Rezension zu "Am liebsten sitzen alle in der Küche" von Julia Karnick
Es gibt keine langweiligen Lebensgeschichten. Jedes verdammte, einzelne Leben ist interessant, egal wie piefig es auf den ersten Blick aussieht. Man muss nur ganz genau nachfragen und zuhören. (Seite 72)
Nach der Scheidung von ihrem Mann Christoph lebt Almut allein in ihrer (neuen) Wohnung in Eppendorf. Tochter Hetty kommt übers Wochenende (zu Besuch), da die Schule näher am großen Haus von Papa ist. Die anderen drei Kinder sind bereits aus dem Haus. Was tun, als plötzlich arbeitslose Hausfrau? Almut freundet sich mit der Nachbarin Tille (Urologin) an und lädt diese samt Sohn Jan immer donnerstags zum Abendessen ein. Nach einem lustigen Salsa-Abend gesellt sich auch noch die Yeliz dazu, die in einer Werbeagentur arbeitet. Dann werden Probleme gewälzt und gelöst.
Wieder Mal ein Roman, der in Hamburg spielt. Ich mag die Vorstellung, dass die Protagonisten dort essen gehen, wo ich gerne esse oder dass Almut neben meinem Chef in Eppendorf wohnt. Yeliz geht in meinen IKEA einkaufen und genau wie ich biegt sie links ab, zum Restaurant oder die Warenhalle (ich laufe auch nur noch selten durch die Ausstellung). Oder bei Bonbon-Pingel etwas schönes gekauft wird. Das gibt ein Wohlfühl-Gefühl, das ist besser als die Leiche, welche im Park auf meiner Jogging Runde gefunden wurde.
So piefig, eigensinnig oder dickköpfig die Protagonistinnen auch sind, man schließt sie schnell in sein Herz.
Almut und Tille waren so anders, dass sie zuerst gedacht hatte: zu anders, um ihre Freundinnen zu werden. Aber es gab eine Gemeinsamkeit, die größer war als alle Unterschiede zusammen. Sie teilten die Erfahrung, dass das Leben sich nicht an Entwürfe hielt. (Seite 293)
Julia Karnick variiert den Blickwinkel, in dem sie alle drei zu Wort kommen lässt und auch wichtige Situationen wiederholt von allen dreien beschrieben werden. Das ist nicht langweilig oder langatmig, sondern es zeigt die Dynamik zwischen den Frauen.
Fazit: schöner Hamburgroman für zwischendurch mit sympathischen, normalen Charakteren.