Klappentext von der Autorenseite
Juni 1940: Der Frühsommer erstrahlt über der britischen Kanalinsel Guernsey. Für den erfahrenen Londoner Inspektor Charles Norcott scheinen die beschaulichen Inseln im Ärmelkanal keine Herausforderung bereit zu halten. Doch das freundliche Sonnenlicht ist trügerisch und beleuchtet die Leiche einer jungen Frau. Kaum haben die Ermittlungen begonnen, als sich bereits neues Unglück zusammenbraut. Die deutsche Wehrmacht hat Frankreich überrannt und besetzt nun auch die britischen Kanalinseln in einem Handstreich. Nach einem zweiten Mord überschlagen sich die Ereignisse. Auf einer kleinen Insel, abgeschnitten und besetzt vom Feind, muss Norcott erkennen, dass er es mit mehr als einem Gegner zu tun hat. Grenzen verwischen sich und die Welt scheint voller Masken. Auch im hellen Sonnenschein bleibt die entscheidende Frage: Hinter welcher Maske steckt ein Freund, hinter welcher der Gegner?
Autoreninfo von der Verlagsseite:
Jürgen Albers erkundete bereits als Jugendlicher die britischen Inseln. Die Heimat seines britischen Großvaters kennenzulernen war ein starker Antrieb, sich mit den Menschen und der Geschichte zu beschäftigen. Sein beruflicher Start als Luftwaffenoffizier bescherte dem Autor mehr als ein Jahrzehnt Wanderleben, u.a. mit Stationierungen in Italien und den U.S.A. Nach einigen Jahren als Personalleiter arbeitet Albers heute als Hochschuldozent. Die Liebe zu den britischen Inseln ist geblieben und so werden auch die nächsten Romane dort spielen.
Erster Satz:
Er drehte langsam sein Handgelenk, bis er einen unauffälligen Blick auf das Ziffernblatt seiner Uhr werfen konnte.
Meinung:
Ein Krimi, der auf den britischen Inseln spielt, hat bei mir schon immer ein Stein im Brett. Wenn dann auch noch die Zeit des 2. Weltkriegs hinzu kommt liegt das Buch schneller bei mir im Regal als man schauen kann. Nun ja in diesem Fall eher auf dem Reader, aber sei es drum. Hauptsache, das Buch ist bei mir eingezogen.
Guernsey, zugegeben schon einmal gehört, und auch auf der Landkarte gefunden, aber nie weiter in Betracht gezogen, sei es als Handlungsort für einen Roman bzw. Krimi oder als Urlaubsziel. Jürgen Albers, der Erschaffer von Inspector Norcott, hat dies geändert. Er beschreibt die Insel so eindrücklich in all ihren Facetten und Schönheit, dass ich direkt Reiselust bekam.
Trotz der Schrecken des Krieges und der Invasion der deutschen Wehrmacht ist die Insel malerisch. Kleine gemütliche Häuser, eine typische Inselbevölkerung, die sich vom Festland abhebt und mit der Bedrohung lebt. Denn die deutsche Armee ist schon bis an die französische Küste vorgedrungen und die Insel wird sicherlich auch nicht mehr lange standhalten. Soweit zum Setting, das Albers gewählt hat, und just in dieser Zeit geschieht ein Mord. Eine junge Frau wird erdrosselt und Inspector Norcott, vom Scotland Yard, auf die Nachbarinsel versetzt, muss die Ermittlung in Guernsey übernehmen.
Norcott ist ein eigenartiger Charakter, auf der einen Seite ruppig in manchen Momenten, dann aber auch wieder sehr ruhig und gewissenhaft bis hin zu zurückhaltend. Ein wundervoller Charakter, den man so schnell nicht einordnen kann und sich im Laufe der 616 Seiten sich weiter entwickelt. Jürgen Albers gelingt es nicht nur Norcott glänzend darzustellen, sondern auch die vielen Nebencharaktere. Nach gut hundert Seiten war ich so in die Story versunken, dass ich alle Charaktere liebgewonnen habe. Sei es Norcotts Kollegen, der Bürgermeister oder auch die Besatzer.
Ja, auch die Besatzer, denn im Laufe des Falles wird die Insel besetzt. Albers schafft es dabei, bei aller historischen Genauigkeit, dass er nicht in Schwarz-Weiß-Malerei abdriftet Denn auf beiden Seiten gibt es Gutes als auch Böses. Wer damit rechnet, dass er auf böse deutsche Besatzer und arme unterdrückte Kanalinseln-Bewohner bei ihm trifft den muss ich enttäuschen. Weder beschönigt Albers etwas noch stellt er es drastischer dar.
Gerade dies hat mir sehr gut gefallen. Er schafft es nicht nur die Spannung im Kriminalroman aufrecht zu erhalten, ihm gelingt es auch die sich änderden Lebensumstände durch die Besatzung deutlich rüber zu bringen. Auch die Probleme, die Norcott erwarten als ein weiterer Mord geschieht, sind treffend erläutert.
Gespannt war ich vor allen Dingen, wie er die vielen unterschiedlichen Handlungsstränge, die er nach und nach eingeflochten hat, am Ende zusammen bringt. Verzettelt er sich da? Ist da irgendetwas nachher nicht eindeutig? Beide Fragen muss ich eindeutig verneinen. So oft ich auch in den Handlungssträngen springen musste, um alles zu verfolgen, so gekonnt finde ich die Umsetzung. Auch wenn es zwischenzeitlich ruhig wird im Krimi und ich, wie Inspector Norcott glauben musste, dass es nicht weiter geht und wir auf der Stelle treten, hat sich am Interesse und an Spannung nichts verloren.
Ohne weiteres ist es Jürgen Albers gelungen, mich nach Guernsey der vierziger Jahre zu entführen. Durch die bildgewaltige Sprache hatte ich immer das Gefühl entweder an der Kaimauer des Hafens zu stehen, im Pub dabei zu sein oder auch auf der Obstplantage. Gerade jetzt bei dem Tippen der Besprechung habe ich wieder die Bilder vor Augen, mein Kopfkino kann sehr prägnant sein, und ich bin wieder zurückversetzt in das Lesegefühl im Januar. Ich rieche wieder das Meer, spüre die Aufregung des Bewohner, schmecke den schalen Tee im Polizeirevier und spüre den Wind in meinen Haaren als ich über die Felder streife.
Ich freue mich schon auf die Fortsetzung “Erased“, die laut Jürgen Albers in diesem Jahr erscheinen wird. Dieses Mal ist das Setting, die altehrwürdige Universitätsstadt Oxford.
Fazit
Ein packender historischer Kriminalroman vor einem eindrucksvollen Setting auf den Kanalinseln. Für Leser von historischen Kriminalromanen mit britischen Charme sehr geeignet.