Bewertung zu "Erellgorh - Geheime Mächte" von Matthias Teut
In Jukahbajahn läuft einiges aus dem Ruder. Gleich mehrere Länder haben unter Angriffen gnadenloser Gesetzloser zu leiden, die Stadt Akralahr wird durch andauernden Regen in die Knie gezwungen und über allem lauert eine nicht greifbare Gefahr, auch wenn viele Bewohner das noch nicht einmal ahnen.
In diesen Zeiten verändert sich auch das Leben dreier ganz unterschiedlicher Menschen. Selana, die aus dem überfluteten Akralahr flieht, muss sich mit Bedrohungen herumschlagen, die gänzlich neu für sie sind, außerdem muss sie ihre Ziehmutter wiederfinden, von der ihr nur ein mysteriöser Abschiedsbrief vorliegt. Pitu, ein Straßendieb, verlässt unfreiwillig Gelder und erfährt nach einem Schiffsunglück mehr über sich selbst, als ihm eigentlich lieb ist. Und Atharu muss nach dem Tod seiner Lehrmeisterin die Felsstadt Tangris Hals über Kopf verlassen, um einen letzten Auftrag auszuführen.Die Drei wissen nichts voneinander, haben aber mehr gemeinsam, als es auf den ersten Blick erscheint. Auch ihre Schicksale verflechten sich immer fester miteinander, während sie sich alle auf ihre Reise begeben.
„Geheime Mächte“ ist der Auftakt der „Erellgorh“-Trilogie und das Debüt von Matthias Teut. Es entführt in gleich mehrere Länder einer gänzlich neuen Welt, in der es mehrere Völker und etliche Tier- und Pflanzenarten zu entdecken gibt.
Schon das Cover zieht den Blick auf sich. Es ist alles andere als überladen, die mittig gesetzte Titelschrift ist stimmig und passt sehr gut ins Gesamtbild. Im unteren Teil, in dem sich nur das einzelne Boot befindet, ist das Motiv fast ein wenig leer. Dennoch ist das Cover sehr interessant und lädt dazu ein, das Buch in die Hand zu nehmen. Ebenso interessant sind die Grafiken über den einzelnen Kapitelanfängen, die den drei Hauptfiguren und Perspektivträgern zugeordnet sind.
Auch der Inhalt kann überzeugen. Matthias Teut wirft uns bei allen drei Hauptfiguren mitten ins Geschehen. Bei Atharu und Selana geschieht dies durch einschneidende Veränderungen, bei Pitu durch eine gewagte Flucht vor den Stadtwachen Gelders. Die Kapitel sind sehr kurz, sodass sie sich auch gut „zwischendurch“ lesen lassen, auch wenn man am liebsten immer weiterlesen möchte. Auch wechselt die Perspektive nach jedem Kapitel abwechselnd zu Atharu, Pitu und Selana. Durch diese vielen Wechsel ist es anfangs etwas knifflig, den Handlungssträngen zu folgen und sich zurechtzufinden, aber nach einer Weile gewöhnt man sich daran. Mich hat allerdings etwas gestört, dass beinahe jedes Kapitel mit einem kleinen oder mittleren Cliffhanger endete. Größere Wendungen kamen hierdurch nicht so gut und nachhaltig hervor, wie es möglich gewesen wäre. Auch einen absoluten und unangefochtenen Höhepunkt der Handlung habe ich den ganzen Roman über vermisst, es handelte sich eher um ein konstantes Auf und Ab.
Atharu und Pitu finde ich gut gezeichnet, sie haben einen mehrschichtigen Charakter und sind sehr glaubhaft. Beide haben mir gut gefallen, und müsste ich mich für einen von beiden entscheiden, würde mir das sicher schwerfallen. Atharus Art gefällt mir, aber ebenso verhält es sich mit Pitus Warmherzigkeit, die ihn von den Straßendieben anderer Romane klar abhebt.
Mit Selana wusste ich oft nicht recht etwas anzufangen. Sie war als Figur in sich nicht ganz schlüssig. Mal wurde hervorgehoben, wie neu auf der Reise alles für sie ist, da sie als Küchenmagd in der Festung doch recht behütet gearbeitet hat. Dann jedoch scheint sie wieder alles zu wissen, Menschen aus dem Bauch heraus perfekt einschätzen und/oder manipulieren zu können und alles im Griff zu haben. Auch auf die anfängliche Bedrängnis durch einen ihrer Reisebegleiter reagiert sie nicht unbedingt schlüssig. Ich hoffe, dass ich sie im nächsten Teil etwas besser werde verstehen können. Dafür ist mir Semje, auf den sie im Verlauf ihrer Reise trifft, sehr sympathisch, ich habe immer wieder schmunzeln müssen.
Sprachlich ist Erellgorh sehr schön und flüssig zu lesen, Matthias Teuts Schreibstil ist bildreich, ohne jedoch zu erschlagen, und hat eine sehr angenehme Satzmelodie. Die Städte und Länder beschreibt er anschaulich, sodass man sie sich gut vorstellen kann, außerdem lassen die Entfernungen dazwischen sich auf der Karte vorne im Buch gut nachverfolgen. Auch die ganz neue Tierwelt war sehr interessant und wurde eher nebensächlich eingestreut, sodass es weder unterging, noch erschlug.
Oftmals sind jedoch die Zeitformen verrutscht, gerade bei Erzählungen und Rückblenden. Auch sonst sind mir einige Mängel im Lektorat aufgefallen, die hätten behoben werden können.
Leider wurde der Roman nicht sehr gut gesetzt. Mehrfach waren am Ende oder in der Mitte einer Seite plötzlich Leerzeilen, wo keine sein sollten, teilweise waren sogar halbe Seiten mitten im Kapitel einfach leer. Das war etwas störend.
Inhaltlich hatte ich nach Beenden des Romans das Gefühl, dass noch nichts Essenzielles passiert ist. Sicher, es war spannend und die drei Hauptfiguren hatten allerlei große und kleine Probleme zu bewältigen, jedoch sind sie sich noch nicht einmal begegnet und es gab noch keinen wirklichen Gegner oder Antagonisten, der in Erscheinung getreten wäre. In sich abgeschlossen, wie viele erste Trilogiebände es sind, ist das Buch also auf keinen Fall. Ich hoffe sehr, dass die Handlung in Band 2 Fahrt aufnehmen wird, sodass man dann einem krönenden Finale in Band 3 richtig entgegenfiebern kann.
Insgesamt hat mir „Erellgorh – Geheime Mächte“ einige angenehme Lesestunden beschert und mich in eine sehr interessante Welt entführt. Die kurzen Kapitel mit ständigen Cliffhangern waren etwas gewöhnungsbedürftig, die Figuren jedoch überwiegend interessant gezeichnet. Es war spannend, die Verwebungen der einzelnen Figuren miteinander zu entdecken, ein deutlicher Höhepunkt oder ein Ziel der Handlung haben mir jedoch gefehlt. Auch gab es beim Lektorat und im Satz einige Mängel, die vermeidbar gewesen wären.
Dennoch hat „Erellgorh – Geheime Mächte“ sich vier Sterne eindeutig verdient. Nach oben hin ist definitiv noch Luft offen, dennoch ist es Matthias Teut gelungen, dass ich sein Debüt am liebsten gar nicht aus der Hand gelegt hätte und nun sehr gespannt auf die 2017 erscheinende Fortsetzung bin. Dort hoffe ich dann vielleicht auch eine noch bessere Bewertung vergeben zu können.