Rezension zu "Die Bewährung" von A.J. Cronin
Duncan Stirling hat einen Traum. Er will Arzt werden, weil er weiß, dass Gott ihm die Gabe zum Heilen gegeben hat. Aber Duncan hat zwei Probleme. Sein linker Arm ist durch eine Kinderlähmung verkrüppelt und er kommt aus armen Verhältnissen. Völlig mittellos, nur mit der goldenen Uhr seines Vaters und dem Zorn seiner Mutter, die andere Pläne für ihren Sohn hatte, macht er sich bei Nacht und Nebel in strömendem Regen zu Fuß auf den Weg nach St. Andrews, um sich das Stipendium für ein Medizinstudium zu erkämpfen. Angetrieben von unsagbarem Ehrgeiz und ausgestattet mit schrankenlosem Fleiß, besteht er die Prüfungen und erhält einen von drei Stipendienplätzen. Überglücklich saugt er das Studium der Medizin in sich auf, findet Beachtung und Anerkennung, jedoch steht ihm seine Behinderung beim Erklimmen der Karriereleiter immer wieder im Weg. Schließlich lernt er die berühmte Chirurgin Anna Geisler kennen. Anna ist eine Frau von Format und schätzt Duncan. Sie sieht die Dinge wie sie sind, spricht sie unumwunden aus und ist scharfsinnig. Sie erkennt Duncans Potenzial und fördert ihn, was seinem Gegenspieler, den vom Glück verwöhnten, Dr. Overton, aus reichem Hause, ein Dorn im Auge ist. Annas Begeisterung für Duncan geht sogar soweit, dass sie ihn bittet das Unmögliche zu versuchen. Sie will seinen verkrüppelten Arm in einer gefährlichen Operation richten. Duncan willigt ein und unterzieht sich diesen Strapazen mit ungewissem Ausgang.
A.J. Cronins Geschichten beeindrucken mich immer wieder. Er nimmt seinen Leser an die Hand und führt ihn zuverlässig und souverän durch alle Abenteuer seiner Charaktere und am besten gelingt ihm das bei Arztromanen. „Die Bewährung“ ist aber kein Arztroman, sondern ein Roman von einem Arzt. Cronin war selbst Arzt und ganz gewiss ein guter Menschenkenner. Mit Vorliebe behandelt er in seinen Romanen die komplizierten Eigenschaften und facettenreichen Verhaltensweisen von Menschen, was seine Bücher, die sich obendrein immer durch vollkommene Authentizität auszeichnen, für mich so interessant macht. Cronin findet für jeden Augenblick den perfekten Ausdruck und man erfährt wie nebenbei viel über unsere Spezies, wobei er in diesem Zusammenhang eine gesunde Gesellschaftskritik nie außen vorlässt. In „Bewährung“ geht es um Moral und menschliche Abgründe und um ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Ehrgeiz und Seelenfrieden, denn Karriere und Erfolg sind die eine Seite der Medaille, die andere Seite sind Glück und Zufriedenheit.