Cover des Buches Südbalkon (ISBN: 9783351050023)
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Rezension zu Südbalkon von Isabella Straub

Sozialkritisches Debüt um eine Außenseiterin

von Cappuccino-Mama vor 11 Jahren

Rezension

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Cappuccino-Mamavor 11 Jahren

Was hatte ich vom Buch erwartet? Einen unterhaltsamen, humorvollen Roman mit Tiefgang, der dennoch zum Nachdenken anregt. Ob der Roman letztendlich meine Hoffnungen erfüllen konnte? - Lest selbst...


Das Cover:

Ein ungewöhnliches Cover, das dem Leser sofort ins Auge fällt – zum einen durch den untereinander/senkrecht geschriebenen Buchtitel, zum anderen durch das außergewöhnliche Motiv. Die Protagonisten werden durch „vermenschlichte“ Pudel dargestellt – Einer der Pudel trägt Rock und Shirt, sowie rosa gefärbte Haare, der andere Pudel trägt eine Strickjacke. Beide stehen auf einem angedeuteten Balkon aus Packpapier, wobei der Balkon, auf dem die (Pudel-) Dame steht, mit einem Blumenkasten verschönert ist. Den Hintergrund bildet kariertes Papier in Kombination mit Millimeter-Papier – fast schon erinnert mich das originelle Collagen-Cover an ein Kunstwerk.

Nicht ganz so toll gefällt mir das Material des Buchumschlags – erinnert mich etwas an ein Buch, bei dem der Schutzumschlag fehlt. Für mich sollten Bücher eine glatte Oberfläche haben – ob nun matt oder glänzend, das spielt hierbei keine Rolle.


Die Handlung:

Ruth Amsel ist jenseits der Dreißig, arbeits- und kinderlos, lebt mit ihrem Freund Raoul zusammen in einer kleinen Wohnung in Wien. Ruth ist äußerst neugierig - und sie hat vor allem eines: Viel Zeit! Diese Zeit verbringt sie überwiegend mit ihren Beobachtungen von Leuten, denen es oft noch schlechter geht, als ihr selbst – seien es die Patienten, die sich im Garten des Krankenhauses aufhalten, oder die Kunden des Möbelhauses, die sich streiten.

Die Beziehung zu ihrem Freund Raoul wird zunehmend schlechter. Eines Tages dann wird Raoul ausgerechnet in das Krankenhaus eingeliefert, das von Ruth so gerne beobachtet wird. Und dann lernt Ruth eines Tages den Krankenpfleger Pawel kennen. Wird es Ruth gelingen, ihr Leben mit seiner Hilfe auf die Reihe zu bekommen?...


Meine Meinung:

Das Leben ist kein Südbalkon – so steht es auf der Buchrückseite. Ersetzbar auch durch: … kein Zuckerschlecken, … kein Ponyhof, ... . Hier ist es eben der Südbalkon vom Buchtitel. Und zutreffend ist dieser Satz allemal. Denn Ruth lebt nicht gerade auf der Sonnenseite (also dem Südbalkon) des Lebens. Ruth Amsel lebt mit ihrem Freund Raoul zusammen – ohne echte Perspektive und führt ein recht ereignisloses Leben und so empfindet Ruth selbst Belanglosigkeiten, auf die sonst niemand achtet, als abwechslungsreich. Doch für Raoul spielt die Arbeitslose auch schon mal das „Siebte Flittchen“.

Dadurch, dass das Paar kinderlos ist, verfügt Ruth über jede Menge Freizeit. Und so verbringt sie viel Zeit damit, Leute zu beobachten, wobei sie nicht mal davor zurückschreckt, die Leute in den Nachbarwohnungen zu beobachten. Und ihr Arbeitsvermittler Herr Othmar ist auch nicht gerade sehr hilfreich in Bezug auf die Vermittlung einer Arbeitsstelle. Teils könnte man Mitleid mit Ruth haben, aber so richtig sympathisch fand ich diese Protagonistin dann doch nicht.

Doch wer ist Ruth eigentlich? Einst studierte Ruth Barbara Amsel (so lautet der vollständige Name der Protagonistin) Medizin, brach das Studium jedoch ab. Dann verfasste Ruth Todesanzeigen, doch nun lebt sie, nachdem sie ihren Job verloren hat, perspektivlos in den Tag hinein und hat eigentlich gar nicht ernsthaft vor, wieder einen Arbeitsplatz zu erhalten. Sie ist das, was man gerne als Versagerin bezeichnet, würde sogar gerne eine Langzeitarbeitslose werden. Als ich von dieser Einstellung Ruths las, fehlten mir erst einmal die Worte. Und so führt Ruth ein etwas chaotisches Leben zwischen Wohnung, der „Gesellschaft für Wiedereingliederung“ und Krankenhaus. Größtenteils besteht ihr Leben weniger aus Handeln, vielmehr aus Beobachtungen von ihren Mitmenschen. Ihre Beobachtungen notiert sie sich sogar in einem kleinen Büchlein.

