Cover des Buches An einem Tag im Mai (ISBN: 9783832163358)
Rezension zu An einem Tag im Mai von Jenny Bond

Das Weiße Haus zur Zeit des New Deals

von Ein LovelyBooks-Nutzer vor 8 Jahren

Rezension

Ein LovelyBooks-Nutzervor 8 Jahren
Für mich war - als ich die Inhaltsangabe von "An einem Tag im Mai" gelesen habe - sofort klar, dass ich dieses Buch lesen muss: es spielt zur Zeit des New Deal hauptsächlich im Weißen Haus. Dabei steht nicht Franklin Delano Roosevelt, seine Visionen und wegweisenden, modernen Entscheidungen im Fokus, sondern vor allem seine Frau Eleanor Roosevelt geborene Roosevelt und einige Bedienstete des Präsidentenpaares.
So erfährt man während der Lektüre einiges aus dem Privatleben FDRs und der First Lady - aus hartnäckigen Gerüchten, die sich bis heute halten, werden im Roman hier Gewissheiten: beispielsweise pflegt Eleanor Roosevelt eine Liebesbeziehung mit der Journalistin Lorena Hickok, genannt Hicks. Immerhin hatte sie ihrem Ehemann die Scheidung angeboten, nachdem sie herausgefunden hatte, dass dieser längst Affären hatte. Doch nachdem er ablehnte, hat sie sich sehr gut arrangiert - wenngleich wir auch erfahren, dass sie sich durchaus zu rächen wusste, indem sie zum Beispiel eine Haushälterin eingestellt hat, die alles andere als kochen konnte.
Diese Szenen im Buch fand ich sehr interessant und davon hätte ich durchaus viel mehr lesen können: diese Details - historisch belegt oder narrativ, die uns am Leben im Weißen Haus teilhaben lassen. Zu einer für mich überaus interessanten Zeit, die vor allem durch die wirtschaftlichen und sozialen Reformen zur Bekämpfung der Weltwirtschaftskrise, aber auch dem Eintritt der Vereinigten Staaten in den Zweiten Weltkrieg geprägt sind. Nicht umsonst gilt FDR als einer der prägendsten und besten US-Präsidenten überhaupt.
Doch das Buch macht deutlich, dass von 1933 bis 1945 zwei Politiker im Weißen Haus lebten, denn Eleanor Roosevelt stand ihrem Ehemann in nichts nach. Sie war eine beeindruckende Menschenrechtsaktivistin, die durchaus auch gegen FDR argumentativ bestehen konnte. Ebenso wie ihr Mann hat auch sie einen bis heute andauernden wirklich guten Ruf, der sie als engagiert und sehr einflussreich beschreibt.
Aber damit komme ich auch zu meinem Hauptkritikpunkt: für mich hätte es so viel mehr Eleanor Roosevelt, mehr vom New Deal und FDR sein können - stattdessen verliert sich die Autorin Jenny Bond in Beschreibungen einer Dreiecksbeziehung rund um Iris, die zweite Hauptfigur neben Eleanor Roosevelt. Anfangs mit einer sehr interessanten Geschichte ausgestattet - immerhin kommt die ehemalige Lehrerin, zwischenzeitlich durch die Wirtschaftskrise im Elend gestrandet, durch die First Lady ins Weiße Hau und findet durch diese Entscheidung ihren Weg zurück oder besser gesagt nach oben. Doch die Möglichkeit des in Iris verkörperten amerikanischen Traums vergibt die Autorin, indem sie die junge Frau nicht nur zwischenmenschlich schwierig gestaltet, sonders sich in den Beschreibungen ihres ewigen Hin und Hers verliert. In meinen Augen wurde hier immens viel Potential verschenkt - stattdessen habe ich ermüdende Bettgeschichten gelesen und mich über die Unfähigkeit der Protagonistin, bei der Wahrheit zu bleiben und einmal niemanden zu verletzen, geärgert. Mir hätte die Schilderung, dass Iris einfach nicht alleine sein kann, genügt. Vor allem nachdem ich das Nachwort Jenny Bonds gelesen hatte, wurde mir bewusst, dass ich lieber mehr von Henrietta gelesen hätte. Auch hier verstehe ich das Konzept der Autorin schlicht und ergreifend nicht.
So bleibt schlußendlich zu sagen, dass mit den Ausschweifungen um die zaudernde und egoistische Iris viel Fokus auf die für mich viel spannenderen und tollen Elemente des Romans verloren ging. Letzten Endes bin ich der Meinung, dass man entweder "An einem Tag im Mai" rigoros hätte kürzen sollen oder - was mir noch besser gefallen hätte - das Augenmerk auf deutlich interessantere Punkte lenken hätte können: mehr Henrietta, mehr historische Fakten und Details der realen Figuren. Denn sehr häufig ging es mir so, dass ich von einer bestimmten Szene gefesselt war, die dann abrupt abbrach und von für mich unwichtigen Sequenzen ersetzt wurde.

Fazit: Selten habe ich ein Buch gelesen, das meine Erwartungen so dermaßen enttäuscht hat. Das Traurige dabei ist, dass die Autorin durchaus erzählerisch auf dem - in meinen Augen - richtigen Weg war, dann aber auch immer wieder etwas gefunden hat, was sie vom Weg abgebracht hat. Sprachlich gibt es bei Jenny Bond nichts auszusetzen. Kurzum, enorm viel verschenktes Potential.
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