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jenvo82

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Cover des Buches Bäume reisen nachts (ISBN: 9783458361084)

Bewertung zu "Bäume reisen nachts" von Aude Le Corff

Bäume reisen nachts
jenvo82vor 19 Tagen
Kurzmeinung: Ein kindlich-naiver Roman mit vielen dramaturgischen Höhepunkten und wenig Tiefgründigkeit. Nette Lektüre für zwischendurch.
Verwurzelt und doch auf Reisen

Inhalt

Die 8-jährige Manon durchlebt eine einsame, schwere Zeit: Ihre Mutter hat die Familie verlassen, einfach so, anscheinend vollkommen grundlos - wie es auf das Mädchen wirkt. Möglicherweise hat sie die Tochter vergessen oder schlimmer noch, ihr ist etwas zugestoßen. Während Manons Vater in seinem Kummer versinkt und sich nicht mehr um die Kleine kümmert, beginnt diese mit Katzen und Ameisen zu sprechen und sucht Zuflucht unter der Birke vor Ihrem Haus. Zum Glück bemerkt ein ebenfalls einsamer, pensionierter Lehrer aus dem Haus die Nöte von Manon und beginnt sich ihr über das Vorlesen einer Geschichte zu nähern. Schon bald wird Anatole zum selbsternannten Großvater des Mädchens und gewinnt Einblicke in das Familienleben seiner Nachbarn. Als nach langer Zeit endlich ein Lebenszeichen von der Mutter eintrifft, beschließen die drei gemeinsam, die Einsamkeit zu durchbrechen und dem Glück eine zweite Chance zu gewähren …

Meinung

Bei diesem kleinen Roman, der liebevoll eine traurige Geschichte erzählt, merkt man den stillen, kindlich-naiven Erzählton sehr deutlich und auch der französische Charme steht im Vordergrund der Erzählung. Viele Lebensweisheiten verbergen sich im Detail, es mag kein Schwermut aufkommen und die banalen Dinge des täglichen Lebens scheinen wichtiger zu sein, als die Gedankengänge der Protagonisten. Tatsächlich hätte mir diese Geschichte um Längen besser gefallen, wenn sie der Traurigkeit mehr Raum gelassen hätte, wenn die Tiefgründigkeit der Fokus gewesen wäre und nicht der spontane Roadtrip einer bunt zusammengewürfelten Truppe, die nicht mal genau benennen kann, was am Ende der Reise auf sie warten wird. Die depressive Mutter, die Labilität von verlassenen Kindern, das fragile Zusammenspiel einer Kleinstfamilie und ihr Zerbrechen, sind nur einige der genannten Themenschwerpunkt und darüber hinaus werden viele weitere Probleme angerissen, die damit gar nichts zu tun haben.

Fazit

Fazit: Ich vergebe 3 Lesesterne für dieses Buch, welches eher für Zwischendurch zu empfehlen ist. Man kann es schnell lesen und es stellt wenig Ansprüche an den Leser. Eigentlich könnte es ein gutes Drehbuch sein: bildlich, prägnant, abwechslungsreich und mit einem großen Aktionsradius. Auf wenigen Seiten passiert eine ganze Menge und man hat lebhafte Bilder vor Augen. Leider hinterlassen Geschichten mit viel Unterhaltungswert und wenig Nachdrücklichkeit kaum Spuren bei mir, so dass ich mich mit dem Text über kurz oder lang nicht identifizieren konnte. Dennoch ein lesenswertes Buch, vielleicht besser geeignet für jüngere Leser.

Cover des Buches Ein anderer Takt (ISBN: 9783455006261)

Bewertung zu "Ein anderer Takt" von William Melvin Kelley

Ein anderer Takt
jenvo82vor einem Monat
Kurzmeinung: Distanzierter aber eindringlicher Blick in die Problematik der Rassentrennung - Ausbeute und Abhängigkeit verlieren nicht an Aktualität.
Wenn eine Bewegung ihren Lauf nimmt

