Jennifer Egan bietet in ihrem Roman einen interessanten Blick in die Zukunft. Eine ausgefallene Idee liegt der Geschichte zugrunde. Bix ein erfolgreicher Unternehmer hat eine App, die weltbekannt geworden ist, entwickelt. Dank dieser innovativen Idee, die übrigens nicht seine eigene ist, haben die Menschen die Möglichkeit ihre Erinnerungen hochzuladen, und nicht nur das... Die lassen sich auch verändern und sogar neu zusammenstellen. Dieser Roman ist sehr komplex, nicht nur durch die Anzahl der Personen, die alle in irgendeiner Verbindung zu der App stehen, sondern auch durch die Art, die Geschichte zu erzählen. Der Roman besteht wie ein Mosaik aus vielen kleineren Geschichten, die Handlung ist sowohl in der Gegenwart als auch in der Vergangenheit angesiedelt. Die große Anzahl der auftretenden Personen machte mir bedauerlicherweise unmöglich, einem der Charaktere nahe zu fühlen. Vorstellbar und nachvollziehbar in deren Handlung fand ich die Personen auch nicht immer. Auch wenn ich die Idee zu dieser Vision sehr spannend fand, konnte ich dem Roman leider nicht so gut folgen. Zu viel von allem. Mit "Candy Haus" hat Jennifer Egan eine Herausforderung für die Leser erschaffen. Ein durchaus interessantes Projekt.
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Rezension zu "Candy Haus" von Jennifer Egan
Verschiedene Lebenswege und archivierte Erinnerungen…
Mit ihrem Roman „Der größere Teil der Welt“ gelang Jennifer Egan der internationale Durchbruch. Jetzt knüpft sie in ihrem neuen visionären Roman „Candy Haus“ über unsere Gegenwart ein schillerndes Netz aus Lebensläufen. Im Mittelpunkt steht der charismatische Bix Bouton, Gründer eines atemberaubenden Start-ups in Amerika. Sein Coup ist eine App, die unsere Erinnerungen ins Netz hochlädt. Ein gefährliches Glück, denn die Erinnerungen werden für andere sichtbar. Und da ist Bennie Salazar, Ex-Punk-Rocker, der als Musikproduzent in Luxus driftet und seinen Sohn an die Sucht verliert …
New York, Chicago, Los Angeles – die Wüste, der Regenwald: Mit vor Energie funkelnden Figuren erzählt Egan von der Suche nach Familie und Geborgenheit in einer Zeit, in der die digitale Welt unsere Sehnsüchte auffrisst. (Quelle: Inhaltangabe – S. Fischer Verlage)
CANDY HAUS ist der aktuelle Roman von Jennifer Egan und hat mich mit der Inhaltsangabe sehr neugierig gemacht. Anfangs wusste nicht genau, was mich hier wirklich erwartet und war am Ende vom besonderen Aufbau ziemlich überrascht – und das im positiven Sinne.
Der Roman erzählt die Geschichten verschiedenster Menschen – beginnend mit Bix Bouton, dem erfolgreichen Erfinder von MANDALA und einer App, mit der man seine Erinnerungen ins Netz hochladen kann – für alle zugänglich. Jahre zuvor ist er auf der Suche nach der einen Idee und nimmt durch Zufall an einer privaten Diskussionsrunde teil, in der ein Vortrag der Anthropologin Miranda Kline besprochen wird. Sie wurde mit ihrem Buch „Muster des Vertrauten“ sehr bekannt, dessen Inhalt sich in der Welt der Social-Media-Unternehmen als wertvoll erwiesen hat, allerdings nicht ganz im Sinne der Autorin.
Dieses ist nur ein ganz kleiner Ausschnitt aus einem Roman, der mit einer präzisen Figurenzeichnung überrascht: Hier werden im Stil von Kurzgeschichten die Lebenswege unterschiedlicher Figuren erzählt, die auf verschiedenste Weise miteinander in Verbindung stehen. Der Erzählstil ist der jeweiligen Figur angepasst, was sehr gut gelungen ist, denn die einzelnen Geschichten könnten unterschiedlicher nicht sein. Mal etwas speziell und auch besonders, aber immer auf bestimmte Weise packend. Manchmal ist durch die Überschrift der Kapitel sofort klar, um wen es sich handelt, ein anderes Mal dauert es, bis man erfährt wer es ist und wie diese Person mit einer anderen aus dieser Geschichte in Verbindung steht.
