Qais Akbar Omar

 4,9 Sterne bei 7 Bewertungen

Lebenslauf

Qais Akbar Omar entstammt einer Familie von Teppichhändlern, deren Geschäft er in vierter Generation leitet. Er studierte Journalismus an der Universität in Kabul und war Co-Regisseur und Dolmetscher Produktion der afghanischen Fassung von Shakespeares Verlorene Liebesmüh. 2007 war er Gastdozent an der Universität in Colorado. Er lebt als Autor in Kabul.

Quelle: Verlag / vlb

Alle Bücher von Qais Akbar Omar

Cover des Buches Die Festung der neun Türme (ISBN: 9783570101674)

Die Festung der neun Türme

 (7)
Erschienen am 25.08.2014

Neue Rezensionen zu Qais Akbar Omar

Cover des Buches Die Festung der neun Türme (ISBN: 9783570101674)
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Rezension zu "Die Festung der neun Türme" von Qais Akbar Omar

Ein wichtiges Buch, bewegend und lehrreich
PMelittaMvor 8 Jahren

Der Autor, 1982 in Kabul geboren, berichtet von seinem Leben in Afghanistan. Er stammt aus einer gebildeten, wohlhabenden Familie, der Vater, ein ehemaliger Preisboxer, ist nun als Lehrer tätig und, zusammen mit seinem eigenen Vater, als Teppichhändler, die Mutter arbeitet bei einer Bank. Qais ist der älteste Sohn, die Familie lebt im Haus des Großvaters, zusammen mit diesem und dessen anderen Söhnen und deren Familien, es ist ein glückliches Leben, das jäh eine Änderung erfährt.

Nach dem Vertreiben der Russen zerfallen die Mudschaheddin in einzelne Fraktionen und bekämpfen sich untereinander. Das Haus der Familie des Autors liegt mitten in einer stark umkämpften Gegend, das Leben dort wird lebensgefährlich, so dass die Familie eines Tages beschließt, es zu verlassen und in eine friedlichere Gegend Kabuls umzusiedeln, in die Festung der neun Türme, die einem Freund der Familie gehört. Die Kämpfe weiten sich jedoch aus, es gibt Heckenschützen und Bomben, bald ist man nirgends mehr in Kabul sicher. Mehrfach versucht die Familie Afghanistan zu verlassen, doch es gelingt nie, mal flammen auf der geplanten Route Kämpfe auf, mal geht das ganze Geld verloren. Schließlich gelingt es den Taliban, die Hoheit über das Land zu erringen, die Kämpfe hören auf, aber es gibt nun willkürliche Verhaftungen, restriktive Gesetze, Auspeitschungen, Steinigungen, das Leben ändert sich wieder, doch nicht wirklich zum Besseren.

„Politik ist im Grunde nichts als eine Sammlung von Lügen“ (S. 37)

Qais Akbar Omar erzählt von seiner Kindheit und Jugend in einem Land, das Schlimmes durchmachen muss, in meist sehr sachlicher Form, selbst wenn er Schreckliches erlebt, um sein Leben fürchten muss. Bei aller Sachlichkeit merkt man als Leser aber immer, wie betroffen Qais ist. Nur selten wird er emotional, nämlich dann, wenn er einen geliebten Menschen verliert. Das Erlebte muss den Autor traumatisiert haben und es war sicher nicht einfach, davon zu berichten. Eine gewisse Distanz zum Erlebten aufzubauen, machte es sicher einfacher. Hin und wieder hat man auch das Gefühl, dass die Erzählung leicht ins Übertriebene, sogar leicht Märchenhafte, abdriftet (inwieweit das tatsächlich so ist, kann ich jedoch nicht beurteilen). Doch schnell landet sie wieder auf dem Boden der Tatsachen, bei sinnloser Gewalt und überbordendem Machtverhalten.

