Rezension zu "Hotel Mirage oder wo man Elefanten nicht beim Schlafen stört" von Robert Glancy
Diese Rezension ist eine Kopie des Originals auf tasmetu.de
Als ich das Buch zum ersten Mal sah, wusste ich, dass ich es lesen musste. Ein fiktiver und liebevoll verrückter Unrechtstaat in Afrika, mit dem neunjährigen Charlie als Hauptperson und einem Attentat als Plot klang in meinen Augen absolut fantastisch. Allerdings war es nicht ganz das, was ich erwartet habe.
Die Grundidee des Buches klang vielversprechend und ich habe mir sympathische, ein wenig durchgeknallte Charaktere und unterschwellige Gesellschaftskritik erhofft. Leider gabs das gar nicht. Ich habe für keinen einzigen der Charaktere etwas empfunden, nicht einmal für Charlie, obwohl er der Einzige war, den ich überhaupt mochte. Der Rest war einfach nur ziemlich unsympathisch und das lag nicht nur daran, dass der eine seine Frau geschlagen und ein anderer regelmäßig die wundervollen Wildtiere Afrika geschossen hat.
Man wird gleich zu Beginn mitten in einer Geschichte geworfen, die man den Großteil des Buches überhaupt nicht versteht. Es sind unglaubliche viele, unterschiedliche Charaktere, die zu Wort kommen und die alle irgendwie zusammenhängen, aber irgendwie auch nicht und das Ganze wird dann noch mit lauter unbekannten Ausdrücken gewürzt, für die es dringend einen Glossar gebraucht hätte. Laut Klappentext steht Charlie im Vordergrund, aber im Endeffekt stellt er einfach nur den Punkt da, an dem alle Fäden der Handlung zusammen laufen, obwohl er selbst nichts damit zu tun hat. Die Mischung der Charaktere hätte interessant werden können, aber Glancy scheitert daran, sie zusammenzuführen und ihnen diese magische Mischung aus Liebe und Leben einzuhauchen, die es für ein gutes Buch braucht.
Es war eins dieser Bücher, die einen unterhalten sollen, aber es nicht wirklich schaffen. Stattdessen fühlt man sich die ganze Zeit unwohl, wie in einem zu engen, kratzigen Pullover, der eigentlich das neue Lieblingsteil im Schrank werden sollte. Die Stimmung ist nicht düster und auch nicht spannend, aber eben auch nicht fröhlich und mitreißend. Sie ist einfach… unbequem. Ein anderes Wort fällt mir dafür nicht ein. Man windet sich so ein wenig durch dieses Buch, wartet darauf, dass endlich das große Ereignis oder eine Wende kommt, die die eigene Meinung ändert, aber es kommt einfach nichts. Irgendwann kommt zwar das, auf was man das ganze Buch über vorbereitet wird, aber genau weil man es schon die ganze Zeit wusste, ist auch das nicht mehr überraschend oder spannend. Während man in diesem Moment eigentlich gefesselt lesen sollte, las ich nur deshalb schnell weiter, um das Buch endlich zu beenden. Bis zum Schluss habe ich nicht alle Zusammenhänge verstanden und fragte mich immer noch, was die einzelnen Charaktere eigentlich für eine Funktion in der Gesamtstory hatten. Auch was genau der Untertitel eigentlich mit dem Buch zu tun hat, ist mir bis jetzt noch ein absolutes Rätsel. Der englische Titel „Please do not disturb“ hätte hier besser gepasst.
Aber es war nicht nur schlecht, auch wenn das bisher so klingt. Der Schreibstil war zwar nicht atemberaubend, aber trotzdem gut und flüssig. Und man erfährt dank Charlie einige sehr interessante Fakten über das Tierreich, die diese Geschichte immer wieder aufgelockert haben. Ohne Charlie hätte ich das Buch vermutlich abgebrochen. Nur weil er immer wieder für einen erfrischenden Perspektivenwechsel gesorgt hat, blieb ich dabei. Auch die doch recht kryptische Gesellschafftskritik hat mir gefallen, auch wenn er diese noch etwas deutlicher formulieren hätte können. Es fühlte sich an manchen Stellen so an, als wüsste der Autor selbst nicht so ganz, in welche Richtung er mit seiner unterschwelligen Kritik gehen wollte.
Das Buch hat mich zwar insgesamt ein wenig enttäuscht, war aber trotzdem ganz nett für zwischendurch. Ich denke ein Glossar mit Begriffen und Personen wäre hier außerordentlich hilfreich gewesen. Für andere ist dieses Buch bestimmt ein Genuss, für mich leider etwas schlechter als mittelmäßig.