Éric Faye

 3,8 Sterne bei 8 Bewertungen

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Cover des Buches Zimmer frei in Nagasaki (ISBN: 9783981461725)

Zimmer frei in Nagasaki

(8)
Erschienen am 12.10.2015

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Cover des Buches Zimmer frei in Nagasaki (ISBN: 9783981461725)
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Rezension zu "Zimmer frei in Nagasaki" von Éric Faye

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Nähe ohne jede Berührung

Eine kleine Entdeckung vom diesjährigen #indiebookday. Dieser sehr kurze Roman des Franzosen Éric Faye hat nicht nur den Grand Prix de l’Académie Française gewonnen, sondern beruht auch noch auf einer wahren Begebenheit, einer japanischen Zeitungsmeldung: Ein Mann entdeckt, dass sich in eine Frau in seine Wohnung geschlichen und dort – in einem selten benutzten Zimmer im Wandschrank versteckt – ein Jahr lang gelebt hat.

Die Geschichte ist zu kurz, um viel dazu zu sagen. Es geht um Einsamkeit und wortwörtliches Aneinander-vorbei-leben. Es geht um zwei Menschen, die – jeder für sich – sehr isoliert leben, obwohl in ein und derselben Wohnung. Deren Schicksale sich kreuzen, parallel laufen, ohne dass sie selbst sich tatsächlich begegnen. Wie Schiffe in der Nacht leben sie im selben Raum, aber weit entfernt voneinander.

Traurigkeit kommt auf, wenn man das liest. Erst recht, als Shimura sich am Ende insgeheim wünscht, die Unbekannte nicht verraten zu haben. Da ist Sehnsucht zwischen den Zeilen dieses einsam und eintönig lebenden Mannes. Die vertane Möglichkeit, einem in Not geratenen Menschen zu helfen. Diesen Menschen tatsächlich kennen zu lernen. Zu groß, zu übereilt war die Empörung über das Eindringen in die Privatsphäre.

Ob das eine Parabel auf die heutige Zeit sein soll, mag ich nicht sagen. Es fühlt sich allerdings so an. So viele Menschen, so viele Schicksale. Aber selbst, wenn man sich nahe kommt, bedeutet das noch lange nicht, dass man sich überhaupt berührt.

Distanz strahlt auch der Schreibstil aus. Selbst eher berichtartig, voller Distanz, projeziert man als Leser selbst Emotionen hinein, leise Zwischentöne.

Was am Schluss bleibt, ist ein Gefühl von Bedauern und der verpassten Chance, aus der Einsamkeit zu entkommen.

Ein kleines feines Buch. Ein gelungener Fund am #indiebookday.

Cover des Buches Zimmer frei in Nagasaki (ISBN: 9783981461725)
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Rezension zu "Zimmer frei in Nagasaki" von Éric Faye

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Es gelingt mir nicht mehr, mich zu Hause zu fühlen.

Zum Inhalt: Shimura Kōbō, Meteorloge aus Nagasaki, führt ein sehr zurückgezogenes und regelmäßiges Leben.

„Wer ich bin? Ohne übertreiben zu wollen, ich bin nichts Besonderes.“ (S. 9)

Doch plötzlich fallen ihm Unregelmäßigkeiten in seiner Wohnung auf. Essen verschwindet, Dinge, von denen er sicher ist, sie gekauft zu haben. Und der Füllstand in der Saft-Packung ist abends 7 cm niedriger als noch am Morgen.

„Einmal habe ich mich dazu hinreißen lassen, das Innere des Kühlschranks zu fotografieren, doch damit hörte ich wieder auf. Aus Nachlässigkeit oder Furcht, mich lächerlich zu machen…“ (S. 12)

Während es zunächst nur ein dunkler, mehrmals wieder verworfener Verdacht ist, wird die Wahrheit spätestens, als Shimura beginnt, seine Küche mit einer versteckten Webcam, die er von der Arbeit aus kontrolliert, zur Gewissheit: während seiner Abwesenheit hält sich regelmäßig eine Frau in seiner Wohnung auf.
Und es kommt noch schlimmer: als die Frau schließlich gefasst wird, muss Shimura erkennen, dass er seine Wohnung seit fast einem Jahr mit seiner heimlichen Mitbewohnerin, die dort auch ihre Nächte verbrachte, teilte…

„Ich verstand, dass dieses gemeinsame Jahr, das sie und ich miteinander verbracht hatten, auch wenn sie mich nicht kannte und ich nichts von ihr wusste, mich verändern würde und dass ich schon jetzt nicht mehr genau der Gleiche  war.“ (S. 55)

Eigene Meinung: Der Stil des kleinen, 110 Seiten langen Romans von Éric Faye hat mich zunächst stark an die Werke von Haruki Murakami erinnert. Ich weiß nicht, ob es daran liegt, dass die Handlung eben auch in Japan spielt, aber der zurückgezogen lebende, seinen persönlichen Ritualen stark verbundene und durch alles Neue beunruhigte Shimura, der sich dabei seiner Einsamkeit allerdings deutlich bewusst ist, hätte genauso gut auch ein Charakter Murakamis sein können.
Der Roman lässt sich angenehm lesen - nachdem ich (aus Zeitmangel) ein paar Anläufe gebraucht habe, bis ich richtig drin war, habe ich die Geschichte um Shimura Kōbō und seine heimliche Mitbewohnerin in einem Rutsch durchgelesen.
Während mir der erste Teil der Handlung, der aus Shimuras Sicht erzählt wird und ca. zwei Drittel der Seiten umfasst, richtig gut gefallen hat, war für mich der zweite Teil, aus der Sicht der heimlichen Mitbewohnerin geschildert, in dem sie erklärt, wie sie in diese Lage gekommen und warum sie durch ihre Biographie mit eben diesem Haus verbunden ist, zwar inhaltlich schlüssig, aber eben nicht ganz rund. Das mag auch an dem für mich etwas abrupten Ende der Handlung liegen.
Zusammenfassend kann ich jedoch sagen, dass es ein sehr interessantes Buch eines für mich neuen Autors war, welches mich neugierig auf weitere Werke von Éric Faye gemacht hat.

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