Cover des Buches Butter bei die Fische (ISBN: 9783492303156)
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Rezension zu Butter bei die Fische von Levke Winter

Von buckligen Männlein und Teetrinkern...

von Cappuccino-Mama vor 11 Jahren

Rezension

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Cappuccino-Mamavor 11 Jahren

Der Buchtitel besteht aus einer (nord)deutschen Redensart, die wohl jeder schon einmal gehört hat. Butter bei die Fische – was ja soviel bedeutet, wie : Jetzt mal die Karten auf den Tisch, jetzt wird Klartext gesprochen – dachte ich zumindest. Tatsächlich aber bedeutet es, laut Wikipedia, soviel wie: Sich nicht mit halben Sachen zufrieden geben, nach mehr Informationen verlangen. Und wo wir bei den Redensarten sind – beim Namen Bartel (der im Buch vorkommt) musste ich sofort an die Redensart „...wo der Bartel seinen/den Most holt...“ denken.

Zu einem Ostfriesen-Krimi passt dieser Buchtitel so gesehen ganz gut. Und wer jetzt an einen bestimmten Ostfriesen denkt, dessen Name mit einem O beginnt und der die Gegend um Emden vertritt, dem kann ich sagen: Dieser Krimi beinhaltet in der Tat einige heitere Episoden, aber wer jetzt Gags am laufenden Band erwartet, ist hier doch eher falsch.


Das Cover:

Der Hintergrund des Buchcovers besteht aus einer Holztischplatte, darauf befinden sich einige Flecken. Auf dem Tisch liegt ein Geschirrtuch, wie ich vermute, weiß mit blauem Karomuster. Auf diesem steht wiederum eine Fischdose, deren Deckel, mittels dem dazugehörigen Schlüssel, halb geöffnet ist. Auf dem Dosendeckel selbst befindet sich der Buchtitel, geschrieben in roten und grünen Buchstaben. In der Dose selbst liegt ein Goldfisch, genauer gesagt ein Schleierschwanz. Etwas makaber mutet das Ganze schon an, ist doch ein Goldfisch nicht gerade für den Verzehr gedacht – bei uns schwimmen diese recht zutraulichen Tierchen im Gartenteich und nicht im Pflanzenöl oder sonstigen Fischtunken. Was uns das Cover mitteilen soll? Vielleicht, dass sich hinter manch alltäglichen Dingen eine Überraschung verbirgt?


Die Handlung:

Elias Schröder ist neu in Ostfriesland – er wurde von der Großstadt Hannover in die ostfriesische Provinz, nach Leer, strafversetzt. Zu allem Übel spricht man dort Platt, trinkt sonderbaren Tee, den Elias nicht ausstehen kann, und so richtig wohl fühlt sich Elias dort auch nicht.

Doch kaum hat Elias seinen Dienst angetreten, taucht eine verwirrt wirkende Frau auf der Polizeiinspektion auf und berichtet, ihre Tochter wäre von einem buckligen Männlein entführt worden. So richtig ernst nimmt man diese Frau Coordes jedoch nicht, taucht sie doch regelmäßig auf dem Revier auf. Doch dann stellt sich heraus, Bärbel Coordes Tochter ist wirklich spurlos verschwunden. Brisant wird der ganze Fall, weil Steffi sowohl geistig, als auch körperlich behindert ist und deshalb im Rollstuhl sitzt. Aber auch Bärbel, Steffis Mutter, die mit ih­ren beiden Kindern Boris und Steffi bei ihrer Schwester Gitta und ihren Eltern auf dem Bauernhof lebt, ist geistig zurückgeblieben. Keine einfache Situation für die Ermittler. Wo ist das Mädchen? Und wird man Steffi lebend wiederfinden?...


Meine Meinung:

Die Mühlen mahlen langsam in Ostfriesland – gemäß dem Motto - „Abwarten und Teetrinken“, so scheint es bei den Ermittlungen zu laufen. Man hat stets Zeit für ein Tässchen Tee, der in diesem Buch auch reichlich genossen wird – sehr zum Leidwesen von Elias Schröder, dem strafversetzten Kommissar aus den Norden – und Teehasser, wurde er doch als Kind mit Pfefferminztee „gequält“. Doch statt seine Stimme zu verwenden, bevorzugt Elias die Kommunikation per Haftnotiz-Zettel, was seine neuen Kollegen kolossal nervt. Überall kleben sie, diese Zettel und keiner bleibt von Elias' Botschaften verschont.

So mancher Leser mag bei einem „buckligen Männlein“ automatisch an den Glöckner von Notre-Dame denken. Mein erster Gedanke, den ich hatte, als ich las, ein buckliges Männlein hätte ein Kind entführt, war meine Erinnerung an eine Märchenfigur - Rumpelstilzchen, das Männlein, das das Kind der Königstochter forderte.

