Cover des Buches Retter der Welt (ISBN: 9783498073626)
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Rezension zu Retter der Welt von John Wray

Rezension zu "Retter der Welt" von John Wray

von Kaivai vor 14 Jahren

Rezension

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Kaivaivor 14 Jahren
Am 11.11.2009 entkommt der 16-jährige William Heller in einem Bahnhof der New Yorker Subway seinen Aufpassern Schädel&Knochen. Will flieht mit der U-Bahn. Violet, seine Mutter und Lateef, ein Polizist, suchen nach ihm. Das sind die zwei Stränge, aus denen dies Buch geflochten ist. Will Heller hat Aufpasser, weil er Insasse einer Psychiatrie ist. Schizophrenie ist die Diagnose. Was ist Schizophrenie? Das ist noch immer eine ungeklärte Frage. Antworten kreisen wie Geier um den Kern dieser Krankheit, aber sie treffen ihn nicht. Darum fällt es den Ärzten auch so schwer, Mittel zur Heilung zu finden. Das, was in einer Schizophrenie vor sich geht, ist schon klarer. John Wray versucht in seinem Buch Bilder dafür zu finden. Die Bilder, die er findet, sind ganz großartig. Mich hat er mit seinen Bildern gefangen. Aufgesogen. In der Schlußphase des Buches hab ich fünf Stunden gelesen, ohne auch nur einmal Pause machen zu können. Merkwürdig war: obwohl ich immerzu wirkliche Menschen sah, hatte ich doch das Gefühl, ich befinde mich in einem Comic Strip. Früher hab ich Comics geliebt. Auch als Erwachsener. Comics für Erwachsene sind oft hohe Kunst. Und jetzt war ich in einem Comic, der durch Worte erzeugt wurde. Ganz einmalig! Aber: Schizophrenie hat nur sekündär Bildgewalt zum Thema. Primär geht es um Gefühlsgewalt. Der normale Mensch ist darum normal, weil er ein Ich hat. Dies Ich ist ein Beutel, in dem vieles Platz hat. Vor allem die Gefühle. Es kann aber vorkommen, dass die Gefühle einen Druck entwickeln, dass die Ich-Ventile, die der Gefühlsentladung dienen, nicht mehr standhalten. Dann platzt der Beutel. Im leichten Fall folgt ein Nervenzusammenbruch, im schweren eine Psychose. In der Psychose geht das gewohnte Ich verloren. Das ist ein ganz und gar unerträglicher und mit massiver Angst besetzter Zustand. Aber zugleich ein Zustand, in dem der Mensch sich offen fühlt für ein neues Ich. Natürlich hat dies neue Ich eine ganz andere Qualität als das alte. Es ist ein Ich, das viel größer ist. Ein Ich, das die Welt rettet. Will Heller. Hat John Wray diesen Namen mit Bewußtsein gewählt? Er kann deutsch. Seine Mutter ist, so wie Wills Mutter, Österreicherin. Der Name ist eine gute Wahl: Will will es heller. Violet will es violett. Am Ende wird das violett ganz dunkel und kurz darauf gnadenlos hell. Lateef, der Polizist, ist der Schwarze. In dem sich Mutter und Sohn, die beide Heller sein wollen, kreuzen. Je mehr ich darüber nachdenke, destso klarer wird mir, wie sehr es John Wray gelingt, ob nun bewußt oder unbewußt, Schizophrenie auf einer bildhaften Ebene zu spiegeln. Die emotionale Spiegelung gelingt ihm nicht. Aber das ist wohl auch gar nicht möglich.
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