Rezension zu "Der Baron auf den Bäumen" von Italo Calvino
Im Jahre 1767 beschliesst in einer italienischen Grafschaft der 12-jährige Cosimo, Sohn einer Adelsfamilie, fortan in den Baumkronen zu leben und nie mehr einen Fuss auf die Erde zu setzen. Er hält den Schwur und nicht einmal zum Sterben steigt er – gut 50 Jahre später – hinunter. Aber deshalb wird sein Leben nicht einsam oder abgeschieden und langweilig, nein erlernt, liebt und lebt in den Bäumen und erlangt gar so viel Aufmerksamkeit, dass es unter anderem zu einem Gespräch mit einem gewissen Napoleon Bonaparte kommt.
Italo Calvino erzählt in oppulentem, teils barocken Stil ein Erwachsenenmärchen, eine humorvolle, ergreifende, romantische, fantastische Geschichte über einen Verweigerer. Trotz oder gerade wegen seiner Verrückt- und Entrücktheit wird er zum Volks- und Frauenheld, zum Robin Hood der Baumkronen, zum Literat und zum Beobachter des kleinbürgerlichen Lebens mit Bodenhaftung. In alle Heiterkeit dieser "was wäre wenn" Geschichte bleiben aber auch die tragischen, nachdenklichen Momente im Kopf des Lesers hängen. Hier wird der Leser über die räumliche und «weltanschauliche» Distanz des Baroness belächeln und dort immer wieder das Engagement des Barons für seine Mitmenschen «unter» ihm bewundern. Es gibt unendlich viele Ansätze und Details, eine immense Interpretationsvielfalt, die es aber nicht an sprachlicher Schönheit oder an Unterhaltungswert fehlen lässt.
Mein Fazit: Dies ist das zweite Buch des Autors, dass ich nun lese, interessanterweise ebenfalls aus seiner Romantrilogie "Unsere Vorfahren". Bereits der "Ritter den es nie gab" gefiel mir gut, aber hier lässt der Autor seinen gesamten Charme und Esprit sprühen und ist dabei in gefühlt jedem Abschnitt so doppeldeutig in allen politischen und gesellschaftlichen Themen seiner Zeit, wie nur eben möglich. Hier könnte ich mir durchaus ein erneutes Lesen nach Aufbau von mehr Hintergrundwissen vorstellen, aber auch rein vom Unterhaltungswert kann ich das Buch klar empfehlen.