Inhalt 

Eine Kleinstadt im Süden der USA im Jahr 1957 – ein farbiger Farmer streut eines Tages systematisch Salz auf seine Felder, vernichtet sein Vieh und brennt letztlich sein Haus nieder. Er nimmt seine Koffer, seine Frau und das kleine Kind mit sich und verlässt ohne ein Wort des Abschieds den Ort. Die weiße Bevölkerung steht fassungslos daneben und folgt dem Spektakel, ohne es einordnen zu können. Direkt danach setzt eine Massenbewegung ein, denn alle Farbigen des Ortes, ca. die Hälfte der dortigen Bevölkerung verlassen nun Tag für Tag, bepackt mit wenigen Koffern, ihre Häuser. Die Bushaltestellen und Bahnhöfe sind voll, geduldig warten die Menschen darauf abzureisen – und niemand stellt sich Ihnen in den Weg. Mutmaßungen gibt es viele, doch nicht eine einzige Erklärung. Nach und nach realisieren die Verbliebenen, was es bedeuten wird, wenn alle Farbigen verschwunden sind und sie nicht einmal mehr einen Schuldigen bestrafen können …

Meinung 

Dieses Buch stand seit seinem Erscheinungstermin ungelesen bei mir im Regal, erst jetzt habe ich es im Rahmen einer Challenge hervorgeholt und mich der Thematik der Rassentrennung zwischen Schwarz und Weiß gewidmet. Zunächst ein mühseliges Unterfangen, denn die Story entwickelt sich langsam und bleibt auch in ihrem Verlauf sehr distanziert und irgendwie erschreckend objektiv. Dadurch das ausschließlich die weiße Bevölkerung zu Wort kommt und von außen das Szenario des Weggangs beschreibt, kann man mit den Beteiligten nicht wirklich mitfühlen. Hier hätte ich mir eindeutig eine größere Perspektivenvielfalt gewünscht.

Dennoch gewinnt der Text an Fahrt und zieht den Leser in seinen Bann. Das alte Lied von Gleichberechtigung, Selbstbestimmung und langjährigen Abhängigkeiten klingt immer wieder an. Der Leser hält inne und reflektiert das Geschehen, bemüht, sich die Verhältnisse vorzustellen und die Befindlichkeiten der Beteiligten in ihrer Gesamtheit zu erfassen.

Fazit 

Dieser Roman ist kein direkter Sympathieträger, dafür wirkt er zu strukturiert und nur wenig emotional. Aber er eignet sich hervorragend um einen Einblick zu gewinnen, um Verhaltensmuster zu hinterfragen und sich die tatsächliche Situation nach dem Weggang der Afroamerikaner vorzustellen. Wenn der vermeintlich Schwächere einfach nur konsequent seiner Wege geht und der bisher Dominante, der sich seiner Überlegenheit bewusst war, allein dasteht, wird deutlich, dass sich Rollenbilder ändern können und sich das Gleichgewicht merklich verschiebt. Ich vergebe 4 Lesesterne für diesen geschichtlich inspirierten Roman mit Nachklang – allerdings muss man die Muße finden, sich in das Geschehen hineinzufinden, sicherlich einfacher, wenn man keine konkrete Erwartungshaltung an den Text stellt.

Cover des Buches Melody (ISBN: 9783257072341)

Bewertung zu "Melody" von Martin Suter

Melody
jenvo82vor 2 Monaten
Kurzmeinung: Für mich ein "Alt-Herren-Roman" - Resümee und Melancholie, doch blasse Charaktere und nur wenig Spannungsmomente.
Und dann war sie weg

Dies war mein erstes Buch des Autors, auf dass ich durch diverse Buchbesprechungen und persönliche Empfehlungen aufmerksam geworden bin. Prinzipiell war ich auch sehr neugierig, wenigstens ein Buch von Martin Suter mal zu testen, denn schon oft hatte ich ein Buch von ihm in der Hand und habe es dann doch wieder beiseite gelegt.

Leider konnte mich "Melody" nur mäßig begeistern, was eindeutig nicht an der vielversprechenden Story liegt, sondern vielmehr an ihrer Umsetzung. Dieser Roman wirkt auf mich, wie die Geschichte eines "alten Herren", die er irgendwie so vor sich hin erzählt, fast so als wäre sie nicht ihm passiert, sondern irgendwem. Die Charaktere allesamt bleiben blass, es gibt kaum Emotionen, dafür umso mehr ausschweifende Menüs und alkoholische Getränke rund um die Uhr. Sowohl Peter Stotz, als Hauptfigur als auch sein Angestellter Anwalt Tom waren mir sehr unsympathisch und ihre Aktionen irgendwie behäbig und wenig zielführend.

