Rezension zu "Schatz, ich habe Aktien gekauft!" von Christian Thiel
Nachdem Herr Thiel seinen Schatz vor Jahren mit dem Schlagen einer Benchmark beglückte, hat er nun Aktien gekauft. Dass muss er allerdings schon damals gemacht haben, sonst wäre ihm sein Kunststück schließlich nicht gelungen. Immerhin erwies er sich in sechs von sieben Jahren als besser als der Index. Das verlangt großen Respekt, weil es nicht jeder kann. Fonds bringen das eher selten zustande, was allerdings auch an den Fesseln liegt, die man ihnen angelegt hat. Und selbstverständlich auch am Unvermögen der Manager solcher Fonds, die auch verdienen, wenn sie eine fürchterliche Performance hinlegen.
Zum Inhalt von Thiels neuem Buch lässt sich nicht viel sagen, weil er sich einfach zusammenfassen lässt:
Erstens kann man wegen der Zinspolitik der Notenbanken nur noch mit riskanten Anlagen Geld verdienen. Dazu zählen in erster Linie Aktien. Nun weiß Thiel auf den ersten Blick nicht so richtig, was er eigentlich seinen Lesern vermitteln will. Auf der einen Seite empfiehlt er mehrfach, sich in einem ETF zu engagieren, der den MSCI World nachbildet. Da kann man nach seiner Meinung nicht viel falsch machen, weil die Märkte im Mittel deutlich mehr Profit abwerfen als andere Anlagen. Das war jedenfalls bislang so und wird nach Thiels Meinung auch so weiter gehen. Crash-Propheten verlacht er, wobei ihm die Statistik auch Recht gibt. Man solle nicht ständig auf sein Depot schauen, weil es langfristig ausgelegt ist, auf 20 bis 40 Jahre etwa.
Zweitens soll man nicht in Einzelaktien anlegen, jedenfalls nicht in solche, die einem Banken aufschwatzen wollen. Und schon gar nicht in Konstrukte, die man nicht versteht. Wer allerdings den Markt schlagen möchte, kann ihm folgen. Sein Depot ist öffentlich. Und natürlich trommelt er auch mehrfach in diesem Buch dafür. Das ist sein gutes Recht, zumal er erfolgreich ist.
Bis auf einige Einzelheiten steht nicht wirklich viel mehr in diesem Buch. Stattdessen findet man eine Menge Geschwätz, das seine grundsätzlichen Aussagen wiederholt und bestätigt. Hinweise, wie man dann doch auf vernünftige Weise Aktien kauft, findet man in diesem Buch nicht. Ginge es nach Herrn Thiel, dann müsste er noch alle Aktien in seinem Depot haben, die er vor sieben Jahre kaufte, schließlich sind 20 Jahre noch nicht vergangen. So wird es jedoch kaum sein. Wirecard war übrigens auch dabei, erfährt man aus diesem Buch. Da hat sich langes warten nicht gelohnt. Aber wer weiß, vielleicht holt die Aktie ihren Crash ja wieder auf ...
Da Thiel an vielen Stellen gegen sogenannte Crash-Propheten wettert, zu denen übrigens auch einige Bestseller-Autoren ("Der größte Crash aller Zeiten") gehören, muss er auch Widerspruch ertragen, denn offenbar hat er keine Ahnung von volkswirtschaftlichen Zusammenhängen. Wahr ist, dass die Crash-Warner in den letzten 70 Jahren selten Recht bekamen, weil sich solcher Ereignisse nicht wirklich oft wiederholen.
Allerdings ist die gegenwärtige Situation völlig anders als das je in den vergangenen 70 Jahren der Fall war. Eigentlich hätte Thiel das auffallen müssen, denn er begründet sein Aktien-Engagement mit genau der Tatsache, die die jetzige Situation völlig von der Vergangenheit unterscheidet: Es gab noch nie Null- oder Negativzinsen. Zu dieser ökonomischen Absurdität kommen noch andere katastrophale Zustände in der Bevölkerungsstruktur der westlichen Industriestaaten, auf die ich nicht weiter eingehen werde, weil der Platz dafür hier nicht vorhanden ist. Zusammen aber bilden diese Fakten eine äußerst explosive Mischung, die es noch nie gegeben hat.
