Rezension zu "Bergleuchten" von Karin Seemayer
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Das Buch spielt im 19. Jahrhundert in dem kleinen Bergdorf Göschenen, in dem der Bau des heute sehr bekannten Gotthardtunnels angekündigt und durchgeführt wird. Dies jedoch sehr zum Ärger der Dorfbewohner:innen, die gegen eine so grosse Veränderung ihres angestammten Heimatdorfes sind. Ein Grund dafür ist unter anderem, dass einige der Bewohner als sogenannte Fuhrmänner tätig sind und Lieferungen über den Gotthardpass machen. Dieses Angebot wird jedoch nicht mehr benötigt, wenn der Tunnel fertiggestellt ist, sodass sie um ihren Job fürchten.
Der Widerstand der traditionellen Schweizer führt schliesslich dazu, dass sie auch den neuen Mineuren, die zum grossen Teil aus Italien stammen, eher feindselig gegenüber gestellt sind. Man will weder den Tunnel, noch die Leute, die diesen Tunnel bauen. Doch der Fortschritt lässt sich nicht aufhalten und so müssen sich die Göschener wohl oder übel mit der neuen Situation arrangieren...
Die erste Hälfte des Buches beschäftigt sich hauptsächlich mit dem Tunnelbau und dem Unmut, der dies vor allem bei Fuhrhalter Franz auslöst und wie er damit umgeht. Abgesehen davon, bleibt die erste Buchhälfte eher ohne grosse Ereignisse.
Ab der Mitte des Buches wandelt sich die Handlung dann in eine Liebesgeschichte zwischen Franz' Tochter Helene und dem italienischstämmigen Mineur Piero. Aufgrund der Feindseligkeit, der die Göschener gegenüber den Italienern haben, halten Helene und Piero ihre aufkeimende Liebe geheim, bis es zu einer verhängnisvollen Liebesnacht zwischen den beiden kommt, deren Konsequenzen sich nicht länger geheim halten lässt: Helene ist schwanger.
Die Ereignisse überschlagen sich daraufhin und während Piero vorübergehend aus dem Land flüchten muss, muss sich Helene überlegen, wie sie ihre Ehre als nicht verheiratete, schwangere Frau retten kann, damit ihr nicht das Kind weggenommen wird, wie es einer anderen Dorfbewohnerin passiert ist...
Ich war anfangs etwas erstaunt darüber, dass die Story eine Wendung in eine ziemlich klischeehafte Liebesgeschichte durchmacht, denn dadurch ist das Thema rund um den Gotthardtunnel fast gänzlich in den Hintergrund gerückt worden, was ich nicht erwartet hätte. Obwohl diese verbotene Liebe schon sehr kitschig war, war ich doch etwas neugierig, wie das Schicksal der beiden Turteltäubchen ausgehen würde - und das geschieht auf sehr auf konstruierte Art und Weise.
Etwas schade fand ich, dass der Tunnelbau eigentlich gar keine wesentliche Rolle eingenommen hat, nachdem einige Göschener anfangs sehr dagegen waren. Aber eigentlich diente dieser Hintergrund wohl nur dazu, dass sich Helene und Piero kennenlernen konnten - mehr nicht.
Die Erzählerin, Sandra Hutter hat mir ganz gut gefallen, da sie die Dialoge der Schweizer Charaktere in einem Schweizer Hochdeutsch spricht, das dem Ganzen mehr Authentizität verliehen hat.
Die Charaktere dagegen waren mir fast alle eher unsympathisch, denn sie haben sich irgendwie alle gleich angefühlt: Distanziert und griesgrämig. Ich weiss allerdings nicht genau, ob das an der Buchvorlage lag und die einzelnen Personen einfach zu wenig ausgearbeitet worden sind, oder ob es an der Sprecherin lag, die alle Charaktere beim Vorlesen ähnlich miesepetrig hat wirken lassen. Aber so richtig ans Herz gewachsen ist mir bis zum Schluss bedauerlicherweise keine der Personen aus dem Buch.
Fazit:
Bergleuchten war eine interessante Lese- bzw. Hörerfahrung für mich, da ich selten Bücher aus diesem Genre lese. Etwas schade fand ich, dass der Bau des Gotthardtunnels letztendlich nur eine ungeordnete Rolle spielt und viel eher die Geschichte einer verbotenen Liebe erzählt wird, die ziemlich konstruiert und klischeehaft verläuft. Da hat die Inhaltsangabe bei mir zu etwas falschen Erwartungen gefühlt. Alles in allem war es aber eine kurzweilige Erzählung, die man sich nebenbei her mal anhören kann. Drei durchschnittliche Sterne gibt es deshalb von mir.