Elias mochte ich sehr gerne. Der Kommissar ist ein Fallanalytiker und er hasst es, wenn er als Profiler bezeichnet wird. Aber er hasst auch das ostfriesische Nationalgetränk, den Tee. Und so versucht er immer wieder, dieses ungeliebte Getränk loszuwerden. Da musste so manche Pflanze darunter leiden. Blöd nur, wenn der Kandis, in Ostfriesland „Kluntjes“ genannt, nicht in der Blumenerde verschwindet, sondern als sichtbares Zeichen darauf zurückbleibt. Und wenn der Tee im Futternapf der Katze für Gift gehalten wird. Ja, es gab immer wieder Situationen im Buch, die mich zum Schmunzeln brachten. Jedenfalls war mir Elias sehr sympathisch, auch wenn er kein Mann großer Worte war. Wobei ich aber verstehe, dass Elias' Mitmenschen doch ab und an etwas genervt von seinem Verhalten waren.

So auch der Hahn der Staatsanwältin. King Kong, so sein Name, sah in Elias wohl eine unwillkommene Konkurrenz. Und dagegen wehrte er sich mit Schnabel und Klauen. Ich fragte mich mitunter, ob es wohl irgendwann Hähnchen zum Essen geben würde. Und in der Tat juckte es Elias mitunter doch etwas in den Fingern, wenn er mal wieder attackiert worden war.

Olthild „Olly“ Kellermann, die Staatsanwältin, ist eine Singlefrau und liebt ihre Unabhängigkeit. Beschrieben wird sie als rothaarig und mit Pferdegesicht, sie besitzt aber dennoch einen spröden Charme. Zwar nimmt sie Elias auf, da dieser noch keine Bleibe hat, doch sie stellt rasch klar, dass sie ihm nur übergangsweise ein Obdach bietet. Doch Elias findet rasch Gefallen an seiner Gastgeberin, deren Reize ihn nicht kalt lassen. Doch wie sieht es in dieser Hinsicht bei Olly aus? Findet sie ebenfalls Gefallen an ihrem Mitbewohner? Und hat Elias eine Chance bei ihr (obwohl er mit ihrem Gockel auf Kriegsfuß steht)?

Die vermisste Stefanie „Steffi“ Coordes ist, so stellt sich schnell heraus, kein gewöhnliches Mädchen, vielmehr ist das zwölfjährige Mädchen geistig behindert und sitzt zudem im Rollstuhl.

Ihr Bruder Boris verhält sich, zumindest in meinen Augen, sehr auffällig. Selten ist er zuhause anzutreffen, oft heißt es, er würde „stromern“. Doch wo hält der intelligent wirkende Junge sich stundenlang auf, wenn er unterwegs ist? Eines ist klar, leicht hatte er es nie mit seiner Mutter und der Schwester, auf die er oft aufpassen musste und die ihm mitunter auch etwas lästig war.

Bärbel, die Mutter von Steffi und Boris, ist geistig zurückgeblieben. Kein Wunder, dass keiner ihr so recht glauben mag, dass Steffi von einem buckligen Männlein entführt wurde. Und dann stellt sich immer wieder die Frage, wer die Väter von Bärbels Kindern sind – es wird dahingehend viel spekuliert.

Bärbels Schwester Gitta hat keine eigene Familie. Sie trägt eine riesige Last auf ihren schmalen Schultern. Ihre Schwester braucht bei ihren Kindern und im Alltag ihre ganze Unterstützung. Doch weshalb hängt Gitta sich so in ihre Aufgaben hinein? Ist es der familiäre Zusammenhalt, oder will sie sich gar die Kinder ihrer Schwester „aneignen“? Bislang blieben ihr ja eigene Kinder verwehrt. Aber nun hat Bärbel einen Freund. Doch dieser Freund war mir sehr unsympathisch, schon aufgrund seines Charakters und seines Verhaltens.

Oma Inse ist eine echte Powerfrau. Nicht nur, dass sie ihren Mann pflegt, nein, sie kümmert sich auch um den Hof und die Familie. Doch manchmal scheint ihr die Situation auch über den Kopf zu wachsen. Oma Inses Zuneigung gilt besonders Katze Murmeli und den Hühnern.

Opa Bartel fand ich als Person sehr interessant. Der alte Mann ist bettlägerig aufgrund eines Schlaganfalls, der ihm zum Pflegefall machte. Keine leichte Angelegenheit für die Angehörigen – ein verschwundenes Kind, eine geistig zurückgebliebene Frau und ein pflegebedürftiger, alter Mann. Da kann man schon mal leicht überfordert sein. Was ich mich allerdings fragte, was bekommt Bartel von seinem Umfeld mit. Seit dem Schlaganfall kann er sich verbal nicht mehr äußern, verbringt den Tag im Bett, sieht fern, schaut aus dem Fenster. Hat er vielleicht sogar etwas von Steffis Verschwinden mitbekommen, was für die Ermittler interessant sein könnte?

