Cover des Buches Der Besuch (ISBN: 9783827011947)
Flohs avatar
Rezension zu Der Besuch von Hila Blum

Ein Rädchen genügt, und das ganze Mahlwerk setzt sich in Gang....Die Vergangeheit holt auf!

von Floh vor 10 Jahren

Kurzmeinung: Ruhig, seicht, leicht und dahinplätschernd. Mal was anderes. Aber leider nicht unbedingt was für mich....

Rezension

Flohs avatar
Flohvor 10 Jahren
Mit "Der Besuch" von der Autorin Hila Blum bekommen wir nicht nur einen vielversprechenden Titel, und ein anregendes Cover, nein, hier bekommen wir ganz besondere Lektüre mit besonderem Flair und einer besonderen Ruhe, Harmonie und Verkettung schicksalhafter Ereignisse. Ein Ritt ins Hier und Jetzt und ein Galopp in die Vergangenheit der Protagonisten, zu einem Tag, der alles verändern sollte...
Erschienen im Berlin Verlag (http://www.berlinverlag.de/).

Thema/Inhalt:
"Von Zeruya Shalev bejubelt, von der Presse gefeiert: Hila Blum erzählt von der Liebe, von einem Paar, das seine Geheimnisse gewahrt hat, von einer längst vergessen geglaubten Nacht in Paris. Ein großer Liebes- und Familienroman aus Israel, dessen reine Intensität zu Herzen geht. Es ist der Sommer der nicht so fernen Katastrophen. Eine ungewöhnlich hartnäckige Hitze liegt über Jerusalem, ein Wohnhaus stürzt ein, ein Junge verschwindet. Nili und Nataniel haben eine Woche ohne Kinder vor sich, als ein Anruf aus Paris die empfindliche Balance ihres Lebens stört. Duclos, ein französischer Millionär, kommt nach Israel und will sie treffen. Jahre zuvor war er ihnen bei einem unseligen Vorfall in einem Pariser Sternerestaurant zu Hilfe gekommen. Nie haben sie einander eingestanden, was an jenem Abend wirklich geschah. Hila Blums Debüt erzählt nicht nur die Geschichte dieses Paares, Nili und Nataniel, ihrer verborgenen Seiten, Sehnsüchte und nie offenbarten Geheimnisse; es ist ein Roman, der das Porträt einer modernen Familie zeichnet. Blum spürt die Risse in der Fassade auf, Momente der Unsicherheit, die man vielleicht zu schnell kaschiert, Gefühle, die man zu rasch unterdrückt hat. Ein großer Familienroman aus Israel, eine Autorin, deren Stilgefühl und klarer, kluger Blick verblüffen."

"Es gibt Dinge, die können nur in den schmalen Spalten der Nachlässigkeit geschehen, der Unaufmerksamkeit, in einem Wirbel aus Trägheit und Licht. Plötzlich entspringen sie der Phantasie und landen im gelebten Leben. Erklärungen werden erst später gesucht." Seite 11.

