Cover des Buches Wächter der Nacht (ISBN: 9783898975247)
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Rezension zu Wächter der Nacht von Sergej Lukianenko

Neulich in Moskau...

von Rheinzwitter vor 8 Jahren

Kurzmeinung: Spannungsbogen eher flach, glaubwürdige Charaktere, Protagonist erschöpfend reflektierend. Insgesamt nicht so schlecht, wie oft kolportiert.

Rezension

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Rheinzwittervor 8 Jahren
Stellen Sie sich vor, die Geschicke der Menschen lenkten seit jeher nicht wir selbst, sondern magiebegabte Wesen.

Je nach Gesinnung den Lichten oder – Sie ahnen es – den Dunklen zugehörig, bewegen sich, verborgen hinter einer Tarnexistenz, die selbsternannten Anderen mitten unter uns: Der missgünstige Kollege, die freundliche Nachbarin – wer ist hinter den Kulissen der Wohlgesinnte?

Lichte und Dunkle belauern sich – sondierend auf Chancen für eigene Reihen, patrouillieren sie Tag und Nacht durch Städte und Provinzen, jeden Übertritt der feindlichen Seite protokollierend, jede Beeinflussung, die zugunsten oder zulasten eines Menschen gehen könnte, einzig und allein, den Status Quo zu festigen: einen Jahrzehnte andauernden Waffenstillstand zwischen den Kräften, vor den Augen der Welt geschützt hinter der Fassade zweier bürokratischer Organisationen.

Anton ist Fußsoldat im Dienste der Wächter der Nacht und erst seit Kurzem zur Ausbildung im Außendienst unterwegs, als er auf der Suche nach seiner eigentlichen Aufgabe in der Moskauer Metro über eine Frau stolpert, auf der im Wortsinne ein Fluch lastet. Anton versucht sich an einem Gegenzauber, muss sich aber eingestehen, dass seine Kräfte als Anfänger beileibe nicht ausreichen. Er protokolliert den Vorfall gedanklich und lässt die Frau ziehen, um sich seiner Aufgabe zu widmen, die ihm in der Gestalt eines Jungen über den Weg läuft, der einem lockenden Ruf folgend in sein Verderben rennen könnte.

Er kann den Jungen retten. Fatalerweise hat Anton mit seinen Taten Grenzüberschreitungen begangen, nichtsahnend, dass die Schicksale beider Opfer schon längst verknüpft sind und er nur eine Schachfigur ist in einem Ränkespiel, in dem er bald nicht mehr weiß, wem er trauen kann, wem er gehorchen muss, wem er folgen will.

Mit einem bunten Panoptikum an Figuren in einem durchdachten Machtgefüge kann der Autor in diesem ersten Teil aufwarten, außerdem mit einem bis dato ungewöhnlichen Schauplatz, nämlich Moskau, eingebettet in der literarischen Gegenwart, was man heute wohl Urban-Fantasy nennt.

Leider neigt seine Hauptfigur zum ewigen Parlieren über Gut und Böse.

Dompteur Lukianenko scheucht seine Zirkuspferde immer wieder in die Manege, treibt sie in den Galopp, nur um dann brr, brr zu rufen und im Schritttempo einen philosophischen Diskurs dazwischenzuschieben – die Nummer könnte ja sonst Tempo aufnehmen–, aber von den Rängen möchte man fordern: Lass doch endlich die Zügel schießen!

Weniger Reflexion, mehr Handlung, und das Buch wäre ein Kandidat für vier Sterne geworden.

Am Ende der Vorstellung bleibt als Fazit eine etwas fußlahme Pirsch in Fantasymanier mit streckenweise Potenzial für einen 200-Meter–Lauf.

Sie glauben, das sind schiefe Bilder?
Anton: "Wie wohl vierzig Jahre alter Kognac zu einer leicht gesalzenen Gurke steht? Wahrscheinlich wären beide etwas befangen."

Nun ja.

Die 100-Meter muss Lukianenko also einem Dan Simmons überlassen, oder Charlie Huston, Eoin Colfer, Joe Hill, Cronin...
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