Cover des Buches Mein Vater, der Deserteur (ISBN: 9783552062566)
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Rezension zu Mein Vater, der Deserteur von René Freund

Eine bewegende Familiengeschichte

von Marion22 vor 9 Jahren

Rezension

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Marion22vor 9 Jahren

Paris, August 1944. Die Stadt ist von Hitlers Wehrmacht besetzt, doch die Tage der deutschen Herrschaft sind gezählt. Gerhard Freund ist achtzehn, als er zur Wehrmacht eingezogen wird; Mitte August 1944 soll seine Einheit an der Schlacht um Paris teilnehmen. Der junge Soldat erlebt die sinnlose Brutalität des Kampfes und desertiert. Er wird von der Résistance festgenommen und von amerikanischen Soldaten vor der Erschießung gerettet. Mehr als sechzig Jahre später liest René Freund das Kriegstagebuch seines verstorbenen Vaters, stöbert in Archiven, spricht mit Zeitzeugen und fährt nach Paris, auf der Suche nach einem schärferen Bild von seinem Vater – und der eigenen Familiengeschichte.


René Freund nimmt mich in diesem bewegenden Buch auf eine spannende und sehr emotionale Reise in die Vergangenheit aber auch in die Gegenwart mit.
Er gibt sehr private Einblicke in seine Familie preis. Dabei wird unter anderem auch sehr deutlich wie unterschiedlich einzelne Zeitzeugen, die das gleiche erlebt haben mit diesen Ereignissen umgehen und sie verarbeitet haben.
Das Tagebuch von René Freunds Vater, der in den letzten Kriegswirren eingezogen wurde, zeugt von einer Reife, einer sprachlichen Gewandtheit und teilweise einer Ironie, die mich verblüffte.
Der junge Gerhard wird im August 1944 an die Front geschickt. Schnell wird ihm klar, dass der Krieg nicht mehr zu gewinnen ist und zusammen mit einem väterlichen Freund den er „Papa“ nennt desertiert er. Mehr als einmal gerät er dadurch in Gefahr, leidet Hunger und die Grausamkeiten die er zu Gesicht bekommt werden ihn für immer begleiten.
René Freund will mehr über die Aufzeichnungen erfahren. Leider kann er seinen Vater nicht mehr selber befragen, da dieser schon früh verstorben ist. Viele Fragen sind da und René sucht nach Antworten in dem er die Orte in Frankreich aufsucht, in denen sein Vater war.
Zusammen mit seiner Frau und seinen Kindern fährt er in die Normandie und nach Omaha-Beach.
Sie suchen Gedenkstätten auf und René zeichnet ein Bild, welches den Krieg in seiner ganzen Grausamkeit wieder auferstehen lässt.
Nach Ende des Krieges hat sein Vater noch eine grandiose Karriere gemacht. Bis zu seinem Tod war er Intendant der Wiener Festwochen. Ein Mann, der nach dem Krieg aber auch zu einem unruhigen Menschen wurde, der unter Bluthochdruck litt und Kettenraucher war.
Lag die Ruhelosigkeit darin, dass er, wenn er zu Sillstand und Nachdenken gekommen wäre das Grauen nicht ausgehalten hätte?
Mich hat das Buch sehr bewegt und ich finde es beeindruckend, wie viele tiefe Einblicke René Freund mir in sein privates Leben, in seine Fragen, Zweifel und Sehnsüchte gegeben hat.
Ich denke vielen Menschen liegt es auf der Zunge ihre Eltern oder Großeltern über dieses Thema zu befragen. Doch aus Scham und Rücksicht wird genau dies oft nicht getan. Keiner möchte das Trauma bei seinen Eltern etc. wieder herauf holen. Traut man sich doch, kann es sein, dass man keine Antwort erhält, denn zu aufwühlenden wäre es für den Betroffenen sich die Zeit wieder in die Erinnerung zu holen.
Gerade darum ist dieses Buch wichtig. Zeitzeugen werden immer weniger. Doch die nächsten Generationen könnten durch diese Erfahrungen einiges an ihren Eltern und Großeltern besser verstehen.

Klare Leseempfehlung.
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