Rezension zu Tagebuch eines schlimmen Jahres von J.M. Coetzee
Rezension zu "Tagebuch eines schlimmen Jahres" von J. M. Coetzee
von Wolkenatlas
Rezension
Wolkenatlasvor 16 Jahren
Traumhaft schön, genial ! "Tagebuch eines schlimmen Jahres" ist ein absolutes Meisterwerk. Kühle, präzise Prosa, die durch ihre Reduktion auf das Wesentliche um so mehr trifft. J. M. Coetzee lässt gleichzeitig drei Erzählebenen ablaufen, auf jeder Seite genau unterteilt. Die erste Ebene befasst sich mit den Essays, die Anya für den Schriftsteller J. C. abtippt. Die zweite Erzählebene ist die des Schriftstellers J. C., während die dritte Erzählebene die von Anya ist. Ich habe das Buch chronologisch gelesen, also Seite für Seite, und nicht die einzelnen Erzählstränge bis zu den immer wieder auftretenden Zäsuren. Daher ergeben sich immer wieder besondere Überlappungen, bzw. Verschiebungen der horizontalen Erzählung (Ebenen 2 und 3), was die Sicht auf verschiedene Situationen immer wieder ändert, weil diese beiden Ebenen eben nicht synchron ablaufen. Coetzee schreibt so wunderbar, so genau, daß man sich sehr oft beim wiederholten Lesen eines Satzes ertappt. Schon die erste Beschreibung Anyas ist ein Geniestreich, zärtlich, ohne jegliche Schwülstigkeit, wahnsinnig erotisch und kühl auf ein Minimum reduziert, nur ein paar Sätze: Traumhaft! Schon diese Sätze habe ich sehr oft gelesen. Dieses Buch gehört ohne Zweifel zu den besten Büchern der letzten Jahre, literarisch kaum zu toppen, wahrscheinlich nur vom Meister aus Südafrika (der nun in Australien lebt) selbst. Über die Story möchte ich nichts erzählen, da der Klappentext, sowie der hier bei Amazon als Beschreibung verwendete Text alles sagen, was man vor der Lektüre wissen muss (wenn überhaupt). Die feine Schönheit dieses Buches liegt im Wesen der Erzählung selbst, dem "Wie". Ein traumhafter Roman, große Kunst, gäbe es mehr Sterne zu vergeben, ich würde sie hier alle vergeben!