„Eine gebrochene Hand kann noch etwas ausrichten, ein gebrochenes Herz aber nicht“ (S. 79)

Doch er erzählt nicht nur von den Schrecken, die er erlebt, es gibt auch Besseres, Schöneres zu berichten, der Zusammenhalt der Familie, die Liebe des Großvaters, Zeiten, in denen die Familie sich etwas erholen kann, auch davon berichtet er. Dazu erfährt der Leser Einiges über das Leben in Afghanistan, über die Menschen, ihre Kultur, ihre Religion und ihre Geschichte. Der politische Überbau bleibt eher nebensächlich, wie er es für den Erzähler damals sicher auch war, nur die Auswirkungen sind zu spüren, das ist schlimm genug. So ist sein Bericht nicht nur autobiografisch, er erzählt im Grunde die Geschichte vieler Afghanen jener Zeit, wie er es auch selbst im Nachwort schreibt.

„Der Tod zerstört nur den Käfig, aber nicht den Vogel darin“ (S. 112)


Bei aller Grausamkeit, die nun einmal Bestandteil der Erzählung ist, sein muss, lässt es sich sehr gut lesen. Der Autor hat seinen eigenen Sprachstil, der gut zur Erzählung passt. Erzählt wird, wie schon erwähnt, eher sachlich, aber dennoch eindringlich, bewegend und bildhaft. Am Ende erfährt der Leser dann noch, was aus den überlebenden Familienmitgliedern wurde.

„Gute Zeiten und schlechte Zeiten haben etwas gemeinsam … Beide dauern nicht ewig“ (S. 190)

Ich persönlich habe viel über Afghanistan, ein Land, das seit vielen Jahren zwar oft in den Nachrichten erwähnt wird, über das ich bislang aber wenig wusste, gelernt. Eine große Hilfe sind die Karten, die das Buch einleiten und die einen guten Überblick bieten. Für mich ist „Die Festung der neun Türme“ ein interessantes und wichtiges Buch, das ich jedem ans Herz legen möchte.  

Cover des Buches Die Festung der neun Türme (ISBN: 9783570101674)
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Rezension zu "Die Festung der neun Türme" von Qais Akbar Omar

Leiden und Freuden einer Familie in Afghanistan
Buchperlentauchervor 8 Jahren

Wenig erfährt man aus den Medien über Afghanistan. Meist sind es erschreckende Bilder über Gewalt und Terror in diesem Land. Qais Akbar Omar zeigt auch die andere Seite. Gastfreundschaft, Alltag, Landschaften, Familienleben usw. Leider muss der Autor auch darüber berichten, wie immer wieder Einheimische und Fremde mit äußerster Brutalität gegenüber Frauen, Männern und Kinder vorgehen. Auch seine Familie muss immer wieder flüchten. Ein Buch, dass nicht nur einen Teilbereich eines Landes zeigt, sondern  viele Facetten. 

Cover des Buches Die Festung der neun Türme (ISBN: 9783570101674)
M

Rezension zu "Die Festung der neun Türme" von Qais Akbar Omar

Zerstörung eines Landes und seines Lebens
M.Lehmann-Papevor 10 Jahren

Zerstörung eines Landes und seines Lebens

Es war ein „ganz normales“, durchaus zivilisiertes und modern anmutendes, Leben, in dem Quais Akbar Omar aufgewachsen ist und dass er als heranwachsender junger Mensch kenngelernt hat.

„Meine Mutter trägt ihren kurzen Rock; sie sitzt in ihrem Büro in der Bank und bedient eine lange Warteschlange von Kunden. Sie genießt Respekt, weil sie sich im Bankwesen auskennt und immer eine Lösung für die Probleme der Menschen findet“.

Eine Frau. Im Beruf. Respektiert auch von den Männern der Stadt. Kurzer Rock. In Kabul.

Der Vater „brettert“ mit seinen langen Haaren auf dem Motorrad durch die Stadt.

Eine Stadt, die lebendig ist, die blüht und in deren besserem Viertel die gesamte Familie lebt. Auf einem Grundstück des Großvaters mit Obstbäumen, Wohnhäusern, dem großen Teppichgeschäft, welches die Familie betreibt.

Und dann Trümmer, Chaos, Staub, über Zeiten hinweg vollverschleierte Frauen, Mädchen vom Schulunterricht ausgeschlossen. Terror, Krieg. Lange bevor Amerika Terroristen in den Bergen Afghanistans jagte.

