Rezension zu "Die meerblauen Schuhe meines Onkels Cash Daddy" von Adaobi Tricia Nwaubani
Afrikanische Schriftsteller haben es schwer auf dem deutschen Markt. Selbst Werke, wie die des ersten afrikanischen Literatur-Nobelpreisträgers, des Nigerianers Wole Soyinka, verstauben in den Regalen der Bücherhallen. Der vorliegende Debütroman der jungen nigerianischen Autorin Nwaubani, für den sie den renommierten Commonwealth Writers' Prize erhielt, könnte das ändern.
Es ist eine spannende, humorvoll-satirische und gleichzeitig einfühlsame Einführung in die afrikanische Kultur am Beispiel Nigerias. Dieses größte und bevölkerungsreichste Land Afrikas (neben Südafrika) ist trotz seines Ölreichtums gekennzeichnet von bitterer Armut, die eine korrupte Elite ganz ungeniert mit ihrem immensen, offen zur Schau gestellten Reichtum konfrontiert. An dem klug gewählten Beispiel des weltweiten ‚Vorschussbetruges‘ der sog. Nigeria-Connection, in den sich die Protagonisten des Romans immer tiefer verwickeln, führt uns Nwaubani die subtilen Verbindungen zwischen ihrer und unserer Welt vor Augen. Alle, die ein e-mail Konto oder Faxgerät haben, kennen die obskuren Angebote der 419er, in denen angebliche nigerianische Erben riesiger illegaler Geldvermögen immer wieder versuchen gierige Westler hinters Licht zu führen:
Mit unsittlichen Hehler-Angeboten appellieren sie an die Gier der ‚mugus’, und obwohl die Medien seit Jahrzehnten davor warnen, fallen immer wieder Unternehmer darauf herein. Sie werden systematisch gemolken wie Dukatenesel und verhelfen so einem mittlerweile global agierenden Geldwäsche-Ring zu einer Umverteilung gegen den Trend – vom reichen Westen in ein afrikanisches Entwicklungsland. Bei uns führt das oft zu Stereotypen vom kriminellen Nigerianer, der - gleich hinter islamistischen Terrorgruppen - zum Reich des Bösen gehört und rigoros bekämpft werden muss.
Nwaubani schildert dagegen anschaulich, dass Korruption und Betrug Teil eins globalen kapitalistischen Systems sind das diesen Vorschussbetrug erst ermöglicht und zu dem immer zwei Spieler gehören: einer bei uns und einer im Niger-Delta. Betrug und Korruption gelten auch in Afrika als unmoralisch und verachtenswert. Nur macht uns die Autorin mit einer Art Galgenhumor deutlich, dass angesichts des Elends der Alltagswelt einer nigerianischen Familie die paternalistische Fürsorge eines reichen Gauners, zumal wenn es der eigene Onkel ist, auch vom Renommee eines Robin Hood zehren kann. Wie sie es dabei versteht – so ganz nebenbei, als wäre es nichts – tiefe Einblicke in eine uns fremde Kultur in all ihren Facetten zu vermitteln, ist einfach umwerfend. Dazu muss man freilich das Buch in die Hand nehmen, doch wenn man es erst einmal angefangen hat, mag man es nicht eher aus der Hand legen, bis es zu Ende gelesen ist.
Am Schluß noch ein kleiner Wehrmutstropfen: Bitte lassen Sie sich nicht von dem sperrigen, exaltierten deutschen Titel des Buches abschrecken. Was den Verlag geritten haben mag, solch einen Titel ohne jeglichen Bezug zu dem des Originals zu wählen wird wohl ewig ein Rätsel bleiben. Eine freie Übersetzung des nigerianischen Englisch des Originaltitels, etwa ‚Ich wende mich nicht umsonst, gerade an Sie‘, würde vermutlich mehr Leser anlocken. Dies um so mehr, als er einen direkten Bezug zum Inhalt des Romans hat. Es war eine der Standardformulierungen zur Einleitung der 419-scams, mit der die nigerianischen Betrugssyndikate versuchten, mittels der systematischen Analyse gehackter e-mails ein persönliches Verhältnis zu den von blinder Gier geleiteten Opfern aufzubauen. Dass die dicke Schwarte der deutschen dtv-Premium Übersetzung von 2011 mit 496 Seiten gut ein Drittel sperriger ausfällt als das englischsprachige Original (368 S.), liegt indes sicherlich nicht an der Übersetzung, sondern wohl eher am gewählten Buchformat und Schriftsatz.