Meinung:
Eine unbeschreibliche und unglaubliche Geschichte einer Ehe und einer Patchworkfamilie mitten im hitzigen Jerusalem. Die Autorin bewegt den leser durch die Geschichte mit Passagen aus der Vergangenheit von Nili und Nati und dem jetzigen Hier und Jetzt der Familie, die mit einem einzigen Anruf , einer angenommenen Einladung, die vor mehr als 9 Jahren ausgesprochen wurde, aus dem Gleichgewicht gerät. Oder gab es dieses Gleichgewicht nie? Auf welchen Fundament ist die Ehe gebaut und was hat das Verschwinden des kleinen russischen Jungen mit all diesen Verkettungen zu tun? Der Leser wird mitgerissen, und von Neugier getrieben. Im späteren Verlauf jedoch fühlte ich mich eher mitgeschliffen und als Leseopfer meiner Neugier. Das Ende hat mich dann leider auch sehr enttäuscht, meine Erwartungen wurden nicht erfüllt, zu viele Fragen blieben unbeantwortet und das Thema oder die Botschaft scheint sich nicht rauszukristallisieren. ich frage mich, was wollte dieses Buch von mir? Zeitverschwendung war es aber nicht, denn neben all der Enttäuschung gibt es auch bereichernde Zeilen und Lesemomente. Mir hat zum Beispiel sehr gefallen, dass die Schauplätze sehr authentisch beschrieben wurden, die Nebenhandlungen etwas auflockerten und das Lesen sehr leicht und locker ging. Die Krux war es auch, die Familienverhältnisse zu ordnen, die Vergangenheit zu einem Fundament zu verknüpfen und so die Protagonisten zu verstehen. Der Titel ist Programm, und der Leser fragt sich, wann der besagte Besuch das Blatt wenden wird, und vor allem wie und warum? Man spürt beim Lesen förmlich das Herzblut und die Überzeugung der Autorin Hila Blum zu seiner Heimat und zu den schicksalhaften Verstrickungen. Leider konnte Blum mich aber nicht vollkommen erreichen und die Charaktere kamen mir nicht so nah wie erhofft. Vielleicht weil die Dramatik an einigen Stellen etwas gedrosselt und gesdämpft wirkte, da viele Begebenheiten einfach schon vorweg an Bedeutung verloren haben, da ein neues Thema angeritz wurde, ehe wieder auf den Kern zurück gegangen wurde. Hier schreibt Jerusalem und bietet dem Leser unglaubliche Kulissen, Emotionen, Sinne und die staubige Hitze der Region, die nicht nur die Charaktere zeitweilig befällt. Hila Blums Geschichte birgt Elemente und Inspirationen, der Leser bekommt Raum für eigene Mutmaßungen und ein freies Spiel mit der blühenden Phantasie. Der Leser wird mit in eine fremde Welt entführt und kann nach zögerlichen Kennenlernen der Schauplätze und vielen Charakteren die Suche nach Antworten begleiten. Man muss es mögen, um es zu lieben. Ich konnte mich schwer einfinden und hatte daher nur mäßig Lesefreude. Fremd war für mich zunächst auch die Perspektive, aus der die Handlung seinen Lauf nimmt.

Schreibstil:
Das Buch lässt sich zu Beginn leider etwas schwierig verstehen. Für mich lag es vermutlich an der etwas befremdlichen Erzählperspektive und den Konstellationen und Zeitsprüngen. Zwar sind die Sätze flüssig und locker, aber die Verstrickungen und Zuordnungen zunächst undurchsichtig, da das Ziel auch sehr unbekannt ist. Da man gerade zu Beginn erst noch viele Persönlichkeiten, Begebenheiten und Schauplätze kennenlernen und zuordnen muss, ist der lockere und flüssige Schreibstil sehr willkommen. So muss man sich nicht noch mit hohen Anspruch das Lesen erschweren. Pluspunkt!. Bis die Story dann nach etwa 100 Seiten seinen Fluss hat. Hat man diese Hürde erst einmal überwunden, gelingt das lesen wie von selbst, da man mitten im Geschehen ist und die Ehe von Nili und Nati an deren Seite miterlebt und fühlt. Autorin Hila Blum lässt ihre Leser bewusst lange im Unklaren und die Neugier ist hier ohne Frage der treibende Motor und Katalysator. Sehr geschickt gemacht. Trotz all der Schicksale, schreibt Blum eher seicht und leicht, nimmt aber dadurch auch viel Schärfe aus dem Geschehen. Ich persönlich hätte mir mehr Pfiff und Dramaturgie gewünscht. Aber wer seichtes und schwimmende Lesekost liebt, wird hier sehr gut bedient und darf sich mitziehen lassen. Wortgewandt und geschickt führt der Autorin Hila Blum den Leser in die Welt von der beschatteten Ehe von Nili und Nathaniel, wir bekommen Einblicke in das Damals und können so ein komplexen Puzzle legen.