„Neugier und Nützlichkeit üben eine schleichende, unerbittliche Macht aus – wenn ich im Leben irgendwas gelernt habe, dann das. Man kann ihnen eine Minute widerstehen, hundert Minuten, sogar ein Jahr. Aber nicht für immer.“ (Miles) – Seite – 61, eBook
Die Autorin schafft es, die einzelnen, so unterschiedlichen Lebenswege der Charaktere detailreich zu schildern, oft auch über Jahrzehnte (20. und 21. Jahrhundert). Man muss den roten Faden durch dieses abenteuerliche Labyrinth der Lebensläufe erst suchen – am Anfang ist es zunächst leicht unübersichtlich. Dennoch lohnt es sich, dranzubleiben, denn mit jeder Seite wird die Story klarer. Alles wird langsam miteinander verknüpft und läuft auf verschiedenste Weise bei Bix Bouton zusammen.
Überraschend ist, dass dieser zwar immer mal wieder auftaucht, aber gar nicht so präsent ist, wie ich zunächst angenommen hatte. Ein zentraler Punkt ist natürlich dessen Erfindung, die App „Besitze dein Unterbewusstes“. Über diese erfahren wird im Laufe des Buches mehr und auch den Preis dafür, wenn man die App nutzen will.
„Dreizehn Jahre nach dem Release von ‚Besitze dein Unterbewusstes‘ hatte sich ein untergeordnetes Feature – das Kollektivbewusstsein – einen zentralen Platz erobert. Wenn man sein Bewusstsein ganz oder in Teilen in ein Online-„Kollektiv“ hochlud, erhielt man Zugang zu den anonymen Gedanken und Erinnerungen aller Menschen auf Erden, ob lebendig oder tot, die dies auch getan hatten.“ – Seite 61/62, eBook
Von Erfolg und Misserfolg, Freud und Leid, vielen Schicksalen bis hin zu längst Vergangenem und Vergessenem, dass durch hochgeladene Erinnerungen wieder sichtbar wird – es wird abwechslungsreich, unterhaltsam und manchmal auch außergewöhnlich. Zugleich auch etwas unheimlich, denn wer möchte seine Erinnerungen schon für alle zugänglich machen? Die Figuren habe dazu unterschiedliche Meinungen. Auf jeden Fall bleibt es sehr interessant.
Der Sieg hat seinen Preis, wie alles andere auch.“ – Seite 124, eBook
Jennifer Egans Buch „Der größere Teil der Welt“ habe ich bisher noch nicht gelesen, daher kann ich zu eventuellen Verknüpfungen aktuell nichts sagen. Mir ist bekannt, dass die Figur Bennie Salazar dort eine Rolle spielt, die auch hier vorkommt. Man kann „Candy Haus“ auf jeden Fall ohne Vorkenntnisse lesen.
Mein Fazit: Ein besonderes Buch, das mit einer starken Figurenzeichnung überzeugt. Von einem technischen Fortschritt, der etwas beängstigend ist und einem Buch, dessen Inhalt zweckentfremdet wird, bis hin zu den unterschiedlichsten Lebenswegen, die doch irgendwie miteinander verbunden sind – auf ganz verschiedene Weise. Mal dramatisch, mal schillernd, mal bewegend und mal nachdenklich, aber auf jeden Fall immer interessant. Ein außergewöhnlicher Roman, dem man zunächst etwas Zeit geben muss, dann aber jeder Seite packender wird – 4,5 Sterne von mir.
Kann ich mir vorstellen, bzw. möchte ich, dass durch den ‚Bewusstseins-Cube von Mandala‘ jeder, der Interesse dran hätte, an meinen Erinnerungen teilnehmen könnte?
Dies haben die Algorithmen im Buch ‚Muster des Vertrauten‘ der Anthropologin Miranda Kline möglich gemacht und Bix Bouton hat diese als Geschäftsidee umgesetzt. Sie haben ihn reich und sehr bekannt gemacht - der gesamte Inhalt eines Gedächtnisses kann dank seiner Erfindung in einen externen Speicher heruntergeladen werden.
Wir springen in den Zeiten umher, lernen etliche verschiedene Familien und ihre Geschichten kennen (auch Miranda Kline als Mutter) und müssen höllisch aufpassen, dass wir bei der Vielzahl der Personen den Faden nicht verlieren. Auch von ‚Proxys‘, ‚elektronischen Asseln‘ und dem Thema ‚Authentizität‘ ist die Rede! Außerdem begegnen wir noch Savant-Typen, Drogendealern, abgestürzten Karrieremenschen und überwiegend zerbrochenen Ehen.
An manchen Stellen war ich von den technischen Beschreibungen überfordert, fühlte mich von den vielen aneinandergereihten ‚Kurzgeschichten‘ teilweise erschlagen, aber mir hat dieser Roman trotzdem gefallen und ich fand ihn äußerst interessant! 4 Sterne gebe ich dafür und empfehle ihn besonders Personen, die wenigstens ein wenig Interesse an technischem und IT-Wissen haben.
(Und meine Antwort auf die Eingangsfrage lautet eindeutig: NEIN! Meine Erinnerungen gehören mir und ich will entscheiden, mit wem ich sie teilen möchte!)
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