Weite Teile des Romans haben mich mit Ihrer erzeugten Langeweile zum querlesen animiert. Und auch die weibliche Hauptfigur hat außer ihrer idealisierten Präsenz in Form von Bildern und Stickereien im Hause eines alten Mannes wenig zu bieten. Nur wenige Kapitel hatten für mich irgendeinen Mehrwert, das Störende war immer vordergründig. Wahrscheinlich werde ich kein zweites Buch des Autors zur Hand nehmen, denn diese Geschichte hat mich inhaltlich zunächst sehr gereizt, umso enttäuschender fällt nun mein Urteil aus.

Cover des Buches In Küstennähe (ISBN: 9783257246667)

Bewertung zu "In Küstennähe" von Joachim B. Schmidt

In Küstennähe
jenvo82vor 2 Monaten
Kurzmeinung: Alt trifft Jung - zwei Männer stehen am Scheideweg ihres Lebens - der eine wünscht Vergebung, der andere eine Chance.
Von Umkehr, Vergebung und Neuanfang

Dies ist bereits mein drittes Buch des Autors und gleichzeitig sein Debütroman. Erzählt wird eine einfache, ansprechende Geschichte in einem kleinen Ort auf Island. Im Zentrum der Geschichte steht der junge Erwachsene Lárus, der sich als Drogendealer verdingt und nebenbei als Gehilfe des Hausmeisters im Altersheim arbeitet. Sein Leben ist weder besonders glücklich, noch unerträglich - eigentlich hat er weder einen Plan, noch ein Ziel. Er lebt irgendwie vor sich hin und hegt vor allem gute Vorsätze, die er jedoch nicht umzusetzen vermag. Erst seine Bekanntschaft mit Grimur, einem Bewohner des Altersheims, den ein zwielichtiger Ruf umgibt, stachelt ihn dazu an, die Dinge zu hinterfragen und sich nicht mit lapidaren Antworten abspeisen zu lassen.

Dann entwickelt sich die Story zum Klassiker: Jung trifft Alt und beide profitieren von dem Kennenlernen, weil der eine hat, was der andere sucht. Ein positives aufeinander Einwirken, mit klaren Grenzen und einigen Möglichkeiten entwickelt sich hier - das wiederrum vorhersehbar und mit den entsprechenden Erwartungen behaftet. Das Buch bietet wenig Abwechslung und zeichnet ein ebenmäßiges Bild, wirkt aber sympathisch, ehrlich und durchaus realistisch. Ganz nebenbei erfährt der Leser auch Grimurs Geschichte, die er sein Lebtag lang mit sich herumgetragen hat und nicht mit ins Grab nehmen möchte. Die Intention liegt hier auf einer möglichen Vergebung von vergangener Schuld, auf der Chance, falsche Wege zu verlassen und einen Neuanfang zu wagen und auf der Einsicht, dass man sich selbst vergeben kann und andere es irgendwann auch tun werden.

Fazit: Ich vergebe gute 4 Lesesterne für diesen sympathischen, klar strukturierten Roman, der wenig Überraschungen bereithält, sich jedoch sehr gut lesen lässt und für ansprechende Unterhaltung sorgt. Es hätte mir eindeutig noch besser gefallen, wenn nicht der jüngere Mann, sondern der Ältere etwas mehr im Fokus gestanden hätte. Die Lebensgeschichte von Grimur konnte mich nachhaltiger fesseln, als der gelungene Ausstieg aus der Drogenszene des Jüngeren. Die Sprache empfand ich leider etwas einfach, teilweise zu derb und abgehackt - was zwar passend zum Erzähler war, mir aber insgesamt nicht sonderlich gut gefallen hat. Positiv beurteile ich hingegen das Gesamtkonzept, es wirkt versöhnlich, lässt Menschen menschlich erscheinen und kommt nicht mit dem erhobenen Zeigefinger daher. Keine schwere Kost aber hinter lapidaren Entscheidungen verbirgt sich oft mehr Dramatik als zunächst gedacht. Der Autor bleibt auf meiner Watch-List.

