Cover des Buches Schloss aus Glas (ISBN: 9783453351356)
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Rezension zu Schloss aus Glas von Jeannette Walls

Ein Leben voller Tragik und Komik

von leselea vor 9 Jahren

Kurzmeinung: Unheimlich warmherzig erzählt Jeannette Walls von ihrer außergewöhnlichen Kindheit.

Rezension

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leseleavor 9 Jahren

Mom starrte mich erschrocken an. Ich hatte gegen eine unserer stillschweigenden Regeln verstoßen: Es wurde von uns erwartet, dass wir stets so taten, als wäre unser Leben ein einziges langes, unglaublich lustiges Abenteuer. (S. 97)

Jeannette Walls Kindheit ist anders als die anderer Kinder: Ihr Vater schenkt ihr und ihren Geschwistern die Sterne am Himmel und gemeinsam planen sie ein Schloss aus Glas, in dem die Familie einst wohnen wird. Zur Schule muss sie nur gehen, wenn es sich nicht vermeiden lässt, und mit ihrem Bruder darf sie die ganze Wüste auf eigene Faust erkunden. Doch das, was sich nach Freiheit und Leichtigkeit anhört ist nur eine Seite der Medaille: Der Vater ist Trinker, die Mutter kümmert sich lieber um ihre Kunstwerke als um ihre Kinder. Das Geld ist knapp, der Kühlschrank leer, ihre Wohnorte verlassen sie stets urplötzlich und als Bett bleibt den Kindern meist nur ein Pappkarton…

Das Buch Schloss aus Glas kommt wie ein Roman daher, erzählt jedoch die tatsächliche Kindheit der Autorin Jeannette Walls. Gemeinsam mit ihren drei Geschwistern wird sie am Rande der Gesellschaft groß: Ihre Eltern sind (mehr oder weniger freiwillig) Vagabunden, die Mutter lebt für die Kunst, der Vater für Alkohol und seine verrückten Träume. Jeannette Walls wächst auf in einer Welt, in der Regeln nicht viel gelten, in denen man nicht wie „die anderen“ sein will. Es ist eine Welt voller Freiheiten und gleichzeitig voller Gefahren. Dennoch sind die Familienmitglieder durch tiefe Liebe und das Gefühl, eine eingeschworene Gemeinschaft zu sein, verbunden. Doch je größer die Kinder werden, desto mehr schauen sie mit einer Mischung aus Enttäuschung, Verzweiflung und Zynismus auf dieses Leben, das ihre Eltern ihnen aufgezwungen haben und aus dem man sich nur schwer befreien kann.

Diese unglaubliche Geschichte, die vom Leser einiges abverlangt, erzählt Jeannette Walls dabei in einem unheimlich warmherzigen Ton, der einen nicht nur ganz in den Roman – und damit ja in ihre Kindheit – eintauchen lässt, sondern der mich auch schwer beeindruckt hat. Trotz all der schlimmen Dinge, die die Eltern den Kindern angetan haben, klagt Walls sie nicht an, rechnet nicht mit ihnen ab. Stattdessen versucht sie zu vermitteln, wie ihre Eltern die Welt gesehen haben und warum sie so gehandelt haben, wie sie gehandelt haben. Sie heischt nicht nach Mitleid, sie protzt auch nicht mit ihrer Erfolgsstory (denn das ist ihr Leben, wenn man sieht was sie daraus gemacht hat). Sie erzählt einfach nur ihr Leben, spart die schwierigen Situationen nicht aus, macht aber auch deutlich, dass sie durchaus auch so etwas wie eine „schöne Kindheit“ hatte – wenn auch auf eine besondere Weise.

Das Buch lässt sich leicht lesen und holt dennoch aus dem Leser eine Vielzahl an Emotionen hervor: Wut, Mitleid, Staunen, Verzweiflung, Freude, Glück, Zufriedenheit. Man leidet mit den Kindern, fühlt Hass gegenüber den Eltern und ist einfach nur erleichtert, dass am Ende alle ihren Weg gegangen sind und dabei ihr Glück gefunden haben. Für diese Komplexität, die Ehrlichkeit der Autorin und den angenehmen Schreibstil gibt es 5 Sterne!

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