Rezension zu Die Zitadelle von A. J. Cronin
Rezension zu "Die Zitadelle" von A. J. Cronin
von janett_marposnel
Rezension
janett_marposnelvor 11 Jahren
Die Figur des Andrew Manson ist ein starker Charakter, der noch lange beim Leser nachhallt. Wer Bücher mit starken Charakteren liebt, sollte dieses Buch lesen. Mit beeindruckender Wortgewalt erzählt der Autor Archibald Joseph Cronin die Geschichte des frischgebackenen Arztes, der in England, Mitte der 1920er Jahre im unattraktiven walisischen Bergbaugebiet, voller Ideale und mit hohem Respekt seiner neuen Aufgabe und seinen Patienten gegenüber, versucht, seinen Platz im Leben und in der Gesellschaft, zu finden. Höhen, Tiefen, Glück, Verzweiflung, Niederlagen, Hochmut, Schmerz – jeder kennt diese Lebenslagen, die auch Andrew durchlebt und Cronin lässt den Leser mittels seiner enormen Ausdrucksstärke hautnah am Leben des ungestümen Protagonisten teilnehmen, so dass es dem Leser nicht schwerfällt, mit dem jungen Arzt zu fühlen, ihn zu verstehen. Als Andrew Manson allerdings seine Ethik in den Keller verbannt, um beide Hände für die Schecks der hypochondrischen Reichen freizuhaben, schüttelt man beim Lesen förmlich den Kopf und denkt: Oh Gott, wo soll das hinführen? Die Veränderung, die Andrew durchlebt, die sein Wesen so anders werden lässt, wird von A. J. Cronin schleichend und sensibel dargestellt, genau so - wie es oft im richtigen Leben geschieht. Jeder kennt solche Situationen, wo man am Ende gar nicht mehr weiß, wer oder was der eigentliche Auslöser für den erreichten Zustand war. Diesen Umstand hat der Autor hervorragend herausgearbeitet und gleichzeitig kritisiert Cronin gekonnt das damalige System, vor allem mit Fokus auf das Gesundheitswesen. Gesellschaftskritisch spricht er mit schonungslosem Fingerspitzengefühl Mängel an und sensibilisiert seine Leser für diese Missstände. „Die Zitadelle“ ist eine zarte und zugleich kraftvolle Geschichte mit einem feinen Sinn für Gefühle in einer sowohl klaren wie auch harmonischen Sprache erzählt. Ich ziehe meinen Hut vor dieser schriftstellerischen Leistung. Nicht umsonst vergleicht Hermann Hesse Cronins Schreibweise mit der des modernen Dickens.