Cover des Buches Das Mädchen aus dem Lager – Der lange Weg der Cecilia Klein (ISBN: 9783492062299)

Bewertung zu "Das Mädchen aus dem Lager – Der lange Weg der Cecilia Klein" von Heather Morris

Das Mädchen aus dem Lager – Der lange Weg der Cecilia Klein
jenvo82vor 3 Monaten
Kurzmeinung: Dramatisches Schicksal einer jungen Frau, stellvertretend für Tausende Leidensgenossen. Zeitgeschichte in persönlichem Leid verpackt!
Weder frei noch ehrenhaft

Die Autorin erzählt hier die auf wahren Begebenheiten basierende Geschichte der Cecilia Klein, die mit 16 Jahren ins Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau deportiert wurde und nach dessen Befreiung direkt ind nächste Gefangenenlager nach Sibirien verschleppt wurde. Das einzige Ziel dieser jungen Frau ist ihr Überleben, ungeachtet der Dinge, die sie dafür aufgeben und opfern muss, ungeachtet aller Scheußlichkeiten, die sie umgeben. 

Derzeit lese ich wieder bevorzugt historische Bücher und Romane, deren Handlungsschwerpunkt zu Zeiten des Nationalsozialismus anzusetzen ist, haben mich schon immer fasziniert. Von der Autorin Heather Morris ist es mein erstes Buch, und auf der Wunschliste ganz oben steht nun der Vorgänger und das wohl bekanntere Werk von ihr "der Tätowierer von Auschwitz". Lale Sokolov, eben jener Mann, der in Auschwitz für die Nummern auf den Armen der Gefangenen zuständig war, hat die Autorin auch zu dieser Erzählung inspiriert, denn Cilka, die Schöne, die sich die oberen Herren des Lagers direkt in ihr Bett geholt haben, war eine Leidensgenossin, die ebenso wie alle anderen Opfer des Holocaust waren, ohne sich irgendeines Verbrechens schuldig gemacht zu haben. Ihr Dasein war Grund genug, das Leben zu zerstören.

Es hat mir sehr gut gefallen, wie die Autorin eine klar umrissene Lebensphase wählt und diese möglichst wahrheitsgetreu bzw. bestmöglich rekonstruiert zum Besten gibt. Das Lagerleben ganz allgemein wird hier sehr deutlich, angefangen von den Gefälligkeiten, hin zu Erpressung und Neid, überschattet von Krankheit und Leiden und der trägen, doch vernichtenden Wirkung der Zeit. Die Erlebnisse von Auschwitz klingen hier eher nach, denn die Haupthandlung spielt im Lager von Workuta, ein sibirisches Arbeitslager, in dem es nicht mehr um die vernichtung der Juden geht, doch die Ausbeute der Arbeitskraft nach wie vor an erster Stelle steht. Dennoch entstehen im Lauf der Geschichte immer wieder glückliche Momente, die von kurzer Dauer aber eindringlicher Stärke sind. Es wird für den Leser greifbar, was Menschlichkeit bedeutet und wie ähnlich die Bedürfnisse aller sind, ungeachtet der Nationalität, des Geschlechts oder der auserkorenen Rolle. 

Fazit

Ich vergebe 5 Lesesterne für einen ansprechenden, klassischen Roman, der eine gute Mischung aus Tatsachen und Fiktion schafft und diese durch ein umfassendes Nachwort nochmals in ganz klare Bahnen lenkt. Das große Thema dieses Buches ist die Selbstlosigkeit, angesichts der allumfassenden Tatsache, dass man sich seinem Schicksal nicht entwenden kann. Die Akzeptanz des Unaussprechlichen steht zwar an erster Stelle, doch wird für den Leser ersichtlich, dass es viele Wege gibt, um "Gutes" zu tun, selbst wenn das bedeutet, nicht konsequent "gut zu sein". Das Buch appelliert auch daran, zu erkennen das es viele Nuancen gibt, wie man mit Leid und Unterdrückung umgehen kann - nicht alle sind ehrenhaft und keine davon macht wirklich frei, doch es gab sie, diese Menschen, die dem Regime entronnen sind, obwohl sie einen hohen Preis dafür bezahlt haben. Zur Erinnerung an all jene, werde ich auch weiterhin solche Bücher lesen und ihre Geschichten im Herzen bewahren.

Cover des Buches Feldpost (ISBN: 9783426281802)

Bewertung zu "Feldpost" von Mechtild Borrmann

Feldpost
jenvo82vor 3 Monaten
Kurzmeinung: Spannendes Stück Zeitgeschichte vermischt mit persönlichen Eindrücken. Schuld, Liebe und die Zerwürfnisse, die der Krieg mit sich bringt.
Lebenswege geprägt von den Zeichen der Zeit

Da ich großer Fan der Autorin und ihrer zeitgenössischen Romane bin, die den Leser immer wieder in die jüngere, historische Vergangenheit führen, habe ich mir dieses Buch über eine unselige Liebesbeziehung in Kriegszeiten herausgesucht.

