Wir sind doch keine Mörder.
von Gulan
Kurzmeinung: Ein Krimi aus Brasilien: Ein Flugzeugabsturz bringt eine merkwürdige Kriminalitätsspirale in Gang. Hatte ich mir etwas mehr von versprochen.
Rezension
Die brasilianische Schriftstellerin Patricia Melo gewann bereits zweimal die internationale Kategorie des deutschen Krimipreises, u.a. mit diesem Buch. Die Geschichte spielt in der Stadt Corumba nahe der brasilianisch-bolivianischen Grenze. Der Leser begleitet den Ich-Erzähler, den Angler, durch die ganze Story. Die Geschichte ist eine Art Parabel, eine Erzählung über die alltägliche Kriminalität in Brasilien und wie schnell auch normale Menschen ihre Moral über Bord werfen.
Der Ich-Erzähler war bis vor kurzem noch erfolgreicher Geschäftsführer eines Callcenters in Sao Paulo, bevor ein Zwischenfall ihn aus der Bahn warf: Er gab einer Angestellten eine Ohrfeige. Für diese war dieser Vorfall der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte und sie beging kurz darauf Selbstmord. Der Ich-Erzähler wurde als Verantwortlicher gebrandmarkt und ihm wurde gekündigt. Schockiert über die Vorfälle verließ er Sao Paulo und er landete im abgelegenen Corumba, weil dort ein Cousin von ihm lebt.
Die Dinge nehmen ihren Lauf und der Ich-Erzähler gerät immer tiefer ins Schlamassel: Er lässt sich mit der Freundin seines Cousins ein. Er fängt bei der reichen Familie des Piloten eine Arbeit als Chauffeur an, während die Familie verzweifelt den Piloten bzw. dessen Leiche sucht. Er gerät an unangenehme Drogenbosse, denen er bald Geld schuldet. Sein Helfer im Drogengeschäft wird von seiner Frau denunziert und festgenommen. Die einzige Lösung, die ihm einfällt: Erpressung.
Die Zutaten sind in Ordnung und doch hat mich dieser Krimi nicht ganz gepackt. Melo beschreibt, wie rasch man aus der Bahn geworfen werden kann und sich im Netz der Kriminalität wiederfindet. Allerdings fand ich es etwas zu übertrieben dargestellt, da der Ich-Erzähler hier ein verdammt lange Reihe merkwürdiger Fehlentscheidungen trifft. Und auch noch darüber permanent lamentiert. Und obwohl gerade dies die Quintessenz des Krimis zu sein scheint, waren mir die Schwankungen in Stimmung und Moral beim Ich-Erzähler und seiner Verlobten Sulamita teilweise zu extrem, zu abrupt.
„Lange Zeit hatte ich geglaubt, Schlechtigkeit erfordere einen langen Lernprozess. In jenen Tagen begriff ich, dass das Schwere ist, ein guter Mensch zu sein. […] Die Schlechtigkeit aber ist uns schon von Geburt an eingeimpft wie ein angeborener Virus, das nur den passenden Moment abwartet, um in Erscheinung zu treten.“ (S.147)
Ein Kriminalroman aus Brasilien: Insgesamt war es nicht schlecht, aber ich hatte etwas mehr erwartet. Die Moral von der Geschichte mag ja plausibel sein, aber die Herleitung ist mir stellenweise zu glatt, zu oberflächlich.