Als die Russen sich zurückzogen beginnt es. Die War-Lords übernehmen die Macht. Plünderungen beginnen, Kämpfe, von denen auch die Familie Omar betroffen wird.

Und es wird noch viel schlimmer werden.

„Wir haben keine Fotos. Es war zu riskant, sie während der Herrschaft der Taliban aufzubewahren……. Aber die Erinnerung daran, wie unser Leben war, bevor die Hoffnung aus Afghanistan verschwand, ist uns deutlich und klar erhalten geblieben“.

In teils surrealen Momenten beginnt die Familie ihre Flucht. In voll beladenen PKW. Fährt aus dem umkämpften Stadtteil, der in Krieg und Angst versinkt nur über einen kleinen Hügel, um wieder mitten im normalen Leben in Kabul zu sein.
Das „alte Afghanistan“, in dem es sich ruhig und sicher leben ließ und direkt daneben das beginnende „neue Afghanistan“, in dem nur noch Angst und Terror herrschen.

Quais Akbar Omar erzählt von der Flucht, dem Versuch, sich zu retten (wenn schon die eigene Habe verloren geht), von der Irrfahrt (teils auch zu Fuß) durch den Norden des Landes, von Auflösung der alten Ordnung, von den Taliban, von ständigen Angst und gefahrvollen Momenten, von möglichem Verrat und Unterstützung, vom Versuch, irgendwie am Leben zu bleiben in diesen Jahren, vom nomadischen Dasein in unwirtlichen Gegenden und vielem mehr.

„Kabul ist zu einem sehr staubigen Ort geworden“, und das nicht nur im wörtlichen Sinne, so sinniert Omar zu Beginn des Buches über seine Heimat.
Einer, der sagen kann: „Ich habe noch meine beiden Arme und Beine, was im mit Minen übersäten Afghanistan schon etwas heißen will“. Und einer, der vor Ort ist und bleibt. Mit Hoffnung, aber eben auch einer harten Geschichte, die er als junger Mensch zwar auch von ihrer abenteuerlichen Seite her erlebt hat (und davon berichtet), die nichtsdestotrotz das gesamte Leben verändert hat.

Ruhig und sachlich, beschreibend im Ton, ohne Pathos oder viel Aufheben und darum umso treffender und eindringlicher führt Omar in seinen Erinnerungen der Welt vor Augen, was einen Untergang einer Zivilisation ausmacht. Wie es beginnt. Was fundamentalistische Haltungen aller Coleur für zerstörende Folgen haben.

Und er führt eine Kultur vor Augen, die im „freien Westen“ bestenfalls aus Nachrichten her gekannt ist. Eine Lebensweise, für die er die Augen öffnet, auch einen Islam, der liberal und menschenzugewendet durch ihn repräsentiert wird. Ein Afghanistan, das es „auch einmal“ gab. Und das es wiedergeben könnte.

„Mein Vater war der dritte Sohn. Wie auch alle meine Onkel hatte er nur eine Frau. In unserer Familie war es nicht üblich, mehr als eine Frau zu haben“.

Und dennoch ist die Religion und der Glaube lebendig zu spüren in diesen Erinnerungen. Ein vielleicht Nebenaspekt des Buches, aber ein wichtiges Moment, einfach zu sehen, wie der „normale islamische Bürger“ sein Leben und seinen Glauben ganz alltäglich durchaus ohne ständige Scharia Drohungen oder Repressionen lebte und leben will (so man ihn lässt).

Eine Geschichte auch, wie es immer wieder radikale Minderheiten sind, die ganze Landstriche und Länder in Angst und Schrecken versetzen und ihren Willen gewaltsam (zum Schaden aller) durchsetzen. Ein Druck, der auch im Afghanistan der Gegenwart weiterhin droht und spürbar im Raum steht.

„Leser und Leserinnen außerhalb von Afghanistan mögen sich vielleicht wundern, warum ich….so wenig Eigennamen meiner Familie preisgebe. Meine Landsleute jedoch werden dies verstehen.

Eine hervorragend, lebendig erzählte, dichte und wichtige Lektüre. 

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