Rezension zu "Risse im Balkon." von Ulla Lessmann
Zugegeben, ich mag Kurzgeschichten. Grundsätzlich. Ich lasse mich gerne kurz in ein Szenario ziehen, um mit Gedanken, einer Anregung, einem Schmunzeln oder Kopfschütteln wieder aufzutauchen. Gute Kurzgeschichten sind eine Kunst für sich. Und diese Kunst beherrscht Ulla Lessmann! Es wundert mich überhaupt nicht, dass sie für ihre Arbeiten mehrfach ausgezeichnet wurde. Mit Liebe zum Detail beschreibt sie auch in „Risse im Balkon“ wieder haarscharf Alltagssituationen, leuchtet diese mit unglaublicher Präzession aus, vorzugsweise in Ecken in die kaum jemand sieht. Mich berührt besonders die Zwanghaftigkeit ihrer Figuren. Grotesk halten die einen am Ablauf ihrer Strukturen fest, nicht selten um der Einsamkeit zu entgehen. Andere hängen fest, sind einem System hoffnungslos ausgeliefert oder treffen Entscheidungen, die aus ihrem Gedankengang logisch erscheinen, weil sie einem inneren Muster folgen müssen, ohne Alternativen überhaupt in Betracht zu ziehen. Oft geht es um Banalitäten, die Lessmann bis ins Absurde ausreizt, dabei führt sie ihre Figuren niemals vor. Im Gegenteil, der liebevolle Blick bleibt für mich immer spürbar. Zusätzlich mag ich den Schreibstil. Überflüssiges fehlt. Ulla Lessmann schreibt humorvoll, gnadenlos, gut.