Cover des Buches Die Legende der Wächter - Die Entführung (ISBN: 9783473368075)
Rezension zu Die Legende der Wächter - Die Entführung von Kathryn Lasky

[Rezension] Die Legende der Wächter: Die Entführung – Kathryn Lasky

von Ein LovelyBooks-Nutzer vor 10 Jahren

Rezension

Ein LovelyBooks-Nutzervor 10 Jahren
Klappentext:
Nachdem er aus dem Nest gefallen ist, wird der junge Schleiereulerich Soren entführt. Er landet in einer Schule für verwaiste Eulenkinder, wo er hart arbeiten muss und zu finsteren Zwecken ausgebildet wird. Doch Soren träumt davon, zu fliehen und sich den Eulenrittern von Ga'Hoole anzuschließen. Und tatsächlich: Eines Tages gelingt ihm mit seiner neuen Freundin, Elfenkauz Gylfie, die Flucht.

Rezension:
Der Einstieg in das Buch fiel mir ein bisschen schwer. Das liegt aber weniger an der Geschichte als an mir. Die Charaktere sind fast alle Eulen. Da das ziemlich ungewöhnlich ist, dienen die ersten Kapitel als eine Art Einleitung in die Spezies. Vom Schlüpfen eines Jungvogels über die Tage als Nestling bis hin zu den ersten Ausflügen als Ästling wird Entwicklung sehr detailliert beschrieben, da Soren, der Protagonist, einen älteren Bruder namens Kludd hat und gerade eine jüngere Schwester, Eglantine, bekommt.
Doch nicht nur das, auch auf die Nahrungsaufnahme geht die Autorin ein. Und das war mir an einigen Stellen zu detailliert. Es ist zwar interessant, zu erfahren, dass Eulen neben Insekten und Mäusen beispielsweise auch Schlangenfleisch fressen, aber dass es kitzelt, wenn der Tausendfüßler die Kehle herunter läuft, und dass Eglantine vor lauter Neugierde nicht vergessen soll, die Beine der saftigen Grille zu essen, war mir an einigen Stellen doch deutlich zu ausführlich. Und jede Mahlzeit der jungen Vögel, bei der sie eine andere Nahrung bekommen, feiert die Familie ausgiebig. Da gibt es die Feier „Erstes Insekt“, darauf folgt „Erstes Fleisch“, dann „Erstes Fell“ und schließlich „Erste Knochen“. All diese freudigen Anlässe werden bis ins Detail beschrieben und manchmal mit einem Lied sogar noch darüber hinaus. In Grundsätzen wäre das in Ordnung, aber manchmal wurde es wirklich ekelhaft.

Die anderen Informationen, die das Buch enthält, sind aber sehr spannend. Die auftauchenden Eulen gehören alle anderen Gattungen an, sodass es viel zu lernen gibt. Soren und seine Familie gehören zu den Schleiereulen, seine beste Freundin Gylfie ist eine Elfenkäuzin. Im Sankt Ägolius Internat für verwaiste Eulen, in das die beiden entführt werden, treffen sie auf Virginia-Uhus, West-Kreischeulen, Waldohreulen, Schneeeulen, Raufußkauze und noch viele mehr. Wann immer Soren eine neue Gattung kennenlernt, wird das Aussehen der Eule beschrieben und zu den wichtigsten Charakteren finden sich Zeichnungen im vorderen Teil des Buches.
Da jede Gattung ein eigenes Königreich hat, sind die meisten Eulen nicht nur dem Leser, sondern auch Soren vollkommen fremd. Die Beobachtungen, die er bezüglich des Verhaltens macht, und die Erklärungen zu Besonderheiten und Eigenschaften, die die schlaue Gylfie beisteuern kann, führen den Leser also Schritt für Schritt gemeinsam mit Soren in die Welt der Eulen ein. Das ist auch für Kinder gut gemacht.

