Cover des Buches Mordsmöwen (ISBN: 9783954511358)
Cappuccino-Mamas avatar
Rezension zu Mordsmöwen von Sina Beerwald

Wer heutzutage so alles ermittelt...

von Cappuccino-Mama vor 11 Jahren

Rezension

Cappuccino-Mamas avatar
Cappuccino-Mamavor 11 Jahren

...es gibt ja fast nichts mehr, was es nicht gibt: Schafskrimis (ich denke da jetzt speziell an GLENKILL), Bücher, in denen Hunde ermitteln, oder wahlweise auch Katzen. Passend zur Insel Sylt, ermitteln nun auch Möwen. Nicht nur eine, sondern gleich eine ganze Möwenbande...


Das Cover:

Das Cover ist matt gehalten, lediglich der weiße Streifen, auf dem sich der Titel befindet, ist glänzend gestaltet. Wie bei den Krimis des Emons-Verlags üblich, sind auch hier die Buchstaben des Buchtitels orangefarbig und gleichzeitig erhaben gestaltet, was immer sehr schön zur Geltung kommt, hat man das Buch vor sich liegen.

Als Motiv wurde diesmal eine Piratenflagge ausgewählt – schon ziemlich zerrissen durch den Sturm, der auf den Weltmeeren (rund um Sylt) herrscht. Der obligatorische Totenkopf befindet sich auf der schwarzen Flagge, dahinter zwei gekreuzte Knochen. Der Totenkopf trägt ein rotes Kopftuch und eine Augenklappe und er lächelt. Unter der Flagge sieht man, passend zur Thematik und zum Titel eine Möwe. Insgesamt wirkt das Bild verschwommen, wirkt aber dadurch auch recht stimmungsvoll. Mir jedenfalls gefällt das Cover sehr gut und ich empfinde es als gelungen und passend zu einem humorvollen Krimi.


Die Handlung:

Aufregung herrscht bei der Sylter Möwenbande rund um ihren altgedienten Anführer Baron Silver de Luft – Knut, der Besitzer der Crêpes-Bude ist spurlos verschwunden. Doch was geschah mit Knut? Wurde er entführt, ist er ertrunken, oder wurde er am Ende gar ermordet? Eines ist klar, die Möwen müssen ermitteln, denn wie sollen sie nur ohne das heißgeliebte Essen ihres „Stammlokals“ auskommen, das Knut stets so hervorragend zubereitet hat und das sie so gerne im Sturzflug von den ahnungslosen Touristen erbeuten?

Natürlich laufen die Ermittlungen nicht problemlos ab, ist die diebische Möwenbande doch bei den Menschen, aufgrund ihrer Gaunereien, nicht gerade beliebt. Werden die Möwen mit ihrer eigens gegründeten „Schoko-Crêpes“ den Fall lösen können?


Die Möwen:

Neun Möwen müsst ihr sein...

Ahoi, die Möwe mit dem seemännischen Namen ist der Späher der Möwenbande und steht im Mittelpunkt des Geschehens. Er ist Hals über Kopf verliebt in die Möwendame Suzette, doch leider beschert ihm die unerwiderte Liebe einen gewaltigen Liebeskummer. Doch Ahoi hat auf der Hallig Hooge ein Nest geerbt und könnte daher alle Zelte hinter sich abbrechen und Sylt verlassen. Zudem leben auf der Hallig Ahois Verwandte, so sein Bruder und die Mutter, aber auch Ahois fürsorgliche Tante. Stattdessen betäubt sich Ahoi erst einmal mit Alkohol – ob das so klug ist?

Baron Silver de Luft: Er ist der „Scheff“ der Möwenbande und sein Großvater war Hauptfischwebel im zweiten Möwenkrieg. Ihm zum Gedenken trägt der alte, sehr kurzsichtige Möwenherr nun dessen Helm auf seinem edlen Möwenhaupt. Böse Zungen behaupten allerdings, der Helm wäre nur eine ordinäre, rostige Thunfischdose. Die Kurzsichtigkeit des „Scheffs“ hat mitunter jedoch verheerende Folgen - Unfälle sind so vorprogrammiert, oder man erkennt manche Dinge einfach nicht richtig und es kommt zu Verwechslungen. Blöd nur, wenn an Glasscheiben dieser Schwarzer-Raubvogel-schreckt-andere-Vögel-ab-Aufkleber fehlt. Ob man da den Besitzer wohl auf Schmerzensheringe verklagen kann?

Harry: Harry ist alleinerziehender Vater einer pubertierenden Jungmöwe. Er hat die beeindruckende Flügelspannweite von 1,60 m und war früher Türsteher bei einer Bäckerei. Dennoch hat Harry ein weiches Herz und ist ein fürsorglicher, aber auch nachsichtiger Möwenvater, der seinem Sohn einiges durchgehen lässt.

Grey: Er ist der Sohn von Harry und die Jungmöwe im Team. Leider hat er noch allerlei Blödsinn im Sinn.