Und dann wären da noch:

Die Mutter von Elias, die ich als sehr anstrengend beschreiben würde. Nicht nur, dass Elias bei Telefonaten mit ihr nur selten zu Wort kommt, nein, sie hatte das Leben ihres Sohnes so ganz anders geplant. Ihrer Meinung nach hätte Elias nicht zur Polizei gehen sollen, sondern beruflich einen anderen Weg einschlagen sollen – eine musische Karriere, das wäre nach ihrem Geschmack gewesen, war sie doch in jungen Jahren selbst Sängerin. Ich verstehe es, wenn Elias Verhältnis zu seiner Mutter eher angespannt, als herzlich ist, setzt(e) sie ihn doch mit ihren Erwartungen, die sie an ihn stellt, (noch immer) unter Druck.

Sven, eine Kollege von Elias ist Vater von Drillingstöchtern. Kein Wunder, wenn er oft völlig übermüdet zum Dienst erscheint. Und so nutzt er während seiner Arbeitszeit jede freie Minute, den fehlenden Schlaf nachzuholen. Und so beherrscht der dauermüde Sven es inzwischen, immer und überall zu schlafen.

Ulf, ist ein eher unbeliebter Kollege, ist er doch sehr jähzornig und nachtragend. Blöd nur, dass Elias mit beiden Füßen in ein Fettnäpfchen tritt, indem er ein Gemälde an der Wand der Polizeistation als hässlich bezeichnet, unwissentlich, dass der Choleriker Ulf dieses Bild gemalt hatte.

Harm, ebenfalls ein Kollege von Elias. Natürlich leidenschaftlicher Teetrinker. Auch er ist mitunter irritiert vom Verhalten des neuen Kollegen, weiß aber dennoch mit Elias umzugehen.

...und letztendlich lebt in der Nachbarschaft der Bauernfamilie ein Mann, der wegen Pädophilie vorbestraft ist. Hat er etwas mit Steffis Verschwinden zu tun? Sönke wirkte auf mich recht undurchschaubar und ich konnte ihn nicht so recht einschätzen. Zudem ging auf seinem Hof nicht alles mit rechten Dingen zu, soviel stand fest.

Lange Zeit hat man sich gefragt, weshalb Elias nun eigentlich strafversetzt wurde, doch mit der Zeit lichtete sich der Nebel. Der Schluss war etwas anders als erwartet, doch er gefiel mir sehr gut - alles wurde plausibel erklärt. Und so wortkarg fand ich Elias gar nicht, wobei sein Zwang, sich alles auf Haftklebezetteln zu notieren, schon (fast) krankhaft war. Doch gerade solche „Macken“ lassen die Protagonisten menschlich erscheinen. Ermittler ohne Ecken und Kanten wären doch ehrlich gesagt einfach nur farblos und langweilig.

Kleine Anmerkung am Rande: Wer sich über die Buchbeschreibung oder den Klappentext wundert – der Kommissar heißt Elias Schröder, auch wenn auf dem Buch der Name Kröger vermerkt wurde. Das liegt allerdings daran, dass die Autorin ihren Protagonisten kurzerhand noch umbenannt hatte.

Der Schreibstil der Autorin, die mit BUTTER BEI DIE FISCHE ihr Debüt vorlegte, gefiel mir sehr gut, an vielen Stellen musste ich schmunzeln, so zum Beispiel bei den Begegnungen von Elias und dem Hahn King Kong – Mann gegen Hahn – einfach brillant und humorvoll geschildert, ebenso wie die Tee-Entsorgungs-Aktionen von Elias oder seine aufschlussreichen Telefonate mit seiner nervtötenden Mutter. Lokalkolorit ist in diesem Buch reichlich vorhanden und natürlich wird auch nicht mit den ostfriesischen Teezeremonien gespart – sehr zum Leidwesen von Elias. Eine gelungene Liebeserklärung der Autorin Levke Winter an ihre Wahlheimat Ostfriesland, wo sie viele Jahre lang lebte.


Fazit:

Ein kurzweiliger Regionalkrimi mit einem ernsthaften Thema, der auch zum Nachdenken anregt. Gewürzt wurde das Ganze mit einer Portion Humor. Alles in allem ein unterhaltsamer Krimi mit interessanten Protagonisten, den ich gerne weiterempfehlen möchte. Von mir erhält dieser Krimi 5 Sterne.

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