Rezension zu "Ressourcen des Christentums" von François Jullien
Inhalt
Es handelt sich bei diesem Buch um die Verschriftlichung einer Vorlesung, die Herr Jullien an der französischen Nationalbibliothek 2016 im Rahmen des Kurses "Methodische und populäre Philosophie" gehalten hat.
Herr Jullien möchte in dem Buch Religion nicht als Glaubenssystem sehen, sondern betrachten, inwieweit das Christentum die Kultur beeinflusst und welche Kenntnisse, Überzeugungen, hilfreichen "Lehrsätze" man ganz allgemein für das Leben aus den Lehren des Christentums ziehen kann. Diesen Standpunkt erläutert er in einem einführenden Kapitel. Danach stellt Herr Jullien dar, was für ihn das Wort Ressourcen bedeutet und was er damit meint, wenn er das dann Folgende unter dem Gesichtspunkt von "Ressourcen" betrachtet. Hier fällt er auch sein Urteil, warum er sich gerade mit dem Johannesevangelium auseinandersetzt: Für ihn sind Matthäus moralisierend, Markus psychologisierend und Lukas mythologisierend - während Johannes für in seinen Augen radikalisiert.
Die folgenden fünf Kapitel sind jeweils einer Ressource gewidmet, die Herr Jullien im Johannesevangelium betrachtet sieht: die Möglichkeit eines Ereignisses, was Lebendig-Sein wirklich bedeutet, die Logik der De-Koinzidenz, die Wahrheit und der Bezug zu Anderen und sich selbst.
Zwei Seiten Glossar sind am Buchende zu finden. Dort wird auch erklärt, was "De-Koinzidenz" bedeutet ;-)
Subjektive Eindrücke
Für mich wäre es hilfreich gewesen, wenn mir die Information, dass es sich um die Verschriftlichung einer Philosophie-Vorlesung handelt, vor der Entscheidung für das Buch zugänglich gewesen wäre. Es fiel mir sehr schwer, den Ausführungen zu folgen, auch wenn sie durchaus einer erkennbaren Struktur folgten. Aber es werden so viele Worte verwendet, die ich nicht wirklich kenne bzw. die ich nicht sicher einordnen kann, es wird in einer Art und Weise argumentiert, an die ich nicht gewohnt bin, dass mir das Lesen und erst recht das Verstehen des Buches sehr schwer gefallen sind.
Der letzte Satz des Klappentextes sagt: "Am Beispiel des Johannesevangeliums zeigt der Autor, was das konkret bedeutet." Ich war dann doch etwas überrascht davon, dass es sich hier eigentlich um eine neue (?) Auslegung des Johannesevangeliums handelt, was aber grundsätzlich ja kein Problem ist.
Wenn ich von meinen Orientierungsproblemen mal absehe, so fand ich es schon interessant, eine Interpretation des Johannesevangeliums zu lesen. Es regt durchaus an, sich damit weiterführend zu befassen. Die hin und wieder gesetzten Vergleiche bzw. Abgrenzungen zu den anderen drei Evangelien waren für mich sehr erhellend. Davon hätte ich mir durchaus mehr gewünscht.
Fazit
Interessante Auseinandersetzung mit dem Johannesevangelium, aber schwer verdaulicher Text.
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