Inhalt

Erzählt wird die Lebensgeschichte der beiden Familien Martens und Kuhn, die vor Beginn des 2. Weltkrieges miteinander befreundet waren. Doch als Gerhard Kuhn auf Grund seiner politischen Meinung zunächst ins Gefängnis muss und schließlich nach Frankreich flüchtet, zerbricht nicht nur dieses Bündnis sondern das ganze Familienleben der Beteiligten. Die Kinder der Kuhns Adele und Albert sind ebenso mit den Kindern der Martens befreundet, wie ihre Eltern. Aber wärend Adele so gerne möchte, das sich Richard für sie interessiert und sich vielleicht ebenso sehr in sie verliebt, hat dieser nur ein Auge für ihren Bruder Albert.

Der Krieg nimmt jedoch auf all ihre Befindlichkeiten keine Rücksicht und zieht auch die jungen Leute in den Strudel der historischen Entwicklung. Und so versucht jeder auf seine Weise zu überleben und die Zeit zu überstehen, um vielleicht eines Tages, die Dinge in Angriff zu nehmen, die auf dem Herzen liegen und in der Seele brennen. Doch während die Jahre ins Land gehen, nimmt das Schicksal seinen Lauf und es bleibt in erster Linie die Erinnerung an damals. Richard und Albert haben über viele Jahre einen Briefverkehr aufrecht erhalten und ihn über die Adresse von Adele getarnt, doch als die Zeilen eines Tages ausbleiben, verändert sich alles ...

Meinung

Ein flüssiger Schreibstil, kurze Kapitel und eine abgerundete Geschichte kennzeichnen diesen Roman. Er vermittelt sehr gut die Befindlichkeiten von Familienmitgliedern, Freunden und Liebenden, denen die politischen Entwicklungen zunächst Steine in den Weg legen und sie letzlich dazu zwingen, Entscheidungen zu treffen, die sie einander entfremden. Eltern, die ihre Kinder verlassen. Freunde, die einander verraten, Liebende, die sich nicht mehr sehen werden. Dieser Roman konzentriert sich weniger auf eine spezielle Person, sondern verfolgt in erster Linie generalistische Betrachtungen. Die Namen der Kuhns und Martens scheinen austauschbar, ihre Schicksale sind so ähnlich wie die zahlreicher Familien der gleichen Zeit. Eine gewisse Distanz bleibt auch zu den Protagonisten bestehen, sie scheinen eher Sinnbilder für bestimmte Rollen zu sein, als ein eigenes Gewicht zu besitzen. Dieser etwas kühle Blick auf die Umstände hat mir dennoch gut gefallen, denn dadurch werden die Gedankengänge all jener greifbar, die damals nah dran waren am tagtäglichen Chaos des Krieges und Spielbälle in den Händen der Entscheidungsträger. Besonders der Rahmen der Geschichte hat mir gefallen. Denn die Autorin lässt den alten Mann Richard erzählen, der sein Leben gelebt hat und bis heute die Erinnerungen von damals im Herzen trägt. Doch neue Entwicklungen führen ihn zurück zu den Geschehnissen seiner Jugend und dem ungeklärten Verbleib seines Geliebten.


Fazit

Ich vergebe gute 4 Lesesterne für diesen Unterhaltungsroman, der viele Themen des Krieges aufgreift und den kleinen Mann erzählen lässt, welche Schicksale die große Weltgeschichte gelenkt hat. Das Buch besitzt einen angenehm warmen Erzählton, es ist abwechslungsreich geschrieben und unterhält den Leser. Eine einfache Geschichte, die viele Menschen berührt und eine traurige Grundstimmung schafft. Ich hätte mir noch etwas mehr Traurigkeit auf der Emotionsebene gewünscht, doch es ist eher Melancholie, die den alten Mann antreibt - er hat schon Frieden geschlossen mit seinem Schicksal, ganz egal welche Entwicklung die Aufdeckung vergangener Geheimnisse bringen wird.


