Rezension zu "Das leise Platzen unserer Träume" von Eva Lohmann
Das Buch beschreibt einige Wochen im Leben von zwei Frauen, die sich einen Mann teilen: Auf der einen Seite ist da Jule, eine Frau um die vierzig, die mit ihrem Mann David von der Stadt aufs Land gezogen ist und davon träumte, hier eine Familie zu gründen. Dafür hat Jule ihre kleine, aber sehr erfolgreiche Eisdiele in der Stadt verkauft und den gesamten Erlös in den Umbau eines alten Bauernhauses gesteckt. Leider hat es mit den Kindern nicht geklappt und im ganzen Stress und Frust, die ein unerfüllter Kinderwunsch mit sich bringt, haben sich David und Jule immer weiter voneinander entfernt. Nun treffen sie sich am Abend auf dem Sofa um zusammen Filme zu sehen. Gespräche sind schwierig, Sex ist sowieso kein Thema mehr. David arbeitet in der Stadt, Jule bekocht in einem nahgelegenen Gutshof, der als Eventlocation dient, Hochzeitsgesellschaften und Yogaseminare. Obwohl sie diese Arbeit sehr gerne macht, fühlt sie sich auf dem Land noch immer nicht ganz zuhause. Über ihre Beziehung zu David möchte sie gar nicht wirklich nachdenken…
Auf der anderen Seite lernen wir Hellen kennen. Auch sie ist Mitte vierzig, geschieden mit 8-jährigen Zwillingen. Mit ihrem Job als Influencerin auf Instagram, wo sie den Alltag als alleinerziehende Mutter inszeniert, versucht sie, ihre kleine Familie über Wasser zu halten, denn das Geld ist immer knapp. Über das Internet hat sie auch David kennengelernt, mit dem sie nun eine Affäre führt. Das ist aber auch alles, was sie von ihm will: Sie möchte keine weitere Beziehung und schon gar keine weiteren Kinder. In direkten Ansprachen an Jule nimmt sie die Beziehung von dieser mit David aus der Ferne unter die Lupe und gibt Jule in Gedanken immer wieder Ratschläge.
Ich fand die drei Hauptpersonen sehr schön beschrieben. Lohmann beobachtet sehr genau und zeigt eine tiefe Menschenkenntnis, oder spricht eben wohl auch etwas aus eigener Erfahrung. Das Buch ist eine schonungslose und wie ich finde sehr nachvollziehbare, authentische Auseinandersetzung mit dem Leben mit einem Partner, dem Glücklichsein, Muttersein, dem Loslassen und Festhalten, den Träumen, die sich erfüllen und denen, die eben leise platzen.
Die zwei Erzählperspektiven machen das Lesen abwechslungsreich. Spannend fand ich auch die Idee, Hellens Passagen in der Ich-Form zu schreiben, Jules aber in der 3. Person. Während wir bei Jule somit etwas objektiver von aussen beobachten – obwohl ihre Gedanken und Überlegungen sehr detailliert beschrieben werden – lesen wir Hellens Gedanken ungefiltert ohne jegliche Einordnung von aussen. Sie wendet sich in ihren Passagen dabei direkt an Jule und spricht zu ihr in der Du Form.
Ich habe das Buch im Regal gesehen und mitgenommen in die Herbstferien, weil mich das Cover so herbstlich angelacht hat. Über den Inhalt wusste ich kaum etwas, aber ich wurde positiv überrascht: Ich habe das Buch in einem Tag durchgelesen. Die Sprache zieht einem mit und der Aufbau mit den zwei Erzählstimmen gibt die nötige Abwechslung.
Falls es allerdings die Intention der Autorin war, Verständnis für Hellen aufzubringen, hat das bei mir so überhaupt nicht geklappt. Ich fand sie sehr unsympathisch, überheblich, bemutternd und egozentrisch. Also so viel Verständnis ich dafür habe, dass Beziehungen enden und es manchmal wirklich einfach Zeit ist, einen Schlussstrich zu ziehen und so nachvollziehbar ich die Affäre zwischen Hellen und David auch finde, die Art, wie sie ihr Handeln rechtfertigt und sich keiner Schuld bewusst ist, fand ich persönlich sehr unreflektiert. Und ihre Besessenheit mit Jule fand ich fast ein bisschen gruselig.
Nichtsdestotrotz habe ich das Buch sehr gerne gelesen. Ich fand die Beobachtungen sehr schön, den Einblick in menschliche Beziehungen, wieso ein Paar zusammenbleibt und wieso eben nicht.