Cover des Buches Wolfsspinne (ISBN: 9783805250993)
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Rezension zu Wolfsspinne von Horst Eckert

Glück und Verderben: Wolfsspinne - Horst Eckert

von DunklesSchaf vor 8 Jahren

Kurzmeinung: Politisch brisant, mitreißend geschrieben und mit ausgefeilten Charakteren - äußerst spannend!

Rezension

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DunklesSchafvor 8 Jahren

Vincent Veih ermittelt im Fall der ermordeten Melli Franck, der Besitzerin eines In-Restaurants, als er ausgebremst wird und den Fall an seine Mitarbeiterin Anna verliert. Man wirft ihm vor, bei einer Demo handgreiflich geworden zu sein, dabei hat er sich nur gewehrt. Doch das will keiner hören. Vincent lässt sich den Fall aber nicht aus der Hand nehmen und hat noch einige Kollegen, die auf seiner Seite stehen.
Ronny, ein V-Mann des Verfassungsschutzes, der jahrelang im NSU eingeschleust war, hat einen neuen Fall. Er bespitzelt die Bischoffs, eine Familie mit einer Reihe von Imbisslokalen, bei denen vermutet wird, dass sie in ihren Buden Drogen verkaufen. Doch Ronny merkt schnell, dass auch die Rechten nicht weit entfernt sind und er sich seiner Vergangenheit stellen muss.

Vincent Che Veih hat nicht nur einen ungewöhnlichen Namen, sondern auch eine spektakuläre Familiengeschichte zu bieten: der tote Großvater ein Nazi, aber auch Polizist, die Mutter eine RAF-Terroristin, mittlerweile auf freiem Fuß und in Asylfragen engagiert, die Ex-Freundin, bald wieder Freundin, die ihn auf die Demo mitgenommen hat, die ihm dann den Ärger beschert. Fast schon an ein Wunder grenzt es, wie normal Vincent ist. Loyal zu seinem Team, offen für alle Hinweise und Ermittlungsansätze – und sich auch nicht zu schade, die Biotonne zu durchwühlen. Recht und Gerechtigkeit sind ihm wichtig, zu seiner Mutter hat er ein gespaltenes Verhältnis. Vincent ist ein „guter Bulle“ und zeigt doch Vielschichtigkeit, seine Teilnahme an der Demo überrascht selbst seine Mutter, die ihn gerne ins Lager der Konservativen steckt.

Ronny hat als V-Mann quasi nur seinen Verbindungsoffizier Bastian Schwenk. Naturgemäß hat er keinen Kontakt zu Familie oder Freunden, wenn denn welche übrig sind. Doch Ronny war jahrelang für den Verfassungsschutz tätig, hat Taten ausgeführt, die er lieber ungeschehen machen würde und sehnt sich nach einem normalen Leben: einem Einkaufsbummel, einem Schreibtischjob, einer Freundin. Normale Dinge eben, nichts Kriminelles. Doch abhängig von Schwenk, den er als einzigen Freund ansieht, lässt er sich wieder auf eine verdeckte Ermittlung ein.

Zwei Handlungsstränge verzwirbelt der Autor hier geschickt miteinander. 2011 verfolgen wir Ronny in seiner Rolle bei der NSU, 2015 ermittelt Vincent in dem Mordfall und Ronny ist erneut undercover. Die abwechselnden Erzählstränge treiben die Story voran, wenn auch der Kriminalfall um Melli Franck dabei etwas unterzugehen droht, was auch an Vincents persönlichen Problemen wegen der Demo liegt. Der Fokus liegt auf dem Hauptthema „NSU“ und so stellt Ronnys Erzählstrang Vincents Ermittlungen mitunter in den Schatten. Was bei Vincent im Drogenmilieu beginnt, zieht seine Kreise bis in die Vergangenheit und vermischt die Geschehnisse rund um den NSU mit einer fiktiven Version um die ungelösten und immer noch nicht klaren Vorgänge um die Ermittlungen gegen die NSU. Die Namen sind verändert, doch wer sich mit dem Thema befasst hat, kann hier die Hauptakteure erkennen. Komplex und hintergründig webt der Autor ein Bild, welches man erst zum Ende hin erkennt, in dem man erst spät die Geschehnisse alle miteinander zu kombinieren weiß und den Knoten lösen kann.

Ich muss zugeben, ich bin im Moment noch skeptisch gegenüber Vincent Veih – er scheint mir einfach zu gut für die Welt. Doch ich kenne ja die ersten Teile nicht und vielleicht hat er ja da ein paar Macken offenbart oder tut dies noch in den nächsten Teilen, denn soviel darf ich bestimmt verraten: der Autor tippt schon am nächsten Band. Auch die Beteiligung an der Demonstration, bzw. die Konsequenzen hiervon nehmen doch einen guten Teil des Buches ein, so dass der Mordfall ein wenig kurz kommt. Den Ausgleich schafft der Erzählstrang rund um Ronny – ob nun 2011, eingeschleust bei der NSU, oder 2015, verdeckt im Drogenmilieu. Es bleibt ein spannender Plot rund um das politisch hochbrisante Thema der NSU, den Verfassungsschutz und das unglaublich gefährliche und anstrengende Leben von V-Leuten, gewürzt mit Drogen, Geld und rechtspopulistischem Gedankengut.

Die Natur des Kriminalfalles ist es, sich mit den Tätern zu beschäftigen, und so bleiben die Opfer oft unerwähnt, doch diesem Umstand hat der Autor ein Schnippchen geschlagen, denn der Anfang und das Ende ist den Opfern gewidmet und verleiht dem Buch somit eine stille Tiefe, die mich als Leser mehr bewegt hat als jegliche Aufarbeitung der Täterprofile es je könnte. Ein Kniff, der dem Krimi das gewisse Extra verleiht.

Fazit:
Politisch brisant, mitreißend geschrieben und mit ausgefeilten Charakteren – der neue Fall von Vincent Veih pendelt zwischen Drogen und NSU, Demo und Familiengeschichte und zeichnet ein mögliches, fiktives Bild der Vorfälle rund um den NSU. Äußerst spannend!
Dies wird ganz sicher nicht mein letzter Vincent Veih sein.

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