 

Cover des Buches Wo der Wolf lauert (ISBN: 9783036958491)

Bewertung zu "Wo der Wolf lauert" von Ayelet Gundar-Goshen

Wo der Wolf lauert
jenvo82vor 4 Monaten
Kurzmeinung: Fesselnder Roman mit Tiefgang und Themenvielfalt, insbesondere die innere Sicht der Protagonistin auf ihre Welt konnte mich begeistern.
Vertrauen und Misstrauen in einer engen Blase

Von der Autorin ist dies bereits mein dritter Roman, sie alle verbindet eine enorme psychologische Kraft und eine ernste, nachvollziehbare Gedankenstruktur. Dabei legt sie das Augenmerk immer auf die inneren Sichtweisen Ihrer Protagonisten, verliert aber das große Ganze nicht aus dem Blick und schafft in ihren Rahmenhandlungen eine gewisse Präsenz des Alltäglichen.

Inhalt

Die zentrale Figur dieses Romans ist Lilach Schuster, die gemeinsam mit ihrem Mann Michael und dem Sohn Adam nach Amerika emigriert ist, und dort versucht trotz aller Gegensätzlichkeit Fuß zu fassen. Und obwohl Hebräisch nur zu Hause gesprochen wird, bleibt Lilach trotz einiger Bemühungen eine Fremde im neuen Land, obwohl sie auch mit einer Rückkehr in die Heimat keineswegs liebäugelt. Ihre größte uns schwerste Aufgabe ist jedoch die als Mutter des 16-jährigen Adams - einerseits fällt es ihr ausgesprochen schwer ihn ziehen zu lassen, weshalb sie ihn auf Schritt und Tritt überwacht, andererseits bedauert sie die innere Entfremdung und versteht die Welt nicht mehr, in der sie anscheinend keinen Einfluss mehr auf ihr Kind haben soll. Gespräche gibt es keine, nur Misstrauen, Abwehr und Rückzug. Und je mehr sie versucht ihn zu halten, desto dramatischer wird die Situation. Als Adam schließlich ins Visier der Polizei gerät, weil er möglicherweise am plötzlichen Drogentod eines Mitschülers Schuld sein könnte, beginnt Lilach auf eigene Faust Nachforschungen anzustellen.

Meinung

Das faszinierende an der Erzählweise des Romans ist der innere Blick, den der Leser vorwiegend in die Seele der Protagonistin wirft, denn sie erzählt durchweg ihre Geschichte mit all den wilden, traurigen, besorgten und wütenden Gedanken, die sie jeden Tag verfolgen. Dabei ist man ihr aber keineswegs sonderlich nahe, ganz im Gegenteil - oftmals habe ich den Kopf geschüttelt, wenn ich mir ihre Überlegungen und Handlung vor Augen geführt habe. Das schöne jedoch ist die Tasache, dass man trotz dieser Distanz, jedes Wort nachvollziehen kann. Spannend wird die Handlung besonders durch das Auftreten eines weiteren Protagonisten, ein Landsmann aus Israel, der nun nach seiner Trennung allein in Amerika lebt und bemüht ist, seine finanziellen Sorgen loszuwerden. Uri Ziv, ein charismatischer Mann, der sich über den Kontakt zum Sohn mit der Familie Schuster anfreundet. Doch immer wieder beschleichen Lilach Zweifel, ob der Fremde wirklich so idealistisch und hilfsbereit ist, wie er vorgibt - allerdings ist ihre Auslegung von Vertrauen und Misstrauen längst nicht so ausgeprägt, wie sie meint. 

Fazit

Ich vergebe begeisterte 5 Lesesterne für diesen psychologischen Unterhaltungsroman mit Tiefgang - eine mannigfaltige Themenwahl begonnen mit Elternschaft, Vertrauen, Emigration, Rassismus, Ausgrenzung und Fehlverhalten machen das Lesen zum Vergnügen. Die Spannungskurve ist sehr hoch, dass Damoklesschwert schwebt stets sichtbar über der Familie, nur kann man lange nicht vorhersehen, in welcher Form das Schicksal nun tatsächlich zuschlagen wird (in diesem Zusammmenhang hat mir auch die Wahl des Buchtitels ausgesprochen gut gefallen, denn genau diese Lauerstellung macht den Mehrwert des Buches aus). 

