Cover des Buches Leo und das ganze Glück (ISBN: 9783789141805)
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Rezension zu Leo und das ganze Glück von Synne Lea

Ein Kinderbuch, das eigentlich kein Kinderbuch ist! Intensive Freundschaft u. dunkle Momente..

von Leselady vor 10 Jahren

Rezension

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Leseladyvor 10 Jahren
Mei und Leo sind Nachbarn und beste Freunde, teilen positive und dunkle Momente und fühlen sich am wohlsten in ihrem gemeinsamen, geheimen Baumhaus – allein, ohne Erwachsene!

Der zehnjährige Leo, der unter dem Handicap eines verkürzten Beines und unter einem Vater, der ihn immer wieder im dunklen Keller einsperrt, leidet, wird von Mei aus Letzterem regelmäßig befreit. Ansonsten hält sich Mei eher selten im und in der Nähe des Nachbarhauses auf, denn Leos Vater kann es einfach nicht lassen, die Kinder durch zweideutige Andeutungen zu belästigen, während Leos Mutter stets blass und nichtssagend im Hintergrund bleibt.

In ihrem geheimen Baumhaus können die Zehnjährigen alldem entfliehen, bis eines Tages auch hier die Idylle zerbricht, der Vater das Versteck entdeckt und so erneut im geschaffenen Schutzraum der Kinder übergriffig wird.
Von Stund` an, ist alles anders als zuvor und die Freundschaft der beiden Kinder wird auf eine harte Probe gestellt. Was nun...?

Informationen zu Buch, Verlag und Autorin:
• Gebundene Ausgabe: 192 Seiten
• Verlag: Oetinger (1. Oktober 2013)
• Sprache: Deutsch
• ISBN-10: 3789141801
• ISBN-13: 978-3789141805
• Vom Hersteller empfohlenes Alter: 10 - 12 Jahre
Quelle: http://www.amazon.de/o/ASIN/3789141801/lovebook-21

Synne Lea

© Yina Chan

1974 in Oslo/Norwegen geboren, hat bereits zwei Gedichtbände für Erwachsene veröffentlicht. »Leo und das ganze Glück« ist ihr erstes Kinderbuch und wurde von der skandinavischen Presse bereits als "ein kleines literarisches Meisterwerk" gelobt.

Auszeichnungen
1/2014 | Die besten 7 Bücher für junge Leser (DeutschlandRadio / Focus)
11/2013 | Eselsohr des Monats (Eselsohr)
Quelle: http://www.oetinger.de/buecher/neuerscheinungen/details/mitwirkend/1241805/16853/29726/Autor/Synne/Lea.html

Eindrücke / eigene Meinung:
Vom Buchhändler meines Vertrauens hoch gelobt und empfohlen, freute ich mich sehr auf „Leo und das ganze Glück“.

Bevor ich selbst zum Lesen kam, schnappte es sich ein Zehnjähriges Mädchen, reichte es mir aber auch schon nach wenigen Kapiteln empört und etwas verstört zurück. Warum.. begriff ich erst richtig, als ich es selbst las.
„Leo und das ganze Glück“ stellte sich – für mich! – als das schwerst zu rezensierende Kinderbuch 2013 heraus.

Es ist intensiv, es ist gefühlvoll, es trägt einen elektrisierend durch die Seiten und lässt einen nachdenklich und durchaus auch fassungslos zurück.

Das Cover ist enorm gut gelungen, es fängt die Geschichte mit all seinen Details ausnehmend gut ein und lässt sie durch seine Optik visuell sprechen. Ich denke jeder, der sich mit Synne Leas Geschichte beschäftigt hat, wird mir hier zustimmen. Im Buchladen oder der Bibliothek ist „Leo und das ganze Glück“ sicherlich ein Buch, das optisch angenehm auffällt und zu dem man gern greifen wird.

