Rezension zu "Reisen in die Welt des Wahns" von Achim Haug
„Innen-Einsichten“ aus „Ver-rückten“ Welten
„…meiner Patientin, die fest auf dem Boden steht, als auch dieser zu wanken beginnt“.
Das ist, was, meist schleichend, geschehen kann. Dass das Innere sich „ver-rückt“, das Fantasien, negative Emotionen, Wahnvorstellungen die Regie über das eigene Leben, die eigene Person übernehmen und zu, für die Außenwelt, kaum verstehbaren Auswüchsen, Haltungen und Fantasien führen.
Was allerdings auch erschreckende Komponenten für jenes „Außen“ in sich trägt, dann der Blick auf den „Ahn“ kann auch wie ein Blick in einen, wenn auch verzerrten, Spiegel wirken. Zumindest die Sorge wachrufen, wenn „dem oder der“ das passiert, kann es dann nicht jedem, auch einem selbst zustoßen?
Vier konkrete Fälle aus seiner Praxis sind es, die Haug, natürlich anonymisiert und verfremdet, dem Leser vor Augen führt. Und an denen er überaus verständlich, griffig und Schritt für Schritt das „hineingleiten“ oder „hineinrutschen“ in einen Wahn ebenso faszinierend erläutert, wie die Behandlung selbst, den „Weg zurück“.
Seien es „vielfache Stimmen von Leuten in mir“.
„Stellen sie sich vor, es gelingt jemandem, ganz dicht hinter ihnen zu gehen. Er begleitet sie, wohin sie auch gehen, immer ist da jemand nah bei ihnen…..Und diese Person flüstert ihnen etwas ins Ohr“ (und das quasi ununterbrochen).
Solch kleine, nüchterne, sachliche Beschreibungen sind es, die dem Leser auch emotional ermöglichen, sich wirklich mit hineinzuversetzen, zu ahnen, was es bedeutet, die innere „Bodenhaftung“ zu verlieren.
„Tamara erlebte die Stimmen völlig real. Sie hörte sie mit den Ohren, es war nicht einfach ein laut empfundener Gedanke“.
Wie auch Tobias völlig überzeugt davon war, dass er ein „Heiliger“ ist. Ein „Abgesandter Gottes“. Was allein schon ein bedrängendes Erleben darstellt, wenn man dann aber die eigene Freundin noch als „Tochter des Teufels“ betrachtet.
Das kann zum einen gefährlich werden, zum anderen zeigt Haug an diesem Beispiel überzeugend auf, wie sehr alle Elemente des alltäglichen Lebens mehr und mehr in einer ganz eigenen Logik miteinander in eine solche Verbindung gebracht werden, dass jedes Element am Ende den konkrete Wahn stützt.
Auch wenn Haug sprachlich eingängig und einfach die Dinge auf den Punkt benennt, eine einfache Lektüre legt er gerade deswegen nicht vor, weil das Thema so befremdlich zunächst ist und es eine Weile benötigt für den Leser, sich in diese „ver-rückten“ Welten einzufühlen. Was aber ein überaus lohnender und hoch interessanter Vorgang am Ende ist, denn selten hat man die Gelegenheit, einem „in sich verdrehten“ Denken so plastisch nahe zu kommen.
Eine sehr empfehlenswerte Lektüre.