Sehr vorteilhaft ist die wenig beurteilende Stimmung, es geht ganz objektiv um Verhaltensweisen, ohne Kommentare und langwierige Vorerzählungen. Der Leser selbst kann beurteilen, wie er zu all dem steht und an welcher Stelle eine Umkehr noch möglich gewesen wäre. Tatsächlich liebe ich solche Bücher, die eine Reihe von Ressonanzen hervorrufen - ganz klar auch ein absolut geeignetes Buch für Debatten jedweder Art. So etwas wäre auch gut geeignet für Schullektüre - trifft vielleicht sogar den Nerv der Altersklasse. Für mich ein Highlight!


Cover des Buches Wolfskinder (ISBN: 9783499009686)

Bewertung zu "Wolfskinder" von Vera Buck

Wolfskinder
jenvo82vor 4 Monaten
Kurzmeinung: Superspannender Plot mit viel Atmosphäre und einer perspektivenreichen Erzählung - von der Autorin muss ich mehr lesen!
Verbrechen im Schatten der Berge

Auf diesen Thriller bin ich in erster Linie durch positive Leserstimmen aufmerksam geworden. Die Aufmachung des Buches ist auch sehr reizvoll und nachdem ich es gelesen habe steht fest: von der Autorin muss ich unbedingt noch mehr kennenlernen. Kurzfristig ist deshalb "RUNA" bei mir eingezogen, ihr Debütroman, selbst wenn es sich dabei um ein anderes Genre handelt ...

Inhalt

Jakobsleiter ist eine winzige Siedlung am Berg, selbst in die nächstgelegene Stadt Almenen kommt man nur, wenn man über Bergsteigerqualitäten oder Erfahrungswerte verfügt. Die Bewohner der Hütten gelten im Dorf als Sonderlinge einer religiösen Gemeinschaft, die unter sich bleiben. Nur die beiden halbwüchsigen Teenager Rebekka und Jesse besuchen die örtliche Schule, dem Hohn und Spott ihrer Altersgenossen ausgesetzt, sind sie gleichermaßen die Versorger aller anderen Personen aus Jakobsleiter. Doch eines Tages verschwindet die junge Rebekka spurlos, wie schon so viele andere Mädchen aus dieser Gegend. Die ortsansässige Presse wird durch ihre Volontärin darauf aufmerksam gemacht, denn Smilla hat vor gut 10 Jahren ihre beste Freundin an den Berg verloren, nachdem diese mitten in der Nacht aus dem Zelt entführt wurde, in welchem die Mädchen gecampt haben. Seitdem verfolgt Smilla jede noch so kleine Spur in allen Vermisstenfällen. Sie ist sich sicher, das hier irgendwo in der Gegend das Böse zu Hause ist. Umso alarmierter reagiert sie, als sie im Rahmen einer Recherchearbeit durch ein Video erfährt, wer die Bewohner in Jakobsleiter wirklich sind ...

Meinung

Für diesen stimmigen Thriller der Sonderklasse vergebe ich gerne 5 Lesesterne. Ein tolles Setting, viele kleine ineinander greifende Geschichten, die nach und nach das Puzzle komplettieren. Gerade die Perspektivenvielfalt hat mir sehr gut gefallen, ebenso wie die düstere Stimmung und die kleinen Fitzelchen, die der Leser von Kapitel zu Kapitel geboten bekommt, ohne direkt und unmittelbar ein tatsächliches Verbrechen präsentiert zu bekommen. Man ahnt mehr, als man weiß und stellt während des Lesens allerhand Spekulationen auf. Den einen "bösen" Täter, der das Geschehen dominiert gibt es nicht, vielmehr scheint hier jeder ein schweres Päckchen mit sich rumzutragen. Ein weiteres Plus sind die eher jugendlichen Erzähler, die mit Ihrer Naivität oftmals weit weg von der Realität leben, sich aber im entscheidenden Moment dessen bewusst werden und der Wahrheit langsam näher kommen ...

Cover des Buches Endstation Malma (ISBN: 9783423283533)

Bewertung zu "Endstation Malma" von Alex Schulman

Endstation Malma
jenvo82vor 4 Monaten
Kurzmeinung: Das was wir Familie nennen und niemals als solche bezeichnen würden: Traumatisierte Seelen, auf der Suche nach Liebe und Halt. Einprägsam!
Das große Schweigen oder die Einsamkeit der kindlichen Seele

Vom schwedischen Schriftsteller Alex Schulman habe ich bereits seinen Erfolgsroman "Die Überlebenden" gelesen und bin mit einer gewissen Erwartungshaltung nun an die Lektüre seines neuen Romans herangetreten. Da ich ein Faible für Familiengeschichten habe, gerne auch solche, bei denen nicht alles eitel Sonnenschein ist, konnte ich mit dieser doch eher deprimierenden Story durchaus etwas anfangen. Dennoch bleibt hier vieles Ungesagt, schwebt mehr im Hintergrund als in der tasächlichen Handlung und behält dadurch eine recht große Distanz zum Leser.