Die Sprache ist minimalistisch, aber filigran, gespeist mit vielen Metaphern und Gedankenansätzen und dadurch sehr besonders. Synne Leas Stil bietet durch ihre unzähligen feinen Andeutungen viel Raum, die Situationen und agierenden Menschen zu hinterfragen. Der Schreibstil trägt einen mal leicht, mal gedankenschwer durch diese außergewöhnliche Geschichte, fährt aber auch emotional Achterbahn mit dem Leser.

Warum also nur 2 Sterne?

Im Grunde blutet mir das Herz einer so intensiven Geschichte nur 2 Sterne zu vergeben, aber nur so kann ich zum Ausdruck bringen, was ich daran gravierend fahrlässig finde!

Was genau mit Leos Vater los ist, wird nie ganz klar geäußert, doch das hier wohl (auch) pädophile Neigungen vorliegen, springt einen fast durch die Zeilen an. Möglich wäre auch, dass er sich daran ergötzt zu erniedrigen oder Angst und Misstrauen zu säen.
Dieser Umstand ist aus dem Klappentext leider nicht mal ansatzweise ersichtlich und die Vorstellung, dass Kinder ab 10 Jahren freudig dieses Buch (ungefiltert und somit ohne jegliche Vorwarnung!) zu lesen beginnen und dann auf diesen Mann mit seinen zweifelhaften Neigungen stoßen, lässt mich auch im Nachhinein doch sehr erschaudern.

Ein paar Beispiele aus Kapitel 29:
„Na mein Mäuschen. Da bist Du ja. Wie kalt deine Wangen sind.“
....
„Seine Wangen an meinem Gesicht, er lässt sie eine Weile dort liegen.“
„Wenn du leise bist, kann ich dich ein bisschen wärmen“, flüstert er. „Mir gefällt gar nicht, was plötzlich geschieht.“
.....
„Meinetwegen darfst du die Augen gerne auflassen“, sagt er. „Du hast schöne Augen.“ „Sein Atem ist tief und groß und grau.“
.....
„Er hebt wieder die Hand, streicht mit einem Finger über meine Unterlippe. Der Finger ist viel wärmer als ich, so warm, dass es wehtut.“

Kapitel 29 geht für mich gar nicht in einem Kinderbuch!

Ich habe mir lange, lange, lange Gedanken über „Leo und das ganze Glück“ und seine Botschaft gemacht. Die Freundschaft der beiden Kinder ist wirklich außergewöhnlich, aber der dunkle Schatten des Vaters verdrängt (für mich!) leider diesen unglaublich guten Ansatz der Geschichte und den fantastischen Schreibstil von Synne Lea.

Es ist aber nicht nur der Vater, ich vermisse auch die Vorbildfunktion von Meis Eltern, die zwar präsent und gesprächsbereit sind, aber den Dingen nie auf den Grund gehen. Dass die Mutter offensichtlich mehr weiß oder vermutet, wie sie Mei gegenüber äußert, verschlimmert für mich nur den Eindruck der Gesamtsituation. Die Kinder haben sich selbst, aber im Grunde keine wirkliche Unterstützung von außen. Kein Erwachsener, der genauer hinsieht und konsequent einschreitet und sie schützt.

Dieses Buch sollte wirklich nur von reifen Jugendlichen, Kindern mit elterlicher Begleitung oder Erwachsenen gelesen werden. Es ist ein sehr wichtiges Thema, das es nicht totzuschweigen gilt, aber auch nicht ungefiltert und ohne entsprechenden Hinweis in Kinderhände gehört!

Vom Oetinger Verlag, den ich sehr schätze, würde ich mir wünschen, dass sich künftig auf dem Klappentext ein Hinweis wiederfindet, was einen thematisch im Buch erwartet.

Eine Lese-Empfehlung für „Leo und das ganze Glück“ kann ich deswegen nur äußerst eingeschränkt und mit etlichen (oben beschriebenen) Vorbehalten aussprechen!



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