Maggie Stiefvater - Wen der Rabe ruft
„Jedes Jahr im April empfängt Blue die Seelen derer, die bald sterben werden, auf dem verwitterten Kirchhof außerhalb ihrer Stadt. Bisher konnte sie sie nur spüren, nie sehen – bis in diesem Jahr plötzlich der Geist eines Jungen aus dem Dunkel auftaucht. Sein Name lautet Gansey, und dass Blue ihn sieht, bedeutet, dass sie der Grund für seinen nahen Tod sein wird.
Seit Blue sich erinnern kann, lebt sie mit der Weissagung, dass sie ihre wahre Liebe durch einen Kuss töten wird. Ist damit etwa Gansey gemeint?“
In Henrietta, einer kleinen Stadt in Virginia, lebt Blue Sargent. Dort wohnt sie mit ihrer Mutter, einigen Cousinen und Tanten. Blue schafft es, selbst in diesem sonderlichen Haushalt, anders zu sein, denn all ihrer Verwandten im Haus sind Wahrsagerinnen, nur sie hat keine hellseherische Begabung. Stattdessen wächst Blue mit einer seltsamen Prophezeiung auf: Sollte Blue ihre wahre Liebe küssen, so würde der Junge sterben. Sechzehn Jahre lang war das für Blue eigentlich kein wirklich großes Problem, denn eine ihrer Regeln lautet sich von Jungs fern zuhalten, die machen sowieso nur Ärger.
Doch dann, eines Tages im Frühling, als Blue Sechzehn Jahre alt ist, taucht eine weiter Tante, Neeve, in Henrietta auf und verkündet Blue, dies sei das Jahr, in dem sie sich verlieben wird.
Als Blue und Neeve im selben Frühling auf einem verwitterten Kirchhof die Geister, derjenigen empfangen, die im kommenden Jahr sterben werden, sieht Blue plötzlich den Geist eines Jungen namens Gansey. Da Blue keine hellseherische Begabung hat, kann sie eigentlich auch keine Geister sehen, sie kann nur die Begabungen anderer verstärken. Dafür, dass Blue den Geist dieses Jungens sieht, gibt es zwei Gründe; entweder der Junge ist Blues wahre Liebe oder sie wird ihn töten. Oder beides.
Richard „Dick“ Campbell Gansey III. lebt ebenfalls in Henrietta. Er geht auf die Aglionby Academy, ein nobles Internat für die Söhne reicher Familien. Zusammen mit seinen Freunden, Ronan Lynch, Adam Parrish und Noah sucht er nach der Ley-Linie, einer Linie aus Energie, die in Henrietta verlaufen soll, um den schlafenden walisischen König Glendower zu finden.
Die Aglionby Academy ist Bestandteil von Blues zweiter großer Regel: Alle Aglionby Jungs sind Mistkerle, also halte dich von ihnen fern.
Doch als Blue Gansey und seine Freunde kennen lernt, muss sie feststellen, dass vielleicht nicht alles Aglionby Jungs Mistkerle sind. Auch wenn Gansey es immer wieder schafft sie zu beleidigen und Ronan in der Tat ein ziemlicher Mistkerl seien kann, so sind ihr Adam und Noah sympathisch. Blue schließt sich der suche nach Glendower und der Ley-Linie an, da sie vielleicht, die Energie der Ley-Linie verstärken kann.
„Wen der Rabe ruft“ ist ein erstaunliches Buch: Maggie Stiefvater schafft es hier, die Dinge auf eine so selbstverständliche und direkte Art und Weise zu schreiben, dass man es einfach glauben muss, die Handlung erscheint dadurch sehr klar und überzeugend. Zudem ist es ihr gelungen, zwar schnell mit der eigentlichen Handlung zu beginnen, es aber nicht zu übereilen und das mit einem sehr fließendem Übergang von der Einleitung zur eigentlichen Handlung zu kombinieren.
Nicht nur die Handlung, auch die Charaktere werden sehr überzeugend dargestellt: Blue mit ihrer exzentrischen und sehr vernünftigen Art. Gansey, der sich Worte sowohl aus jeglichen Schwierigkeiten herausredet und auch immer wieder, ohne es zu wollen, jemanden beleidigt, insbesondere wenn es um Geld geht, und für den Glendower so wichtig zu seien scheint. Ronan, der das Geheimnis kennt, das zum Tod seines Vaters führt, der sich um Regeln nicht schert und mühelos Latein spricht. Adam, der nur Dank eines Stipendiums auf die Aglionby Academy gehen kann und an einem Ort wohnt, den man gerne verlässt. Noah, der irgendwie einfach da ist und ständig eiskalte Hände hat. Diese Charaktere, die manchmal unterschiedlicher kaum sein könnten und jeder von ihnen mit seinen ganz eigenen Probleme, bilden eine Gruppe, die sich bei der Suche nach Glendower immer wieder ergänzen, es scheint jeder von ihnen notwendig zu sein um Glendower zu finden.
Es ist eine Suche, die die Fünf zu Bäumen führt, die nur Latein sprechen, einem Wald, in dem eine andere Zeit gilt und einer Leiche auf der Ley-Linie.
„Wen der Rabe ruft“ hat etwas Dunkles ohne jedoch richtig düster zu sein. Ähnlich wie die Ruhe vor einem Gewitter, wenn es durch die dicken Wolken dunkler wird, die Sonne jedoch noch durch scheint und man die elektrische Aufladung der Blitze zu spüren meint. Auch ist der Übergang vom Nicht-Magischen beziehungsweise von „normaler“ Energie zu all den magischen Dingen ebenso fließend, wie der Übergang von der Einleitung zur Handlung.
Es ist ein Buch voller (magischer) sonderlicher Dinge, die einem so überzeugend präsentiert werden, dass man es einfach glaubt.
„Im allerbesten Fall freundest du dich mit einem Jungen an, der sterben wird.“
(Seite 180)
Die Ley-Linie war rohe, ungezähmte, unerklärliche Energie.
Der Stoff, aus dem Legenden sind.
(Seite 203)
„Und um ehrlich zu sein, war er trotz mehrerer Flugstunden auch kein besonders guter Hubschrauberpilot. Ihm fehlte einfach die nicht ganz unwichtige Fähigkeit, sich sowohl vertikal als auch horizontal orientieren zu können, was zu Meinungsverschiedenheiten mit Bäumen führen konnte. Er tröstete sich damit, dass er dafür sehr gut rückwärts einparken konnte.“
(Seite 229)
„Schon mal von Hängen, Strecken und Vierteln gehört?“
„Ist das in etwa so angenehm, wie ein Gespräch mit Ronan?“ fragte Blue
(Seite 246)
„Und dann, denke ich ... Sollten wir irgendwas auf Latein sagen.“
„Na, das klingt doch nach einem Plan.“
(Seite 279)