Meinung

Die Struktur der Erzählung empfand ich als gelungen, denn mit den klar definierten Erzählstimmen und einer überschaubaren zeitlichen Abfolge, weiß man sofort, wer hier über welchen Zeitpunkt in seinem Leben schreibt und wie der entsprechende Tenor sein wird. Alle drei Erzähler sind miteinander verwandt, sie sitzen im selben Zug und wollen an den gleichen Ort, nur zu ganz unterschiedlichen Zeiten in ihrem Leben und tragen deshalb anderes seelisches Gepäck mit sich. Der Schreibstil ist klar, objektiv und aussagekräftig - ein Roman welcher sich gut liest und in den man leicht hineinfindet.

Das grundlegend deprimierende an dem Text stellt das Unvermögen der Erzählenden dar, die auf der Suche nach einer Zuflucht sind, die ihr eigenes Leben, so nicht mehr leben wollen oder können und krampfhaft in ihren Erinnerungen nach dem Punkt suchen, an dem die Welt noch in Ordnung war. Das schlimme daran ist die Tatsache, dass es allen bereits in ihrer Kindheit an einem gesunden Urvertrauen fehlte und sie stets mit dem Gedanken aufstehen, das sie weder erwünscht, noch geliebt, noch gesehen werden und das immer wieder und nachhaltig zu fast allen Zeiten ihres Lebens.

Grund dafür sind die lieblosen, unvernünftigen Handlungen der Elterngeneration, die es nicht schafft, ihren Kindern dieses Urvertrauen zu vermitteln und daraus resultierend wiederrum Erwachsene, die wegen eben jener Lieblosigkeit, die sie selbst in jungen Jahren erlebt haben, später im Erwachsenenalter wieder ganz ähnliche, sträfliche Verhaltensweisen gegenüber ihren Kindern an den Tag legen. Eine Art Endlosschleife, die sich nicht durchbrechen lässt, die immer tiefere Spuren zieht und die Aussicht auf Glück in weite Ferne rücken lässt. Das große Schweigen, die Distanz zwischen Eltern und Kindern, die zerrütteten Beziehungen der Paare und ihre eigenwilligen Entscheidungen - all das sind zentrale Themen des Romans.

Fazit

Hier vergebe ich gut 4 Lesesterne, für einen einprägsamen, stillen und bedrückenden Roman, der nebenbei  aufzeigt, wie fatal Lieblosigkeit auf Kinderseelen wirkt und wie bösartig sich falsche Worte in die Seele einbrennen können. Ein Apell zu mehr Achtsamkeit steckt hier in jedem Wort oder wenigstens die Vernunft, sich nicht wieder mit der Verantwortung für ein Kinderleben zu belasten, wenn man das eigene schon kaum erträgt. Gefehlt hat mir jedoch die innere Nähe, zu wenigstens einer Person des Buches - es werden hier schwache Menschen präsentiert, die aus dem negativen Gedankengut einfach nicht herausfinden und der Leser, kommt ihnen nicht näher, weil man leider schon weiß, wie wenig Änderung eintreten wird, selbst wenn die Suche nach dem Ich in der Vergangenheit einen Nachhall finden sollte. 

Das Ende kommmt leider viel zu abrupt und Worte können Taten nicht ungeschehen machen, können ein endgültiges Verhalten nicht mehr umwenden und die Konsequenzen tragen jene, die es nie gelernt haben, ihren eigenen Weg zu gehen. Die Traurigkeit des Romans liegt nicht im Detail, sondern in einer Art Nebel, welcher sich auf 300 Seiten kaum lichtet.



Cover des Buches Die andere Hälfte der Hoffnung (ISBN: 9783426304839)

Bewertung zu "Die andere Hälfte der Hoffnung" von Mechtild Borrmann

Die andere Hälfte der Hoffnung
jenvo82vor 5 Monaten
Kurzmeinung: Eindringliche, ungeschönte Story mit vielen historischen Hintergründen und ganz persönlichen, traurigen Wahrheiten. Lesenswert, wie immer.

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