Cover des Buches Das Buch der Unruhe des Hilfsbuchhalters Bernardo Soares (ISBN: 9783596112128)
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Rezension zu Das Buch der Unruhe des Hilfsbuchhalters Bernardo Soares von Fernando Pessoa

Rezension zu "Das Buch der Unruhe des Hilfsbuchhalters Bernardo Soares" von Fernando Pessoa

von Sokrates vor 13 Jahren

Rezension

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Sokratesvor 13 Jahren
Pessoa, einer der bekanntesten portugiesischen Schriftsteller des 20. Jahrhunderts, hat mit dem „Buch der Unruhe“ eine Sammlung von Ideenfetzen und Erinnerungen des fiktiven Hilfsbuchhalters Bernardo Soares zusammengestellt. Dem Buch liegt keine Handlung zugrunde, es besteht vielmehr aus Bruchstücken von Gedanken, von Ideen. Soares sinniert über die Welt, das eigene Leben, die eigenen Träume und Beobachtungen. Der Grundton ist negativ, resignativ, ernüchtert, frei aller Illusionen. Das einzige, was er sein Leben lang getan hätte, wäre Träumen. Entstehungsgeschichtlich muss das „Buch der Unruhe“ in zwei Phasen eingeteilt werden. Die ersten Aufzeichnungen datieren, so der Übersetzer meiner Ausgabe Georg Rudolf Lind, aus dem Jahr 1913, die letzten Aufzeichnungen sind aus dem Jahr 1934. Stilistisch sind die ersten Aufzeichnungen noch stark vom Symbolismus geprägt – was ein Verstehen derselben für den Leser äußerst schwierig macht, Sätze bleiben einem meist verschlossen, enden ohne konkrete Aussage. Die späteren Notizen werden klarer, setzen sich konkreter mit den Träumen und Beobachtungen des Bernardo Soares auseinander. In der mir vorliegenden Ausgabe sind nicht alle Fragmente der Originalausgabe enthalten; Lind (Übersetzer) hat sich – der Verständlichkeit wegen – bei der Zusammenstellung vorwiegend auf die älteren Fragmente beschränkt, von jüngeren ist nur Anfangs ein Teil zu lesen. Wer also eine komplette Fassung des „Buches der Unruhe“ lesen will, der sei auf die Originalausgabe aus dem Ammann-Verlag verwiesen. Grundton aller Notizen ist Traurigkeit, Resignation, Abkehr von allem Lebensmut und aller Neugier auf Neues. Mich persönlich hat spätestens nach 200 Seiten dieser traurig-pessimistische Grundton mürbe gemacht. Pessoa sollte man nicht „am Stück“ lesen; stattdessen häppchenweise, wenn einem „danach ist“. Denn es finden sich keine Lösungen. Der Autor – der fiktive Bernardo Soares – will weder leben, noch sucht er wirklich den Sinn des Lebens. Er stochert vielmehr vor sich hin, wirft Gedanken auf, dreht sie um sich selbst, ohne jeden Grundoptimismus, ohne den Anspruch, wenigstens noch etwas Positives retten zu wollen. Denn ein Leben ohne jedweden Optimismus, ein Leben fern allen nachvollziehbaren Sinnes ist irgendwann völlig sinnentleert und nur noch die Hülle seiner selbst. Aber selbst hiermit hat Soares kein Problem. Es entschwindet in der Monotonie des Alltags. Identifizieren konnte ich mich mit diesem Buch – so wie es einigen Vorrezensenten ergangen ist – jedoch nicht. Diese völlig Lebens- und Sinnaufgabe konnte ich nur bis zu einem gewissen Niveau nachvollziehen. Sich selbst dermaßen allen Sinn, alle Lebensbegeisterung absprechen ist selbstzerstörerisch. Literatur, die allein diese Aussage enthält, sollte man deshalb mit Vorsicht genießen, sie zuweilen kritisch hinterfragen. Also nichts für depressive Leser oder solche, die sich gerade in einem schwierigen Moment ihres Lebens befinden und auf Antwort-Suche sind. All den Sinn-Suchenden sollte man das Buch auch nicht empfehlen, denn es wird ihnen bleischwer im Magen liegen.
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