehbaren Gründen (Flucht aus dem Elternhaus, Faszination Weltreise usw.) für ein Leben als Globetrotter entscheiden können. Die Kinder dagegen sind dem einfach ausgeliefert und werden nicht gefragt. Während wir als heimatverbundene Gleichaltrige, für die der Umzug aus dem Elternhaus in den Studienort die größte räumliche Veränderung im Leben bedeutet hat und wir diese als wirklich aufregend empfunden haben, diese Art von Leben als faszinierend oder beneidenswert betrachten, kann der Lebensstil natürlich auch negative Auswirkungen auf die Persönlichkeit des Kindes haben. Und diese beleuchtet Brittani Sonnenberg sehr schonungslos und sehr offen.

Ich mag übrigens auch das Ende. Ich habe auf so ein Ende gehofft. Natürlich werde ich es an dieser Stelle noch nicht verraten. Aber ich mag es wirklich, auch wenn es bedeutet hat, dass der „Heimflug“ mit diesen Seiten leider beendet werden musste.

Ein toller, absolut unaufgeregt erzählter Roman mit authentischen Schilderungen und einem interessanten Thema, das mir in dieser Form bisher in Romanen noch nicht begegnet ist.

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