Lenny ist ein abgehalfterter Schauspieler. Große Träume und eine lange Ausbildung haben ihm nichts weiter eingebracht als einige Nebenrollen in Off-Broadway Stücken und ein paar stumme Sekunden in Werbespots.
Der große Ruhm als Lebensziel ist abgehakt. Ein Job als Nachtportier in einer billigen Absteige und eine versoffen-invalide Ex-Tänzerin als nervende Gespielin müssen genügen.
Das Ende der Illusionen ist erreicht.
Da erbt Lenny völlig unerwartet ein Haus irgendwo im Nirgendwo und ein halbwegs verdrängter Name aus der Vergangenheit erinnert den verhinderten Star unversehens an verpasste Chancen und – klug weil langsam zelebriert - unverzeihliche Sünden.
Es dauert nicht lange und Lenny bricht auf: Es folgt ein Trip in die Provinz, in die Vergangenheit und in ein namenloses Grauen, das vor Ort bereits auf ihn wartet.
Greg F. Gifune hat mit der Geschichte um die Judasziege eine unzeitgemäße Novelle vorgelegt, die trotz eher geringen Umfangs schnell eine beklemmend-düstere Atmosphäre entfaltet ohne sich um Tempo oder gar Action zu bemühen. Es dauert ein Weilchen, bis die ersten wirklich seltsamen Ereignisse registriert werden können, aber Lennys verpfuschtes Leben, seine Unfähigkeit, sein Mangel an Initiative, all das ist sehr gut, sehr stimmungsvoll und sehr unterhaltsam beschrieben. Ein wenig fühlt man sich an eine etwas sparsamere (im Sinne von weniger ist mehr!) Variante des jungen King erinnert - sparsam deshalb, weil der Meister seinerzeit sicher schon gut zweihundert Seiten allein auf die Charakterzeichnung seines Hauptprotagonisten verwendet hätte.
Gifune gelingt das auf einigen Dutzend Seiten sehr gut. Sein Lenny ist ein echter Arsch, aber der Leser ahnt, dass unter der ätzenden Oberfläche noch weit Schlimmeres lauert als nur ein eitler, talentloser Geck, den es dereinst zu Hollywoods Blitzlichtern und Fleischbänken zog.
Dass die Geschichte zu guter Letzt dann doch noch ein – vergleichsweise traditionelles – Element übernatürlichen Grauens enthüllt mag der eine oder andere schon beinahe als störend empfinden, zumal der sonst konsequent ruhige Erzählrhythmus dadurch fast ein wenig zu brachial aufgelöst wird.
Aber was soll das Gejammer?
Die Erzählung erzeugt ein hohes Maß an Stimmung – mehr wird nicht versprochen und mehr sollte man auch nicht erwarten. Die Action hält sich im überschaubaren Rahmen, denn Gifune legt weit mehr Wert auf die deprimierende Geschichte des gescheiteren Schauspielers und die Enthüllung seiner dunklen Geheimnisse. Er ist außerdem klug genug, nicht alle Details erklären zu wollen. Vielmehr überlässt er es dem Leser, sich noch einige Fragen selbst zu beantworten.
Wer dergleichen schätzt möge zugreifen und sich nicht an der bisweilen doch ein wenig uninspirierten Übersetzung stören.