Cover des Buches Bis ans Ende der Geschichte (ISBN: 9783570102176)
Rezension zu Bis ans Ende der Geschichte von Jodi Picoult

Bleib ein Mensch!

von Ein LovelyBooks-Nutzer vor 9 Jahren

Kurzmeinung: Was tust du, wenn die Geschichte ein Opfer fordert? Berührend, heftig und so wichtig! Jodi Picoult at her best!

Rezension

Ein LovelyBooks-Nutzervor 9 Jahren
Sage arbeitet als Bäckerin dann, wenn andere Menschen schlafen. Und das gefällt ihr, denn seit einem Autounfall ein paar Jahre zuvor trägt sie eine auffällige Narbe im Gesicht. Ihre Mutter kam bei dem Unfall ums Leben und so versucht die junge Frau in einer Trauergruppe ihren Schmerz zu bewältigen. Dort lernt sie auch den über 80-jährigen Josef kennen und freundet sich mit ihm an. Bis er sie bittet, ihm beim Sterben zu helfen. Denn davor gesteht der alte Mann ihr seine Lebensgeschichte...
Ich habe lange auf das Erscheinen von "Bis ans Ende der Geschichte" von Jodi Picoult gewartet und auch dieses Mal wurde ich nicht enttäuscht. Die Autorin befasst sich in ihrem neusten Roman mit den Verbrechen der Nationalsozialisten und insbesondere mit der Vernichtung der Juden. Damit befasst sie sich wieder mal mit einem Thema, das die Menschen bewegt und auch spaltet.
Die Geschichte wird von mehreren Menschen erzählt. So kommt die junge Sage, eine Jüdin ohne Glauben, zu Wort, daneben ihre Großmutter Minka, der alte Mann Josef und auch Leo Stein, dessen Beruf sich am besten mit Nazi-Jäger umschreiben lässt. All diese Personen werfen einen persönlichen und sehr eindringlichen Blick auf die Geschichte des Dritten Reiches. Denn hier knallen die Erfahrungen eines SS-Soldaten mit denen einer Überlebenden zusammen. Zudem muss sich die Nachfahrin die Frage stellen, wie lange jemand eigentlich schuldig ist und ab wann er genug für seine Taten gebüßt hat.
Zugegeben, als mir klar wurde, dass sich die amerikanische Autorin mit dem Thema Nationalsozialsmus auseinander setzt, habe ich mit den Augen gerollt und einfach nur gehofft, dass sie sich nicht für die USA typischen Nazi-Klischees verliert. Denn wie kann eine Amerikanerin sich solch einem für deutsches Publikum immer noch schweren Themas gewissenhaft annehmen?
Doch Jodi Picoult hat mich überrascht. Ohne Klischee, ohne Patriotismus, ja selbst ohne erhobene Moralkeule lässt sie Minka und Josef ihre jeweiligen Geschichten erzählen. Während Josef von seiner Zeit bei der HJ und seiner Karriere bei der SS berichtet, zeigt Minka, wie es sich anfühlte, im Polen der 30er und 40er Jahre leben zu müssen. Beide Sichtweisen sind so eindringlich, so gefühlsecht und so realitätsnah erzählt, dass ich nur schwer wieder aus der Vergangenheit auftauchen konnte um mich meinem Alltag zu widmen.
Die Autorin schafft es spielend, dass ich den Täter als Menschen sehe, als normale Person, die einfach nur das getan hat, was alle tun. Ich hatte Mitgefühl für Josef und habe ihn nach Minkas Erzählungen gehasst, weil sie ein Bild von ihm zeichnete, das so gar nicht zu seinen Berichten passen wollte. Und hier zeigt Jodi Picoult die Schwierigkeit der Vergangenheitsbewältigung: Ein jeder kennt nur seine Sicht und solang man nicht offen dafür ist, die andere Seite zu hören, so lang werden es Hass und Wut leicht haben, Herzen zu erobern und zu besetzen.
Normalerweise höre ich beim Lesen Naturklänge oder sogenannte Study Music. Bei diesem Roman ging es nicht. Ich musste mich voll und ganz auf das Geschehen konzentrieren und darin versinken. Daher bemerkte ich auch nicht, wie die Zeit verging, so dass ich das Buch innerhalb von 2 Tagen fertig gelesen habe. Es ist beileibe keine leichte oder einfache Lektüre. Dennoch bin ich sehr froh, es gelesen zu haben. Jodi Picoult beweist mit ihrem Roman unter anderem, was Vergebung, Sühne und Schuld bedeutet, egal in welchem System man zuhause ist.
Der Stil der Autorin ist sehr gut und flüssig zu lesen. Ihre Erzählweise hat mich Seite um Seite gebannt, so eindringlich und mit dem nötigen Blick für Emotionen berichtet sie mit ihren Figuren.
Fazit: nicht einfach, nicht locker-flockig, dafür aber umso berührender. Lesen!!
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