"Ich hoffe, alle Töchter dieser Welt können noch größer, höher und weiter träumen." Mit diesem Satz schließt die Autorin ihr Nachwort, das den nur 206 Seiten schmalen Roman gelungen abrundet. Mit "Kim Jiyoung, geboren 1982" ist Cho Nam-Joo ein wirklich ergreifendes Buch gelungen.
Der Schreibstil lässt sich nur als nüchtern und sachlich beschreiben, es finden sich sogar einige Fußnoten wieder, die aufzeigen, wie exemplarisch Jiyoungs Biographie für so viele südkoreanische Frauen (schon allein statistisch gesehen) ist. Ihre Kämpfe sind die Kämpfe südkoreanischer Töchter, Frauen, Mütter, Arbeitnehmerinnen, Partnerinnen... Mich hat das sehr berührt und nochmal eindringlich realisieren lassen, dass die Kämpfe von Frauen sich weltweit ähneln, auch wenn einen vielleicht auf den ersten Blick so viel trennen mag. Darüber hinaus einen Einblick in Familienpolitik zu erhalten, mehr über die Rolle und die Stellung von Frauen in Südkorea zu erhalten, war unglaublich spannend und für einen Roman sehr fundiert möglich.
Dass dieses Buch in Südkorea Proteste erzeugt hat, ist unglaublich nachvollziehbar: Es ist aufrüttelnd! Obwohl so nüchtern geschildert, werden so viele Ungerechtigkeiten thematisiert, die wütend machen. Die geringe Freude über die Geburt einer Tochter bis hin zu Abtreibungen, weil es schon wieder "nur" ein Mädchen werden würde. Ein Arbeitsmarkt, der es hoch qualifizierten Müttern nahezu komplett verunmöglicht, teilzuhaben oder sich gar entsprechend ihrer Interessen zu verwirklichen. Ein Familienleben, in dem sich viel um die Bedürfnisse der männlichen Mitglieder dreht, obwohl oftmals die Frauen im Hintergrund Erfolge und Wohlbefinden in Eigenregie anleiern und organisieren.
Die Erzählung hat einen klaren roten Faden, aber keinen Höhenpunkt. Es gibt keinen großen Knall, keine großen Glückmomente, keine totalen Zusammenbrüche - alle Beteiligten scheinen sich stoisch den Umständen zu fügen, sogar Jiyoungs Therapeut, der Jiyoungs Geschichte erzählt.
Ein Stern fehlt zur vollen Punktzahl, weil ich mir anhand der Leseprobe und des Klappentextes ein etwas anderes Buch versprochen hatte - eines, in dem es abschließend auch mehr um Jiyoungs Gegenwart, um ihre psychischen Probleme, um ihre Kämpfe geht - und es einen Ausblick gibt, was sein kann oder gar wird. Dass dem nicht so war, finde ich gar nicht schlimm, ich hätte mich nur gerne darauf eingestellt, dass es mehr darum geht, Jiyoung bei ihrem Aufwachsen - und somit vor der für sie als sehr einschneidend erlebten Mutterschaft - zu begleiten.
So oder so: Absolute Leseempfehlung!