Cover des Buches Hart auf hart (ISBN: 9783844518115)
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Rezension zu Hart auf hart von T. C. Boyle

Überall Feinde

von Ginevra vor 9 Jahren

Rezension

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Ginevravor 9 Jahren
Sten ist ein 70-jähriger Vietnam- Veteran, der im Urlaub mit seiner Reisegruppe in Costa Rica von Banditen überfallen wird. Geistesgegenwärtig zieht er seine Pistole - und erschießt einen der drei Gangster. Eigentlich schießt er nicht gerne, aber was hätte er tun sollen? Die ortsansässige Polizei und die Mitreisenden sehen es genauso: Sten wird zum erklärten Helden... auch seine Frau Carolee ist stolz auf ihn. Wieder zu Hause, streift er mit einem Freund durch die Wälder seines Distrikts, um Mexikaner in Schach zu halten, die dort ihre geheimen Drogenplantagen schützen.

Doch die eigentliche Hauptperson ist Adam, Stens ca. 22-jähriger Sohn, der an einer paranoiden Schizophrenie leidet. Er führt das Leben eines "Modernen Waldläufers", sein Vorbild ist der Trapper John Colter, dessen Konfrontationen mit indianischen Stämmen und Überlebensstrategien seine Gedankenwelt prägen. Adam nennt sich selbst "Colter" und hat mehrere "Basislager" im Wald versteckt, wo er Trockennahrung und Munition für den "Ernstfall" bereit hält.

Eines Tages trifft Adam auf die Außenseiterin Sara, eine Hufschmiedin, die ebenfalls leicht paranoid ist. Sie hat sich den "Sovereign Citizens" angeschlossen hat, einer Bürgerbewegung, die jegliche Form von Regierungsgewalt und Polizeiapparat ablehnt. Sara verliebt sich leidenschaftlich in den muskulösen und geheimnisvollen jungen Mann, obwohl sie fast 20 Jahre älter ist und ihm "Mutter und Geliebte zugleich" ist. Zusammen leben sie eine Zeitlang im Haus der unlängst verstorbenen Großmutter von Adam.
Als Sten das besagte Haus der Großmutter verkauft, verliert Adam jeglichen Halt und Bezug zur Realität - auch Sara kann diesen Prozess nicht aufhalten. Adam verschwindet in den Wäldern - und ein schreckliches Drama nimmt seinen Lauf...

Tom Coraghessan Boyle, geb. 1948 im Staat New York, zählt zu den erfolgreichsten und populärsten Gegenwartsschriftstellern Amerikas. Auch in Deutschland verfügt er über eine große Fangemeinde, da er als "sympathischer Entertainer mit Punk- Attitüden" gilt. In seinen zahlreichen Romanen setzt er sich mit gesellschaftspolitischen Themen und Umweltschutz auseinander. "Hart auf hart" basiert auf zwei realen Fällen, deren Polizeiakten er in Fort Bragg, Californien, dem Schauplatz seines Romans, vorfand.

Grundsätzlich gefällt mir T.C. Boyles Erzählstil sehr gut: er beschreibt anschaulich und mit originellen Bildern, spannende Ereignisse, die immer einen aktuellen Bezug haben. Stellenweise ist seine Sprache ziemlich "deftig", was sicher mich jedermanns(-fraus) Sache ist!
Boyles Figuren sind oft skurril, leicht überzogen, meistens sympathische Aussenseiter. Doch die sympathischen Züge können ins Gegenteil kippen...
Wer die Ironie und Gesellschaftskritik nicht erkennt, kann sich leicht mit dem eigenwilligen Adam identifizieren, der durch den Waffenbesitz zur tödlichen Gefahr wird - weil es ihm im "Land of the Free" zu leicht gemacht wird. Seine paranoide Welt wird so eindringlich und lebendig beschrieben, dass man rasch in den Sog hineingezogen werden kann - welcher Mann wäre nicht gerne im Innersten seines Herzens ein Trapper, unverwundbar, dauerpotent, mächtig und wild? Wer hat sich noch nie von Polizeikontrollen und strengen Vorschriften beeinträchtigt und herabgewürdigt gefühlt?
Gegen Ende des Romans werden Adams Gedanken so wirr und gewalttätig, dass sich hoffentlich jeder Leser davon distanziert.
T.C. Boyle gelingt auf beeindruckende Weise, zu zeigen, welche dramatischen Folgen der allzu liberale Umgang mit Waffen hat - vor allem, wenn sie in die falschen Hände gelangen. Mich hat vor allem erstaunt, wie detailliert und glaubwürdig er die Gedankenwelt eines paranoiden Menschen wiedergibt. Allerdings wurde mir das Ganze auf Dauer etwas zu düster und anstrengend.
Das Buch war mir vom Inhalt und vom Sprachstil her generell etwas zu "tough" - wie schon der Titel unmissverständlich vorwarnt. "Ein Freund der Erde" und "Water Music" waren da schon eher mein Fall...

Beim Hörbuch hat mir gefallen, dass der Vorleser August Diehl genau die passende Stimme hat! Er liest in einem realtiv raschen Tempo, gibt die Gefühle gut wieder, besonders Wut, Paranoia und Ärger - aber auch die zarteren Emotionen. Etwas gestört hat mich, dass er das Wort "Alien" ziemlich eigenwillig ausspricht, nämlich "Ällien". Aber daran habe ich mich dann nach 8 Stunden fast gewöhnt!

Fazit: ein etwas anstrengendes, aber lesenswertes Buch bzw. hörenswertes Hörvergnügen zu einem immer wieder topaktuellen Thema. Von mir 4 von 5 Sternen für einen meiner absoluten Lieblingsautoren!
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