Warum gibt es keine Zinsen mehr, und was hat das für Folgen? Die Zinsen werden von den Notenbanken durch Festlegung des Leitzinses und durch gigantische Kaufprogramme für Anleihen niedrig gehalten. Für diese Kaufprogramme wird neu geschaffenes Geld benutzt, für das es kein ökonomisches Äquivalent gibt. Man kann das bereits als Inflation bezeichnen. Der gewöhnliche Bürger merkt davon noch nichts, weil dieses Geld noch im Finanzsystem steckt. Die Notenbanken kaufen Anleihen, um deren Kurse zu stützen. Tun sie das nicht steigt der Marktzins der entsprechenden Anleihen, was in der Folge zu Staatspleiten führen würde. Italien ist beispielsweise ein solcher Kandidat. Die Notenbanken betreiben also nichts weiter als Insolvenzverschleppung.
Thiel glaubt nun, dass das noch ewig so weiter gehen kann. Das kann ein heftiger Irrtum sein, was für die Aktienmärkte nicht unerhebliche Folgen hätte. Die Kursanstiege dort sind übrigens nichts weiter als Ausdruck der oben erklärten Inflation: Es gibt zu viel Kapital für zu wenige Anlagemöglichkeiten.
Nun existieren wegen dieser absurden und marktfernen Zinspolitik erhebliche und steigende Risiken für ganze Volkswirtschaften. Beispielsweise wird Banken und Lebensversicherungen die Geschäftsgrundlage entzogen. Sie müssen für alte Verträge Zinsen bezahlen, die sie nicht mehr erwirtschaften können. Inzwischen stehen deshalb schon einige von ihnen auf der Kippe. Aus der Finanzkrise von 2008/2009 konnte man lernen, wie schnell aus der Pleite nur einer Bank ein Domino-Effekt werden kann. Die Situation jetzt ist nicht besser als 2008, eher viel schlimmer und einmalig in der Geschichte.
Allein aus diesem Grund ist es ziemlich optimistisch zu glauben, man könne sein Geld in Aktien anlegen und zwanzig bis vierzig Jahre pennen gehen. Es existieren noch viel mehr historisch einmalige Risiken als die der Banken und Lebensversicherungen. Dieses eine Risiko reicht jedoch schon, um den Zusammenbruch des Finanzsystems auszulösen.
Natürlich ist es darüber hinaus naiv, zu empfehlen, nicht auf seine Anlagen zu achten. Nehmen wir nur einmal an, jemand hat den Rat Thiels angenommen und 30 Jahre sein Geld so angelegt, wie er es empfiehlt. Crash sind nach Thiel kurzzeitige Schwankungen, die wieder aufgeholt werden. Nehmen wir weiter an, der betreffende Anleger will gerade seinen Ruhestand genießen und braucht sein angelegtes Geld. Nun kracht es plötzlich gewaltig und er verliert die Hälfte seiner Anlagen. Das wird vielleicht bald wieder aufgeholt sein. Ihm jedoch nützt das nichts mehr, weil er das Geld jetzt braucht. So etwas kommt bei Thiel Erzählungen nicht vor. Und die Statistik scheint ihm auf den ersten Blick Recht zu geben. Das aber ist nur so lange richtig, wie der Endpunkt der Anlage nicht mit einem Crash zusammenfällt.
Da Thiel wegen seiner Ausrichtung keine Sicherheiten in seine Anlagen einbaut (jedenfalls habe ich davon nichts gelesen), ist das Ganze nichts weiter als ein Glaube: Es ist bisher immer gut gegangen, also geht es auch weiter gut. Das ist schlicht und einfach dumm.