Suzette: Sie ist die Herzdame des verliebten Ahoi. Doch leider lässt sie sich gerne auch vom vermögenden Mogulis umgarnen, der die reichste Möwe von ganz Sylt ist. Da kann Ahoi leider nicht mithalten. Oder ist Mogulis etwa nur ein Hochstapler?

Jonathan: Gutaussehend und sehr auf sein Aussehen bedacht und trotzdem noch zu haben. Er träumt von einer Karriere als internationales Model. Doch trotz seiner Fähigkeiten als Teilzeitbrutpfleger ging er bislang noch keine Beziehung zu einer Möwendame ein. An was das wohl liegen mag? Ich hatte da ja schon einen ganz konkreten Verdacht...

Helgi: Kein Einheimischer, sondern ein Möwenmann, der mittels Schallwellen von seiner Heimatinsel Helgoland verjagt wurde.

Balthasar: Möwe Balthasar ist schlau – klar, er ist deshalb gebildet, weil er eine Unität besucht und dort während der drei Silvester seines Studiums viel gelernt hat. Ich habe mich immer wieder über ihn amüsiert, z.B. wenn er sich eifrig als Fremdenführer versucht hat. Blöd nur, dass das alles in Menschenohren nicht als Information ankam, sondern lediglich als Möwengeschrei. Dabei erklärten die anderen Möwen doch immer wieder, dass Menschen die Sprache der Möwen nicht verstehen würden.

Alki: Er hat ein kleines Problem – am besten schmecken doch die Getränke der Menschen. Aber eines ist klar, so kann es nicht weitergehen. Alki muss sich seinem Alkoholproblem stellen und eine Entziehungskur machen.

...und dann ist da noch Mensch-Knut. Er ist der Crêpes-Dealer der Möwen, denn Möwen sind ganz wild auf „Menschenessen“. Und besonders auf die Leckerei von Knut wollen sie auf gar keinen Fall verzichten. Ganz klar, dass es für die Möwen von größtem Interesse ist, dass „ihr“ Mensch wieder auftaucht.


Meine Meinung:

Sina Beerwald, geboren 1977 in Stuttgart, kannte ich bereits als Autorin des Thrillers HYPNOSE, der wohl eines der bekanntesten Bücher der Autorin ist, vor allem schrieb Sina Beerwald allerdings bislang historische Romane. Die gebürtige Schwäbin ist vor ca. 5 Jahren nach Sylt ausgewandert, wo sie sich ganz der Schriftstellerei widmet. Nach dem Thriller HYPNOSE schlägt sie nun bei ihrem ersten Sylter Möwenkrimi sanftere Töne an.

Aber soviel kann ich sagen, unterhalten hat mich dieser Krimi doch tierisch gut. Geschrieben hat Sina Beerwald dieses Buch aus der Sicht der Möwe Ahoi, wodurch es einen besonderen Charme erhält. Und so manches bereitet den tierischen Ermittlern Kopfzerbrechen. So wie bei dem nun folgenden Ereignis: Plötzlich taucht Knut dann auch tatsächlich wohlbehalten auf – allerdings an einem anderen Ort, als vermutet. Was macht Knut in einem Surfshop? Weshalb lässt er seinen Crêpes-Stand (und damit auch die Möwen) einfach so im Stich?

Doch schnell stellt sich heraus, dass dieser Mann, der Knut so auffallend ähnlich sieht, dessen Bruder Sönke ist. Knuts Mutter indessen geht es sehr schlecht. Der Sohn verschwunden und dann ist die alte Frau zu allem Übel auch noch totkrank. Das Schicksal meint es nicht gut mit der alten Frau. Aber auch einige Kleinkriminelle haben ihre Finger mit im Spiel. Haben sie auch etwas mit Knuts Verschwinden zu tun?

Doch weshalb ist Knut nun eigentlich verschwunden? Da gibt es einen mysteriösen Abschiedsbrief, den Knut vor seinem angeblichen Selbstmord verfasst hat, in dem er die Möwen beschuldigt, schuld an seiner finanziellen Lage zu sein. Doch welcher Selbstmörder bereitet vor so einer Tat noch Teig für Crêpes zu? Zudem gibt es ein geheimes Crêpesrezept – wollte sich jemand dieses Rezept verschaffen – zur Not auch mit Gewalt? Ich hatte ja gehofft, die Möwen hätten etwas falsch verstanden und Knut würde irgendwann wieder wohlbehalten auftauchen. Ob sich meine Hoffnungen wohl erfüllten?

Es ist klar, die Möwen im Buch wurden vermenschlicht und das ist bei einem humorvollen Buch auch vollkommen legitim. Sehr amüsant fand ich das Vokabular der Möwen – da wurden die zusammengebundenen Haare kurzerhand zu zusammengebundenen Federn, das Auto wiederum wurde zum Blechvogel mit Bauchklappe.

