Cover des Buches Der Schwimmer (ISBN: 9783596510207)
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Rezension zu Der Schwimmer von Zsuzsa Bánk

Debütroman mit deutlichen Schwächen

von fraeuleinbuecherwald vor 10 Jahren

Rezension

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fraeuleinbuecherwaldvor 10 Jahren

Zsuzsa Bánk, ein Name, den man wahrscheinlich schwer wieder vergisst, weil er so außergewöhnlich ist, so außergewöhnlich klingt. Ein Name, der sich anhört, als hätte er schon eine lange Reise hinter sich, als könnte er Geschichten erzählen aus weit entfernten und doch so nahen Ländern Osteuropas.

Ihr Debütroman „Der Schwimmer“ stand deshalb schon länger auf meiner Leseliste, ebenso wie ihr Nachfolgeroman „Die hellen Tage“. Großartige Kindheitsgeschichten würde die in Deutschland geborene Tochter ungarischer Eltern erzählen, wurde mir gesagt.

Trotzdem muss ich sofort feststellen, dass mich das Buch nicht überzeugt, nicht gepackt hat.

Zsuzsa Bánk berichtet von der Kindheit zweier Geschwister in Ungarn (vermutlich Mitte des 20. Jahrhunderts). Nur durch Recherche erfährt man, dass die Geschichte wohl kurz vor dem Ungarischen Volksaufstand 1956 spielen muss.

Die Mutter der beiden Hauptfiguren, Kata und Isti, macht sich zu Beginn der Geschichte erstmal aus dem Staub, flieht vor einer bedrückenden Enge im Dorf und der Perspektivlosigkeit ihres Daseins. Später erfährt man, dass sie es geschafft hat, bis nach Westdeutschland zu gelangen.

In verschiedenen Kapiteln wird dann die nun beginnende Odyssee der Kinder beschrieben – mit einem unfähigen Vater, der beinahe autistisch sein Leben lebt, ohne jedes Interesse für seine beiden Schutzbefohlenen, pendelnd zwischen verschiedenen Verwandten und Bekannten, die die kleine Familie so lange aufnehmen, wie es nur irgendwie geht – und oft geht es nicht sehr lange.

Besonders Katas kleiner Bruder Isti leidet sehr unter den unsteten Verhältnissen, dem ständigen Aufbrechen, aber niemals Ankommen. Er zieht sich in seine eigene Welt zurück, fantasiert, weiß nicht mehr, wann er schläft und träumt oder wach ist.

Kata scheint von alldem unberührt. Obwohl sie die Ich- Erzählerin ist, gibt sie keine Gefühle preis, man erfährt so gut wie nichts von ihrem Charakter.

Sätze wie: „In diesem Sommer machte ich mir noch größere Sorgen um Isti“ kann man als wahre Gefühlsexplosionen bezeichnen. Sie erträgt stoisch oder gar nicht – die Grenze ist da fließend.

Allgemein scheint Zsuzsa Bánk Gefallen daran zu finden, den Leser „hängen“ zu lassen. Oft deutet sie gewisse Umstände nur an und wenn man sich fragt „Was ist denn da jetzt los“, wechselt sie lieber das Kapitel und lässt einen enttäuschten Leser zurück.

Ansonsten verläuft die Geschichte geradezu ereignislos. Der Vater unfähig, die Verwandten lieblos, nur einmal, bei einer Tante, scheinen die Kinder etwas zur Ruhe zu kommen, doch diese ist nicht von langer Dauer.

Das Ende wirkte auf mich geradezu erlösend, die letzten 50 Seiten habe ich nur noch überflogen.

Was ich besonders schade finde ist, dass man nichts, aber auch wirklich gar nichts über Ungarn zu der Zeit erfährt. Das hätte mich wirklich interessiert. Nur auf der Flucht der Mutter kann man herauslesen, dass es wohl „Missstände“ gab, aber welche, das wird nicht benannt. Auch dass die Verwandten in ärmlichen Verhältnissen auf dem Land leben, sagt natürlich etwas aus. Aber das Bild, das von Ungarn gezeichnet wird, ist mehr als unscharf. Die Geschichte könnte als solche überall auf der Welt passiert sein – in Australien wie in Afrika wie in Ungarn.

Deshalb ist mir auch nicht klar, was das Buch aussagen soll. Ob es überhaupt etwas aussagen will. Ich habe nicht das Gefühl, dass ich etwas über eine „ungarische Kindheit“ erfahren habe. Würden nicht ab und zu Städtenamen genannt werden, ich hätte nicht mal gewusst, dass es in Ungarn spielt.

Vielleicht steckt aber auch ein ganz tiefer, verborgener Sinn in dem Buch, den ich einfach nicht verstanden habe und ich tue dem Roman absolut Unrecht, wenn ich sage, dass er mich nicht überzeugt hat. Aber vielleicht gibt es wirklich nichts, was man daraus ziehen kann.

Ich bin enttäuscht, werde „Die hellen Tage“ aber trotzdem noch lesen, denn ein Debütroman darf Schwächen haben.

Und nun werde ich weiter wütend über Eltern sein, die ihre Kinder so unverfroren im Stich lassen.

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