Cover des Buches Pfaueninsel (ISBN: 9783462045994)
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Rezension zu Pfaueninsel von Thomas Hettche

Meisterwerk

von Saralonde vor 9 Jahren

Kurzmeinung: Meisterwerk

Rezension

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Saralondevor 9 Jahren

Berlin 1810. Die kleinwüchsige Marie und ihr ebenso kleinwüchsiger Bruder Christian leben als Teil des Hofes auf der Pfaueninsel, Marie ist offiziell ein “Schlossfräulein”. Eine Begegnung der beiden mit Königin Luise – und deren Reaktion – wird sie ihr Leben lang prägen. Marie lebt in der Familie des Hofgärtners Fintelmann und verliebt sich in dessen Neffen Gustav. Dieser erwidert ihre Liebe durchaus, doch mit ihrer Kleinwüchsigkeit kommt er nicht zurecht. Während der König die Pfaueninsel in eine Menagerie verwandelt, wird Marie immer mehr bewusst, dass auch sie ein Kuriosum ist, ein Überbleibsel einer vergangenen Epoche, als es noch Hofzwerge gab. Und die Veränderungen um sie herum nehmen kein Ende.

Thomas Hettche ist ein Meisterwerk gelungen, das nehme ich gleich vorweg. Auch wenn ich die anderen Bücher, die für den Deutschen Buchpreis nominiert waren, einschließlich des Siegertitels, nicht gelesen habe, ich kann mir kaum vorstellen, dass sie besser sein sollen. Historische Themen, die sich nicht mit dem 20. Jahrhundert beschäftigen, haben es nicht leicht, auch wenn sie in der wunderbarsten Sprache geschrieben und hochaktuell sind – weil sie uns die Vergänglichkeit und das, was uns zum Menschen macht, gekonnt vor Augen führen. Denn das ist Marie, ein hochempfindsamer Mensch, auch wenn Gustav es nicht schafft, sie als solchen anzuerkennen.

Ich habe dieses Buch sehr genossen, wirklich genossen, die leicht altertümliche Sprache, die an die Zeit angepasst ist, gehört zu dem schönsten, was ich je gelesen habe. Gleichzeitig liest sich diese Sprache jedoch absolut flüssig, ist für mich keineswegs “schwer”. Dazu kommt die wunderbare Ausstattung, der königliche Garten, in dem Alchimisten tätig waren, das Exotische einer Menagerie, in der nicht nur Tiere leben (und leiden) und von den Besuchern bewundert werden, sondern auch Menschen wie eben “Zwerge”, “Riesen” (wohl Überbleibsel der langen Kerls), “Mohren” und der Hawaiianer Maitey. Wie Thomas Hettche ganz richtig auf der Buchmesse äußerte, können wir überhaupt wirklich akurat Geschichte erzählen? Die Zeit, die Umstände, das Selbstverständnis, alles war so anders, dass jeder Versuch, über Geschichte zu schreiben, in gewissem Maße immer Fiktion sein muss. Können wir überhaupt einschätzen, wie ein Mensch dieser Epoche eine solche Menagerie und das Kuriosum einer Hofzwergin wahrgenommen haben muss? Der Glaubwürdigkeit der Charaktere des Romans tut dies keinen Abbruch. Insbesondere Marie ist für mich “hundertprozentig”, ich kann glauben, dass sie genau so war und sie ist mir äußerst sympathisch.

Dass die Handlung stellenweise etwas behäbig fortzuschreiten scheint, hat meinen Lesegenuss überhaupt nicht gestört, wie ihr wisst, bin ich keine Freundin von Action. Am Ende des Romans bindet Hettche Maries Schicksal besonders geschickt in das der Pfaueninsel und der historischen Ereignisse ein, tatsächlich ein sehr gelungenes Ende. Marie ist tatsächlich, wie alle anderen Charaktere auch, eine historische Figur, die wirklich auf der Pfaueninsel gelebt hat, von der uns aber außer ihren Lebensdaten nichts bekannt ist.

Auf die Gefahr hin, zu sehr ins Schwärmen zu geraten, dieses Buch ist einfach wunderbar, mein Highlight des Jahres, genau das, was ich lesen möchte.

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