Rezension zu "Verstörungstheorien" von Marlies Hübner
Ein faszinierender Roman, der mich so gepackt hatte, dass es mir wirklich schwer fiel, ihn zwischendurch aus der Hand zu legen.
Dies ist keine Autobiografie, sondern ein biografischer Roman. Marlies Hübner lässt den Leser in ihrem literarischen Debüt ihre Heldin Elisabeth durch Kindheit und Jugend begleiten, auf eine Reise durch eine unbekannte, fremde Welt voller Missverständnisse und erschwerter Kommunikation. Erst im Alter von 23 Jahren erhält Elisabeth - auf eigenes Betreiben hin - endlich eine Diagnose und Erklärung: Autismus.
Der Roman gliedert sich in Rückblenden und eingeschobene Passagen aus der Jetztzeit. Marlies Hübner hat eine ganz eigene Art, sich auszudrücken, und darin steckt viel Kraft. Auch die Art und Weise, die Geschichte nicht durchgehend chronologisch zu erzählen, sondern mit Einschüben "von heute" zu durchsetzen... und diese Zeitebenen ebenso wie die Erzählperspektive - zumindest in meiner Wahrnehmung - sich im Verlauf der Erzählung aneinander annähern zu lassen, hat mich sehr beeindruckt, denn dies fühlt sich nie wie eine Manipulation des Lesers an. Ich würde es vielmehr als zunehmende Bewusstwerdung einer jungen Frau mit viel Persönlichkeit interpretieren - und die Feinfühligkeit, mit der die Autorin das sprachlich umsetzt, hat mir sehr gefallen.
Das Ganze liest sich, wie gesagt, ganz ausgezeichnet - bestimmt habe ich beim Lesen auch Dinge über Autismus gelernt, aber viel wichtiger ist mir: Ich habe etwas über eine besondere junge Frau erfahren.