Cover des Buches Grönland (ISBN: 9783866901957)
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Rezension zu Grönland von Markus Lanz

"Wir wollen nur an den Dingen teilhaben, nicht aber ihren Lauf verändern."

von Dr_M vor 9 Jahren

Rezension

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Dr_Mvor 9 Jahren
Das, so schreibt Markus Lanz, ist die Lebenseinstellung derjenigen Bewohner Grönlands, die heute noch im Einklang mit der Natur leben, so, wie es einst auch ihre Vorfahren taten. Solche Menschen hat der Autor auf seinen Reisen in die Kälte besucht und mit ihnen gelebt, jedenfalls soweit sie es zuließen.

Entstanden ist danach dieses wunderbare Buch. Auf ungewöhnlich eindringliche Weise gelingt es Lanz, das Lebensgefühl seiner Gastgeber und die gesamte Stimmung während seiner Besuche zu vermitteln. Schon nach den ersten paar Seiten habe ich mich gefragt, wie er das anstellt. Die Antwort ist einfach: Lanz ist völlig unverstellt, wie ein großer Junge, voller Neugier und Abenteuerlust. Und er findet offenbar in Grönland, was ihm an seinem Wohnort in Deutschland fehlt: Ruhe und Einsamkeit in Schnee und Kälte, wie er es aus seiner Kindheit in Südtirol kennt.

Irgendwo im Text steht, dass man auf Grönland manchmal glaubt, man wäre taub geworden, weil es dort so unglaublich still ist. Und schließlich wollten die Menschen, mit denen Lanz auf Grönland zusammen war, nicht Zeit sparen, wie gehetzte Mitteleuropäer, sondern Zeit haben. Ein Jäger, so berichtet der Autor, steht manchmal zwei Stunden bei 40 Grad unter Null mit entsichertem Gewehr, aber völlig regungslos, vor einem Eisloch und wartet, dass eine Robbe auftaucht. Einen solchen Zustand halten wir nicht einmal ein paar Minuten aus.

Auf Grönland kann man kein Vegetarier sein, wenn man auf sich gestellt überleben will. Man muss jagen. Der Text lehrt uns auch in dieser Beziehung, dass wir Grönland und das Leben auf dieser eisigen Insel mit den Augen der Grönländer sehen sollten und nicht durch die Brille unserer kulturellen Voreingenommenheit.

Wenn man auf Grönland lebt, wird man für uns unvorstellbare Naturgewalten ertragen müssen. Auch davon berichtet das Buch. Die Kälte beißt enorm, und die Stürme toben gewaltig, weil ihnen kein Widerstand entgegengebracht wird. Aus der Kargheit der grönländischen Natur kann kein menschliches Dasein im Überfluss erwachsen. Das Leben dort erscheint aus unserer Sicht vielleicht primitiv und ärmlich. Doch die Grönländer, bei denen Lanz weilte, sehen das offenbar ganz anders.

Das Buch ist ganz einfach und direkt aufgebaut. Lanz schildert seine Begegnungen mit Menschen bei seinen Reisen durch Ost-, Nord- und Westgrönland. Den sehr gut geschriebenen, wunderbar direkten und ehrlichen Text ergänzen überraschend gute Fotografien des Autors. Zusammen mit dem Text bekommt man dadurch beim Lesen einen - jedenfalls für mich nicht unbedingt zu erwartenden - intensiven Zugang zu den Erlebnissen des Autors, dem man sich kaum entziehen kann. So etwas gelingt nur einem Autor, der sich ein Buch aus seiner Seele geschrieben hat.

Der Text endet mit folgenden Worten eines Inuit-Jägers: "Alle wahre Weisheit findet man nur fern von den Menschen, draußen in der großen Einsamkeit."

Fazit.
Ein sehr intensives Buch, das ich so nicht erwartet hatte. Neben dem unverstellten, direkten und menschlich sehr warmen Text erwarten den Leser sehr viele unglaublich schöne Fotos, die nicht nur sehr genau zum Text passen, sondern auch die fast kindliche Offenheit des Autors und seine Liebe zu Grönland und seinen Bewohnern zeigen.
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