»Was ist Weihnachten ohne Geschenke?« murrte Jo, die auf dem Teppich kauerte.
»Ich finde es gräßlich, arm zu sein!« jammerte Margaret und blickte an ihrem alten Kleid hinunter.
»Ich halte es für ungerecht, daß manche Mädchen alles haben und andere gar nichts« meinte die kleine Amy und zog ein mürrisches Gesicht.
»Wir haben unsere Eltern und uns« mischte sich Betty ganz zufrieden aus ihrer Ecke ein.

Neuengland, zweite Hälfte des 19.Jahrhunderts: Vom Amerikanischen Bürger- krieg in bescheidene finanzielle Verhältnisse gestürzt wacht die liberal einge-stellte Mutter March mit Sanftmut und klugen Ratschlägen über ihre vier Töchter, während ihr Mann als Geistlicher im Krieg dient.

Im Fokus der Geschichte steht die Entwicklung der charakterlich sehr ungleichen Schwestern: Die hübsche, wohlerzogene und auf Konventionen bedachte Margaret, „Meg“ genannt, kümmert sich als Älteste fürsorglich um ihre jüngeren Schwestern und unterstützt mit einem kleinen Nebenverdienst den Haushalt der Mutter. Die zweitälteste Tochter Josephine, „Jo“ träumt mit ihrer rebellischen und burschikosen Art von finanzieller Unabhängigkeit und möchte eines Tages Schriftstellerin werden. Die schüchterne und selbstlose Elizabeth, „Beth“ oder „Betty“ genannt, widmet sich aufopfernd dem Haushalt und der Nächstenliebe. Das eitle Nesthäkchen Amy, das sich gerne in den Mittelpunkt stellt, begeistert sich für die Künste, gibt sich gerne romantischen Illusionen hin und möchte später unbedingt einen reichen Ehemann heiraten.

Der Roman erzählt die Lebensgeschichte und somit den Alltag der Schwestern, die nicht unterschiedlicher sein könnten, und begleitet sie von ihren kindlichen Luftschlössern bis zum Erwachsenwerden. Zwistigkeiten, Freundschaft, Ängste, Verlust, Zusammen-gehörigkeit, Auflehnung, Hoffnungen, Enttäuschungen und (natürlich!) die Liebe sind lediglich ein paar Stichworte, die in diesem Buch behandelt werden. Gerade dies macht den Roman in meinen Augen - wenn auch 1868/69 geschrieben - zeitlos und somit zeitgemäß.

Die Sprache ist recht einfach gehalten, könnte aber für die Zielgruppe (schätzungsweise ab 10 Jahren geeignet) aufgrund des Veröffentlichungsdatums am Anfang ein wenig merkwürdig bzw. „altertümlich“ wirken. Ich vermute jedoch, dass der Fortlauf der Geschichte klar und verständlich ist, sobald sich die junge Leseschaft hineingelesen und daran gewöhnt hat. Nach kurzer Recherche las ich, dass der Roman im englischsprachigen Raum die erste zu empfehlende Literatur für heranwachsende Mädchen war. Interessanterweise vermittelt die Autorin neben den „weiblichen Wünschen“ nach Ehemann, Haushalt und Kindern ebenfalls den Wunsch nach Unabhängigkeit, was für jene Zeit gewiss ungewöhnlich war.

Meiner Meinung nach zählt „Eine glückliche Zeit“ (Originaltitel: „Little women“) mit Recht zu den erfolgreichsten Jugendbüchern der englischsprachigen Literatur. Wer eine Lektüre mit authentischen, sich entwickelnden Charakteren und etwas über den Mut, seinen eigenen Weg zu finden und zu gehen, lesen möchte, demjenigen möchte ich dieses Buch wärmstens ans Herz legen!

Anmerken möchte ich noch, dass ich eine vergriffene Ausgabe (1960) besitze. Soviel ich weiß, wurde lediglich ein Teil des Romans unter dem Titel „Betty und ihre Schwestern“ neu aufgelegt, aber somit leider, leider auch massiv gekürzt. Ich kann jedem empfehlen, sich eine gebrauchte Ausgabe zu besorgen – die Suche lohnt sich. Anderenfalls kann man noch auf das englische Original zurückgreifen.

Viel Spaß beim Lesen!