Aber auch sonst waren die Möwen sehr zeitgemäß ausgestattet. So hatte eine Möwe ein Smartphone, Sonnenbrillen waren ebenfalls angesagt und ein Navi findet ebenfalls seinen Einsatz bei der modernen Möwe von heute. Selbst bei den Gesetzen kannten die Möwen sich aus, und so wurde als Schmerzensgeld ein Hering gefordert. Und „natürlich“ liest eine interessierte Möwe von heute auch Zeitung – man muss ja auch als Möwe auf dem Laufenden sein. Man stelle sich das vor: Eine zeitungslesende Möwe mit Lesebrille auf dem Schnabel...

Sehr amüsiert habe ich mich auch über die Theorien der Möwen. Der ans Kreuz genagelte Jesus entspricht bei den Möwen dem heilige Albatros. Amüsant auch der Aufenthalt der Möwen in einem Gebäude des Heimatmuseums – wie kann möwe nur ein abgeschlossenes Gebäude wieder verlassen? Es gibt Saisonpartnerschaften, aber daraus kann durchaus auch eine Dauerbrutpartnerschaft werden. Hat man kein Vermögen, so erhält man als mittellose Möwe eine Möwenhilfe. Aus der Soko der Menschen wird bei den Möwen kurzerhand eine Schoko, die sie gründen. Doch so eine Kommunikation zwischen Möwe und Mensch erweist sich mitunter als äußerst problematisch. Wie teilt möwe sich nur dem Menschen mit? Man darf gespannt sein.

Ahoi, die Möwe und Knut der Mensch – beide haben so einiges gemeinsam, wie ich im Laufe der Handlung feststellen konnte – angefangen bei den Frauen, bis hin zum Bruder und der Mutter. Doch mehr verrate ich an dieser Stelle nicht. Die Aufklärung des Falles war jedenfalls sehr originell und gefiel mir ausgesprochen gut. Im Krimi gab es so einige überraschende Wendungen, manche schockierende Details kamen auch ans Tageslicht – kurzum: Die Handlung bot ausreichend Abwechslung. Doch nicht immer herrscht eitel Sonnenschein – immer wieder droht die Möwenbande auseinanderzubrechen.

Lokalkolorit war im Buch reichlich vorhanden, was ich immer sehr gut finde. Selbst die auf Sylt bekannte Kegelrobbe Willi, der eigentlich weiblich ist, bekam eine Rolle auf den kugeligen Leib geschrieben. Aber auch kritische Themen wurden angesprochen, so zum Beispiel die sozialen Verhältnisse auf der Insel, die ja Dank der vielen Promis, die sich dort des Öfteren aufhalten, als Insel der Schönen und Reichen gilt, und daher bekanntlich eine recht „teure“ Insel ist. Da spricht man nicht gerne über Missstände, die aber auch auf Sylt vorhanden sind.

Kritik? Eigentlich bin ich rundum zufrieden mit dem Buch, insofern gibt es weniger zu kritisieren, als vielmehr eine kleine Anregung: Eine Karte von Sylt hätte ich mir mitunter gewünscht, damit man einen Überblick über die Lage der einzelnen Handlungsorte hat. Sehr gut fand ich das „Personen“verzeichnis zu Beginn des Buches. Hier werden die Möwen einzeln vorgestellt, was ich angesichts der Anzahl der Mitglieder dieser Möwenbande als sehr sinnvoll erachte. So kann man immer wieder nachsehen, wer hier eigentlich wer ist und was für Eigenarten derjenige hat. So verliert man auch nicht die Übersicht über die tierischen Hauptdarsteller.

Über einen weiteren Fall für die Sylter Möwenbande würde ich mich freuen, habe ich die geflügelten Gesellen doch in mein Herz geschlossen.


Fazit:

Ein humorvoller, tierisch guter Regionalkrimi, der locker-leicht und äußerst kurzweilig erzählt wurde. Die Protagonisten sind ungewöhnlich und - Möwe ist nicht gleich Möwe: Jede der Möwen hat so ihre Eigenarten und ihren ganz eigenen Charakter. Die Leser werden mit einem geflügelten Ermittlerteam vom Feinsten und amüsanten Wortschöpfungen überrascht. Spannend und auch für Leser geeignet, denen herkömmliche Krimis einfach zu brutal und zu blutig sind. Lokalkolorit ist vorhanden, so dass Sylt-Fans hier auf ihre Kosten kommen werden. Von mir gibt es eine absolute Leseempfehlung und ganz klare 5 Sterne.

Angehängte Bücher und Autor*innen einblenden (2)

Was ist LovelyBooks?

Über Bücher redet man gerne, empfiehlt sie seinen Freund*innen und Bekannten oder kritisiert sie, wenn sie einem nicht gefallen haben. LovelyBooks ist der Ort im Internet, an dem all das möglich ist - die Heimat für Buchliebhaber*innen und Lesebegeisterte. Schön, dass du hier bist!

Mehr Infos

Hol dir mehr von LovelyBooks