Charaktere:
Hat man die Charaktere erst einmal kennengelernt, freut man sich, diese so ausführlich beschrieben zu bekommen. Sympathisch sind mir Nili und Nati zwar nicht geworden, aber ihre Ehe bietet genügend Potential zum weiterlesen. Für mich wirken sie etwas zu kindisch und gar nicht erwachsen. Wer streitet sich um ein vermissten Jungen morgens am Frühstückstisch mit der Tageszeitung? Etwas albern, aber es deutet an, dass die beiden sonst nix haben, um ihre Ehe aufzufrischen. Die Darstellung der Patchworkfamilie wird erst nach und nach klarer. Ich brauchte etwas zeit um die Verhältnisse zu ordnen und die Konstellationen zu durchschauen. Wer gehört zu wen und warum? Zurück zu den Wurzeln der Beziehung reisen wir mit Nati und Nili nach Paris und dort erleben wir den Tag, der das Fundament dieser Ehe wackeln lässt.... Die Duclos, der Besuch. Spannend gemacht, hier wird der Leser neugierig und rätselt bis zum Schluss was Der Dicke und seine Pauline für Geheimnisse bergen! Diese Intensität der Leseneugier liegt vielleicht genau daran, dass die Story einfach nur nebelig und undurchschaubar ist. Es werden Fragen aufgegeben und der Leser hat Raum für Mutmaßungen, bis zum Schluss bleibt alles ein ominöses Geheimnis, bis zu einem besonderen Geständnis. Dieses Buch bietet nicht nur an den Schauplätzen und Kulissen großes Kopfkino sondern auch durch seine Charaktere und Figuren. Leider sind mir die Protagonisten nicht ans Herz gewachsen und mit Nili empfand ich einfach nur noch Mitleid. Eine Frau, die stark zu sein scheint, aber immer auf der Schwelle zum Zusammenbruch ist. Aber auch Nati kommt mir als armes Opfer daher, auch wenn ich ihm erst so gar nicht vertrauen konnte....Hier hätte ich mir hier und da genau die gleiche überwältigende Vielfalt gewünscht, wie die Autorin es an den Schauplätzen und Situationen unverbesserlich zum Vorschein bringt.

Schauplätze:
Diese sind in diesem Roman wirklich das Non-Plus-Ultra. So nah, und voller Sinne und überwältigender Schönheit, Brutalität und Authenzität hat hier die Autorin Hila Blum eine Umgebung erschaffen, die der Leser fast real spürt, das Umfeld dieser Familie, deren Haus, der Ausflug nach Paris, in die Oper, das noble Restaurant, die Straßen zum Hotel, der Alltag in Jerusalem, der Haushalt, die Nachbarschaft, der Job....Man liest die Liebe zu einem Land, was die Autorin Blum den Leser stark spüren lässt.

Die Autorin:
"Hila Blum, 1969 in Jerusalem geboren, lebte auf Hawaii, in Paris und New York. Sie war als Journalistin tätig und arbeitet seit vielen Jahren als Lektorin. »Der Besuch« ist ihr erster Roman. Hila Blum lebt mit ihrer Familie in der Nähe von Jerusalem. "

Fazit:
Erst war es ein Mitreißen, dann nur noch ein Durchschleifen. Meine Neugier trieb mich an, aber ich war letztendlich enttäuscht. Ich habe mit dem Abbruch gespielt, aber dafür war ich zu neugierig. Schade. Mein Lesegeschmack traf das Buch, trotz seiner Stärken, nicht.

Angehängte Bücher und Autor*innen einblenden (2)

Was ist LovelyBooks?

Über Bücher redet man gerne, empfiehlt sie seinen Freund*innen und Bekannten oder kritisiert sie, wenn sie einem nicht gefallen haben. LovelyBooks ist der Ort im Internet, an dem all das möglich ist - die Heimat für Buchliebhaber*innen und Lesebegeisterte. Schön, dass du hier bist!

Mehr Infos

Hol dir mehr von LovelyBooks