Viele Beschreibungen und Erklärungen sind ebenfalls kindgerecht gemacht. Waschbären, die zu den natürlichen Feinden der Eulen gehören, tragen beispielsweise schwarze Masken und haben nicht bloß schwarzes Fell im Gesicht. Auch viele kompliziertere Wörter kennt Soren nicht, sodass es sie sich von Gylfie erklären lassen muss.

Für die Altersempfehlung 10+ schon fast ungeeignet finde ich dagegen die seltenen, aber deshalb nicht weniger blutigen Szenen. Da Soren und Gylfie als Jungvögel entführt werden, können sie beide noch nicht fliegen. Ihr Gefieder muss erst vollständig auswachsen. Zudem brauchen sie jemanden, der ihnen zeigt, wie es funktioniert. Denn solange sie nicht fliegen können, ist an eine Fluch aus den Schluchten, in denen Sankt Ägolius liegt, nicht zu denken. Doch in einer Gemeinschaft, die einer Diktatur sehr ähnlich ist, Unterstützer für eine Rebellion zu finden, ist nicht einfach und geht nicht immer gut. Die Szenen an sich sind notwendig für die Geschichte, doch auch hier hätten es für die jüngere Altersklasse ein paar weniger Details auch getan.

Ein Punkt, der mir als Erwachsene sehr gut gefällt, bei dem ich nur nicht sicher bin, ob Kinder die gesamte Tragweite schon verstehen können, ist die Massenmanipulation und der kollektive Persönlichkeitsverlust in Sankt Äggie. Den entführten Jungvögeln wird eingeredet, sie seien Waisen, und statt ihres Namens bekommt jeder von ihnen eine Nummer zugeordnet. Soren beispielsweise ist Nummer 12-1. Es ist den Eulen verboten, Fragen zu stellen, ansonsten werden sie gerupft. Und bei nächtlichen Märschen müssen sie immer wieder ihren eigenen Namen vor sich hin sprechen, bis dieser seine Einzigartigkeit und seine Bedeutung verliert. So gibt es nichts mehr, woran sie sich festhalten können.
Die Massenmanipulation erfolgt durch sogenannte Mondwirrnis, die sich die Autorin ausgedacht hat. Wenn Eulen im Schein des vollen Mondes einschlafen, ereilt sie diese Krankheit. Dabei verlieren sie ihren Verstand und werden willenlos. Indem die Leiter des Internats alle entführten Eulen zwingen, im Licht des Vollmonds zu schlafen, stellen sie Gefügigkeit sicher, hintern am Nachdenken und behalten die Kontrolle. So können sie in aller Ruhe ihre finsteren Pläne ausarbeiten.

Zwischendurch war ich verwirrt, wie viel vergangen ist. Die Schilderungen klingen wie die Zusammenfassung von Tagen oder gar Wochen, doch plötzlich ist wieder einfach nur der nächste Tag. Irgendwann war ich nicht einmal mehr sicher, ob es sich noch um den gleichen Vollmond oder schon einen oder etliche später handelt. Fest steht jedoch, dass sowohl Gylfie als auch Soren irgendwann ein vollständig ausgewachsenes Gefieder haben. Ihnen gelingt die Flucht aus dem Internet – mit dem Wissen, welchen heimtückischen Plan die Leiterin und ihre Stellvertreterin ausgeheckt haben.

Im Grunde dient also dieses erste Buch dazu, den Leser ein bisschen mit den Eigenschaften und Verhaltensweisen von Eulen bekannt zu machen, die Grundzüge der Welt erläutern, in der die Geschichte spielt, und als Prolog für die anderen Teile zu fungieren.

Fazit:
Mein Wissen über Eulen ist jetzt deutlich größer. Kathryn Lasky hat sympathische Charaktere erschaffen, die im Laufe der Geschichte gewachsen sind und ihre Naivität verloren haben. Das Buch beinhaltet sehr viel Potenzial für eine ganz große Auseinandersetzung. Wegen der Verwirrung bezüglich der vergangenen Zeit und der für mich viel zu ausführlichen Beschreibung der Nahrungsaufnahme vergebe ich an „Die Legende der Wächter: Die Entführung“ aber trotzdem nur vier Sterne.
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