Dem Leser wird schnell auffallen, dass Ruth Details bemerkt, die andere Menschen gar nicht erst wahrnehmen. Wodurch Ruth zu der Frau wurde, die sie nun ist, erfährt man im Laufe der Handlung und man versteht so langsam wenigstens ansatzweise Ruths Verhalten, ihre Lethargie. Aber eines wird schnell klar: Ruth ist alles andere als dumm, sie besitzt ein Gespür für Feinheiten und Details – schade, dass sie ihre Fähigkeiten nicht nutzt, um beruflich etwas zu erreichen. So richtig verstehen konnte ich Ruth nicht und sympathisch war sie mir leider auch nicht besonders – schade eigentlich...

Raoul, ein Software-Designer, wirkt auf mich ebenfalls nicht gerade sympathisch, lebt sein Leben vor sich hin und neben Ruth her. Raoul arbeitet von zuhause aus, scheint jedoch alles andere als erfolgreich zu sein. Noch dazu vermutet Ruth, dass eine andere Frau im Spiel ist, mit der Raoul sie betrügt. Der Krankenpfleger Pawel, den Ruth kennenlernt, ist da ein vollkommen anderer Mann: Engagiert, aktiv und er bemüht sich um Ruth.

Maja, die im Beruf so erfolgreiche Karrierefrau und zudem Freundin von Ruth, konnte ich nicht recht durchschauen. Was sind ihre Beweggründe, ihre Zeit mit Ruth zu verbringen, die so ganz anders ist, als sie selbst. So recht traute ich ihr einfach nicht über den Weg.

Ruths Eltern fand ich schon etwas sonderbar. Der Vater widmet sich seinen Hobbies, während die Mutter sich um einen Bankdirektor kümmert, der dann auch irgendwann in Ruths Kinderzimmer einzieht. Klar, dass Ruth davon nicht begeistert ist. Sind Ruths Eltern denn vollkommen verrückt geworden? Ruth macht sich da so ihre Gedanken.

Und dann ist da noch „Herr Othmar“, der für Ruth zuständige Fallmanager bei der „Gesellschaft für Wiedereingliederung“, dessen Aufgabe es eigentlich ist, die arbeitslose Ruth wieder dem Arbeitsmarkt zuzuführen. Doch stattdessen steckt er lieber die ihm anvertrauten „Fälle“ in unsinnige Maßnahmen. In meinen Augen ist Herr Othmar ein regelrechter Schleimer und eine Nervensäge vor dem Herrn – ich konnte ihn so gar nicht ausstehen. Hier wird der Bürokratie von Seiten der Autorin regelrecht sozialkritisch der Spiegel vorgehoben – verwalten statt helfen – leider auch im wirklichen Leben eine traurige Realität. Arbeitslose sollen sich einbringen, während sie bei ihren betreuenden Fallmanagern kaum oder keine Hilfe und Unterstützung finden.

Dieses Buch entspricht nicht der gängigen Norm, vielmehr wirkt das tragik-komische Buch durch seinen etwas ungewöhnlichen Schreibstil. Besonders spannend ist das Buch nicht, muss es aber auch nicht sein, denn das würde nicht zur „Langsamkeit“ und Behäbigkeit von Ruths Leben passen.

Aber es gab einige sehr unterhaltsame Szenen, bei denen ich so richtig herzhaft lachen musste, während ich sie las. So z.B. als Ruth im Krankenhaus in einer dunklen Kammer landet und Zeuge wird, wie sich ein Liebespaar dort vergnügt, während Ruth genüsslich eine Dose Ananas verspeist. Oder wie Ruth sich mit ihrer Freundin zu Kaffee und Kuchen im Möbelhaus trifft, die Szenen zu lesen, brachte mich zum Lachen und blieben mir in angenehmer Erinnerung.

Wäre dieses Buch ein Film, ich würde es eine Tragik-Komödie nennen. So dicht liegen im Buch traurige und heitere Momente beisammen – man lacht, man hat Mitleid – und man schüttelt mitunter den Kopf angesichts Ruths Verhalten und ihrer Beziehung zu Raoul. Würde man mit so einem Mann selbst zusammenleben wollen? Wohl eher nicht! Aber, wie sagt man so schön? Am Ende des Tunnels ist immer ein Licht! Ob es jedoch die Sonne ist, oder doch der entgegenkommende Zug, das werde ich an dieser Stelle für mich behalten.


Fazit:

Ein sehr skurriler, zynischer, sozialkritischer und wirklich sehr außergewöhnlicher Roman mit ungewöhnlichen Charakteren. Leider mitunter für meinen Geschmack zeitweise etwas langatmig. Dennoch erhält das Buch von mir aufgrund der Originalität, der Ausgewogenheit der Ereignisse und des Schreibstils 4 Sterne - ein gelungenes Debüt der österreichischen Autorin Isabella Straub.

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