Cover des Buches The Girls (ISBN: 9783446252684)
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Rezension zu The Girls von Emma Cline

Zweifelhaftes Vergnügen

von TeleTabi1 vor 8 Jahren

Rezension

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TeleTabi1vor 8 Jahren
Ende der 60er zur Hochzeit der Hippiebewegung in Kalifornien: Die 14-jährige Evie steckt mitten in einer kritischen Selbstfindungsphase der Pubertät, als sie die ältere Suzanne kennenlernt und sich ausgerechnet sie zum Vorbild nimmt. Denn Suzanne ist hübsch und so ganz anders mit ihren schwarzen langen Haaren und der weiten, nachlässig erscheinenden Kleidung. Sie wirkt stark, frei, unkonventionell und scheint von einer geheimnisvollen Aura umgeben zu sein - alles Werte und Eigenschaften, die Evie insgeheim bewundert und von sich selbst nicht kennt. Sie wird magisch von Suzanne angezogen, ohne sich deren Magie widersetzen zu können. Suzanne und deren Clique, von denen Evie sich Geborgenheit, Zusammenhalt und Verständnis erhofft, werden nach und nach zum Mittelpunkt ihres Lebens. Endlich fühlt sie sich beachtet und geliebt und scheint am Ziel ihrer jugendlichen Träume zu sein. Wen interessieren da noch die frisch geschiedenen Eltern - ihre Mutter, die aufgrund ihres neuen Freundes ja doch keine Zeit mehr für sie hat, oder ihr Vater, der die Familie für ein junges Ding verlassen hat, das viel eher als Evies Schwester durchgehen würde anstatt als neue Stiefmutter. In der neuen Clique, deren Anführer Russel an Charles Manson erinnert, hat Evie endlich eine richtige Familie gefunden, mit der sie gemeinsam auf einer Ranch lebt, wo sie endlich Halt und Liebe erfährt. Denkt sie zumindest. Doch die Fassade der friedliebend zusammenlebenden Hippiekommune beginnt zu bröckeln, als Evie nach und nach immer mehr seltsame Dinge bemerkt. Bis Evie endlich das gesamte Ausmaß der Sekte bewusst wird, in die sie da geraten ist, ist es schon beinahe zu spät. Denn Russel und seine getreuen Anhänger planen eine ungeheuerliche Tat...

In „The Girls“ setzt Emma Cline das Leben eines Teenagers in Bezug zur Sekte der Manson Family. Zwar wird die Geschichte um Charles Manson und dessen Anhänger nicht detailgetreu nacherzählt, aber es werden doch deutliche Parallelen sichtbar. So wird die Manson-artige Guru-Figur in diesem Buch beispielsweise als gescheiterter Künstler namens Russel dargestellt. Andere grundlegende Attribute, die der Manson-Familie zugeschrieben werden, wie z.B. Drogenkonsum oder freie Liebe, wurden hingegen – zwar niedrig dosiert, aber immerhin - in die Story mit aufgenommen. Allerdings bleiben diese Details meines Erachtens hintergründig und blass. Sie bilden lediglich den Rahmen für das eigentliche Hauptthema des Romans um die Geschichten, Gefühle und die Entwicklung eines auf sich allein gestellten und sich unsichtbar und unsicher fühlenden pubertären Mädchens. Diese Analyse der pubertären Gefühlswelt und der daraus resultierenden Probleme kann der Autorin als Stärke angerechnet werden, da sie wahrlich hochsensibel, emotional und mit großer Beobachtungsgabe und Empathie erfolgt – auf Dauer wird dies aber leider schnell langweilig. Ich hätte gerne mehr vom „versprochenen“ Thema der Hippiekommune erfahren, doch leider wurde ich in dieser Hinsicht enttäuscht. Generell hatte ich das Gefühl, dass die Story mehr so gemütlich vor sich hinplätschert als endlich einmal richtig anzufangen - Bis Seite 100 wurden sehr viele unnötige, zusammenhanglos und willkürlich wirkende und teilweise auch verwirrende Details über das Familienleben und die Vergangenheit von Evie erzählt. Einen großen Beitrag zu dieser Verwirrung leistet zudem der gewöhnungsbedürftige Schreibstil der Autorin, der, bedingt durch den Einsatz von zu vielen Stilmitteln, hauptsächlich durch einen überladenen Charakter hervorsticht. Diesen empfinde ich beinahe schon als überambitioniert – vollgepackt mit allem, was der Stilmittel-Fundus hergibt – so, als wolle die Autorin auf Teufel komm raus zeigen, was sie alles kann. Die vielen teils hochkomplizierten Metaphern und unterschwelligen Bedeutungen, die in jedem einzelnen Satz und zwischen den Zeilen mitschwingen, gilt es daher erst einmal mühsam herauszufinden und zu analysieren, um den sich versteckenden Sinn zu finden, was das Lesen der Geschichte leider wahnsinnig anstrengend macht und auf Dauer einfach nur noch nervt. Vor allem am Anfang des Romans ist mir dieser ungewöhnlich gehaltvolle Stil enorm aufgefallen, durch den es schwerfällt in die Geschichte hineinzufinden – später wird es entweder besser oder man gewöhnt sich daran, aber ganz „weg“ geht es nicht. „The Girls“ erinnert mich daher bedauerlicherweise an Pflichtlektüren-Style Deutsch-Oberstufe – nur leider ohne Lektürenschlüssel – oder an einen Philosophie- und Poesie-Kurs Zwei in Eins. Zumindest empfinde ich das so – mag ja Leute geben, die auch beim Lesen von Kafka entspannen können oder denen es beim Lesen überhaupt nicht um Entspannung geht, aber ich gehöre leider nicht dazu. Ich möchte Emma Cline auf keinen Fall ihr Talent absprechen – im Gegenteil – es ist nur so, dass ihr Roman mehr Poesie oder moderne Kunst ist als lesbare und entspannende Unterhaltungsliteratur, denn bei moderner Kunst versteht man auf Anhieb genau so wenig bzw. kann ganz nach Belieben alles oder nichts hineininterpretieren. Wahrscheinlich braucht man einfach einen Zugang zu so etwas und vor allem auch Geduld und Muse – Dinge, die mir in dieser Hinsicht wohl schlicht zu fehlen scheinen.

Fazit: Nach der Überwindung der sprachlichen Barriere teilweise eine ganz gute Story, aber den Hype kann ich nicht nachvollziehen. Hatte mehr oder etwas anderes erwartet – der Klappentext ist meiner Meinung nach mehr als irreführend.
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